Justizministerkonferenz 2022: Länder wollen mal wieder mehr Geld für die Justiz

von Dr. Markus Sehl

31.05.2022

Neues Geld für Richter, Staatsanwälte und Digitalisierung? Auf ihrer Konferenz in Bayern fordern die Länder vom Bund einen "Stärkungspakt" für die Justiz, allzu konkret wird es nicht. Die eigentliche Arbeit läuft hinter den Kulissen.

In den Justizministerien der Länder ist man ungeduldig mit dem Bundesjustizminister. Einige Landesjustizchefs fühlen sich vernachlässigt, wenn es um die Finanzierung ihrer Staatsanwaltschaften und Richterschaft geht. Und da passte es für sie auch ins Bild, dass Marco Buschmann (FDP) sich nur digital zuschalten will, wenn ab Mittwoch auf der Justizministerkonferenz im bayerischen Hohenschwangau über aktuelle Themen zu Justiz, Rechtspolitik und Anwaltschaft beraten wird. Dass der Bundesjustizminister zumindest in seinem Antrittsjahr die Länderkolleginnen und -kollegen vor Ort besucht, gehört eigentlich zum guten Ton. Hat der Minister wichtigeres zu tun? Es gibt eine jedenfalls unglückliche Terminkollision. Im Bundestag wird kommende Woche über den Haushalt 2022 verhandelt, auf der Regierungsbank darf der Minister nicht fehlen.

Denn im Parlament stehen auch die Ausgaben des Ministeriums für die Justiz auf der Tagesordnung. Und da fehlt für dieses Jahr ausgerechnet ein Posten, auf den die Länder sehnsüchtig warten. Darüber hätten sie gerne mit Buschmann in Hohenschwangau, in unmittelbar Nähe zum Märchenschloss Neuschwanstein, diskutiert.

Kurz vor der Konferenz kritisierte die Hamburger Justizsenatorin Anna Gallina (Grüne) gegenüber dem Spiegel, dass es noch keine Fortschritte bei einer Neuauflage zum Pakt für den Rechtsstaat gibt. Der "Pakt" legt die Unterstützung des Bund für die Aufgaben der Länderjustiz fest. Für einige Länder geht es um Stellen in der Staatsanwaltschaft und Richterschaft, für andere steht Unterstützung bei der Digitalisierung (inklusive IT-Fachpersonal für die Justiz) im Vordergrund. So oder so: Es geht ums Geld.

Länder wollen mehr Geld – für Stellen und Digitalisierung

2019 wurde die erste Auflage des Pakts beschlossen: Der Bund zahlt in zwei Tranchen 220 Millionen Euro an die Länder, die verpflichten sich im Gegenzug insgesamt rund 2.000 neue Stellen für Staatsanwältinnen und Richter zu schaffen. Ein bundespolitischer Anreiz, sich endlich um die Justiz in den Ländern zu kümmern. Dabei war von Anfang an klar: Alle diese neuen Staatsanwälte und Richterinnen können auf Dauer nicht mit der Einmalzahlung aus dem Bund finanziert werden. Außerdem ist der Bund auch gar nicht dafür zuständig, die Justizstellen der Länder zu bezahlen, das Geld wurde über die Umsatzsteuer in die Länder gelenkt.

Die Länder mussten sich also mit der Anschubfinanzierung zugleich langfristig auf eigene Investitionen festlegen. Und das taten sie, das Projekt wurde ein Erfolg. Rund 2.700 Justizstellen wurden geschaffen, der Anreiz aus dem Bund hatte Wirkung gezeigt. Übrigens wurde die zweite Tranche bislang noch nicht einmal ausgezahlt, angeordnet wurde das Geld, zeitnah soll es das Bundesfinanzministerium an die Länder fließen lassen.

Nichtsdestotrotz steht die Justiz vor Herausforderungen in den kommenden Jahren: Die Digitalisierung der Justiz, neue Aufgaben etwa bei der Verfolgung der sog. Hasskriminalität oder organisierter Kriminalität nicht zuletzt aus den Encrochat-Verfahren, notorisch hohe Arbeitsbelastung, sowie einem Bewerbermangel gegenüber einer drohenden Pensionierungswelle.

Der Koalitionsvertrag der Ampel ist dazu denkbar deutlich: "Wir verstetigen mit den Ländern den Pakt für den Rechtsstaat und erweitern ihn um einen Digitalpakt für die Justiz", heißt es dort. Also Pakt für den Rechtstaat 2.0 plus X?

Der Bund als Dauer-Financier der Länderjustiz?

Inwiefern aus der Anschubfinanzierung die aus den Ländern geforderte "Verstetigung" werden wird, ist noch offen. Auf der letzten Justizministerkonferenz im Herbst 2022 hatten sich die Länder in seltener Geschlossenheit von Berlin bis Bayern für eine Neuauflage des Pakts für den Rechtsstaat ausgesprochen. Herausgekommen ist ein Kompromiss, der es allen Ländern und ihren Bedürfnissen recht machen soll: "Personalverstärkungen nachhaltig fortsetzen und Digitalisierung der Justiz vorantreiben – Pakt für den Rechtsstaat 2.0".

Um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen, haben sie das Thema für die Runde im Hohenschwangau noch einmal auf die Tagesordnung gesetzt. Und zwar gleich zweimal, einmal mit einem Antrag aus Bayern und einmal mit einem Antrag aus Hamburg. Gut möglich, dass die inhaltlich mehr oder weniger gleichlautenden Anträge auf der Konferenz wieder als Signal zu einer Forderung verschmolzen werden. Die Rede ist von einem "Stärkungspakt". Allzu konkret wird es in den Anträgen, die LTO vorliegen, nicht Vielmehr enthalten sie eine freundliche Erinnerung und eine hoffnungsvolle Vorfreude, nun doch bald in den Dialog mit dem BMJ eintreten zu dürfen.

Denkbar, dass es unter einer Formel wie "Digitalisierung der Justiz" noch einmal Geld vom Bund gibt, auch für Personal. Wieviel es daneben für Stellen bei Staatsanwaltschaft und Richterschaft geben wird, muss noch konkretisiert werden. Justizminister Buschmann hatte bei einem Termin im Bundestag Mitte Mai vor den Abgeordneten den Pakt für den Rechtstaat ein Erfolgsprojekt genannt und damit grundsätzliche Bereitschaft signalisiert.

Bereits kurz nach der Justizministerkonferenz soll es ein Treffen von Vertretern der Fachabteilungen aus dem BMJ und der Länderjustiz geben, die näher abstimmen wollen, was gebraucht wird und was bereitgestellt werden kann, heißt es aus Justizkreisen.

Ein Sprecher des BMJ sagte gegenüber LTO: "Die weitere Digitalisierung der Justiz ist für das BMJ ein Kernanliegen in dieser Legislaturperiode. Auch hierzu steht das Bundesministerium der Justiz im Austausch mit den Ländern, die dazu aufgerufen sind, anhand konkreter Projektvorschläge aufzuzeigen, wie digitale Potenziale in der Justiz nutzbar gemacht werden können."

Gut möglich, dass Bundesjustizminister Buschmann schon am Donnerstag seinen Auftritt in der Haushaltsrunde nutzt, um aus dem Plenum eine Botschaft in Sachen Pakt für den Rechtstaat an die Länder zu richten.

Weitere Themen: Binationale Ehen, Änderung bei "Schriftform" im BGB, strafbare Inhalte im Netz

Während für die Länder der Pakt für den Rechtsstaat das Thema mit Schwergewicht ist, wird es auf der 93. Justizministerkonferenz am Mittwoch und Donnerstag auch um zahlreiche andere Themen gehen: Binationale Eheschließungen, Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren im Verwaltungsprozess, die Verantwortung sozialer Netzwerke bei der Bekämpfung strafbarer Inhalte, effektive Strafverfolgung und Konsequenzen aus dem Digital Services Act.

Aus Bayern und Hessen stammt ein Vorschlag, der eine bisherige Hürde bei digitalen Klageerhebungen aus dem Weg räumen will. Zwar können Dokumente elektronisch übermittelt werden (130a Zivilprozessordnung), dem Schriftformerfordernis des Bürgerlichen Gesetzbuchs genügt das aber nicht, sobald es um formbedürftige Gestaltungserklärungen wie etwa eine Kündigung geht. Deshalb soll aus dem Erfordernis der "Schriftform" das Erfordernis einer "Schriftsatzform" werden.

Justizminister Georg Eisenreich sieht bislang einen "Wertungswiderspruch". "Wer seine Klage analog einreicht, kann beispielsweise zugleich in seiner Klage die Kündigung des Mietverhältnisses erklären. Bei einer digitalen Klageerhebung ist das derzeit nicht ohne Weiteres möglich", so Eisenreich gegenüber LTO.

Entkriminalisierung von Fahren ohne Fahrschein und Ersatzfreiheitsstrafen

Aus Berlin stammen zwei Anträgen, die sich mit sozialen Härten beschäftigen. Zum einen fordert ein Antrag den Bundesjustizminister auf, die strafrechtliche Ahndung von Fahren ohne Fahrschein zu reformieren. Ähnlich wie frühere Reforminitiativen sieht auch der Berliner Antrag vor, dass das Delikt der Beförderungserschleichung in § 265a Strafgesetzbuch soziale Probleme und Ungleichheiten verschärft, sozial schwächere Menschen trifft, Ressourcen bei Polizei und Justiz bindet.

Ebenso soll überprüft werden, wie das System der Ersatzfreiheitsstrafen, also für alle, die eine Geldstrafe nicht erfüllt können, reformiert werden kann. Ein über 270 Seiten langer Abschlussbericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe liegt schon seit 2019 vor. Der Bericht will an der Ersatzfreiheitsstrafe weiter festhalten, lehnte eine ganze Reihe von Alternativen (Gemeinnützige Arbeit als Sanktionsform, Fahrverbot, Hausarrest) ab, regt aber die Etablierung von Haftvermeidungsprogrammen an. Konsequenzen wurden aus den Ergebnissen noch nicht gezogen.

Zitiervorschlag

Justizministerkonferenz 2022: . In: Legal Tribune Online, 31.05.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/48608 (abgerufen am: 05.11.2024 )

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