Das Kammergericht in der Hauptstadt kämpft mit den Folgen eines Trojaner-Angriffs. Und das nun schon seit mehreren Monaten. Wie geht es weiter?
Ein externer Sachverständiger soll dem Berliner Kammergericht (KG) bei der Lösung seiner IT-Probleme nach der Cyberattacke vor etwa vier Monaten helfen. Bis zu diesem Freitag werde dazu ein Konzept erarbeitet, der Experte sollte dann im Februar seine Arbeit beginnen, kündigte Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) am Mittwoch im Rechtsausschuss des Abgeordnetenhauses an. Es sei "mitnichten" so, dass die Arbeitsfähigkeit des Gerichts wiederhergestellt sei.
Das Gericht arbeitet weiter provisorisch. Von 550 still gelegten Computern seien bislang 60 ersetzt worden, sagte Präsident Bernd Pickel im Ausschuss. Im Februar sollten 80 bis 90 Prozent der Mitarbeiter wieder am eigenen Platz arbeiten können. "Es ist alles im Fluss, es ist mehr, als es von außen aussieht", gab sich Pickel optimistisch.
Behrendt betonte mit Bezug auf ein Gutachten zu dem Trojaner-Angriff, es müsse davon ausgegangen werden, dass Daten abgeflossen seien, etwa Zugangsdaten. Man wisse aber nicht, wer betroffen gewesen sein könnte. Solche gestohlenen Daten wären aber ohnehin wertlos, weil die Computer alle vom Netz genommen wurden, ergänzte Pickel. Nach seinen Worten gebe es laut der Einschätzung keine Erkenntnisse, dass Dokumente, Urteile oder Beschlüsse des Gerichts bei dem Angriff mit der Schadsoftware Emotet gestohlen wurden.
"Schwerwiegender Sicherheitsvorfall": Staatsanwaltschaft ermittelt
Befürchtet worden war, dass Informationen etwa zu Prozessen zur Organisierten Kriminalität oder zu Terrorismus in die Hände der Angreifer gelangt sein könnten.
Pickel sagte, er habe vom möglichen Abfluss von Daten erst bei Vorlage des Gutachtens am 24. Januar dieses Jahres erfahren. Von dem Papier gebe es zwei Versionen. In der öffentlichen seien persönliche Daten und einige technische Details gestrichen worden. Zudem habe der Gutachter aus Versehen ein falsches Datum eingesetzt. Die Oppositionsfraktionen von FDP und CDU hatten vermutet, dass Informationen zurückgehalten werden sollten.
Laut Gerichtspräsidenten gab es keine Erpressungsversuche. Die Staatsanwaltschaft ermittle zu dem "schwerwiegenden Sicherheitsvorfall", sagte der Justizsenator.
Das IT-Dienstleistungszentrum Berlin (ITDZ) hatte den Virus im Computersystem Ende September bemerkt. Die Rechner wurden vom Internet getrennt und das KG vom Netz genommen. Das Gericht hatte ein eigenes System, das nicht wieder aufgebaut werden soll. Die neue IT kommt unter den Schirm des Dienstleistungszentrums.
Der Justizsenator zeigte sich offen, alle still gelegten Rechner und Server des Gerichts einer Tiefenprüfung auf einen möglichen Datenabfluss zu unterziehen. Das würde etwa zwei Jahre dauern und einen zweistelligen Millionenbetrag kosten. "Man wird das abwägen müssen."
dpa/acr/LTO-Redaktion
Kammergericht: . In: Legal Tribune Online, 31.01.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/40037 (abgerufen am: 19.11.2024 )
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