Flüchtlinge aus islamischen Ländern haben bessere Chancen auf Asyl, wenn sie zum Christentum übertreten. Gerichte überprüfen daher, ob der Glaubenswechsel echt oder nur vorgetäuscht ist. Doch gegen dieses Vorgehen regt sich Protest.
Darf der Staat über den Glauben von Christen urteilen? Diese Frage sorgt für Ärger. Denn immer häufiger müssen Richter die Frömmigkeit von Flüchtlingen überprüfen, die vom Islam zum Christentum konvertiert sind. Die Asylbewerber pochen darauf, dass ihnen als Christen bei einer Abschiebung in ihre Heimat Verfolgung drohe. Doch was, wenn der Glaubenswechsel nur vorgeschoben wurde? Welche christlichen Inhalte muss ein konvertierter Asylbewerber kennen, damit sein Glaubenswechsel einer gerichtlichen Überprüfung standhält?
Die Verwaltungsgerichte beurteilen das unterschiedlich. "Teilweise erfolgt die Wissensabfrage sehr detailliert", schreibt der Richter Benjamin Karras in einer Studie für die Konrad-Adenauer-Stiftung. Es gehe dann zum Beispiel um die Erbsünde und die Bedeutung des Sühnetodes Jesu Christi. In anderen Fällen setze das Gericht die Kenntnis bestimmter Gebete, biblischer Geschichten und kirchlicher Traditionen wie etwa der Fastenzeit voraus. "Mitunter entsteht dabei der Eindruck, dass auch die große Mehrheit der in Deutschland geborenen Kirchenmitglieder diese Fragen nicht zufriedenstellend beantworten könnte", heißt es in der Studie. Richter seien zudem in der "Gefahr, eigene religiöse Vorstellungen beziehungsweise Erwartungshaltungen auf den Asylbewerber zu projizieren". Die bisher unterschiedlichen Prüfungsmaßstäbe sollten deswegen vereinheitlicht werden.
Kritik von Kirche und Professoren
Die christlichen Kirchen sehen diese Verfahren sehr kritisch. Sie betonen, dass sie niemanden leichtfertig tauften. Staatlichen Gerichten stehe es nicht zu, über die Ernsthaftigkeit eines Taufbegehrens zu entscheiden, betont der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm: "Was nicht geht, ist, dass durch Abfrage von sogenanntem Glaubenswissen, das zum Teil in sehr fragwürdiger Weise abgefragt wird, darüber entschieden wird, ob jemand ernsthaft glaubt." Der katholische Bischof von Rottenburg-Stuttgart, Gebhard Fürst, hofft auf eine grundsätzliche Entscheidung: Das Thema der Glaubensprüfungen müsse vom Bundesverfassungsgericht geklärt werden.
Auch Fachleute schütteln mit dem Kopf. Der Staats- und Verwaltungsrechtler Prof. Dr. Horst Dreier erklärte in einem Interview der Zeitschrift Publik Forum: "Wer von einer Religionsgemeinschaft aufgenommen ist, gehört zu ihr. Wenn dies passiert, gehöre ich dazu, egal ob ich das Vaterunser aufsagen kann oder nicht. Alles andere ist völlig absurd." Fälle, in denen Gerichte solche Überprüfungen des Glaubens vornehmen, häufen sich dennoch, wie der katholische Kirchenrechtler Prof. Dr. Thomas Schüller in in der Zeitschrift ebenfalls feststellt: "Sie zeigen eine fatale Entwicklung auf: Unabhängige Richterinnen und Richter maßen sich an, darüber zu urteilen, ob jemand zu einer Religionsgemeinschaft gehört oder nicht."
Justizministerium vertraut den Richtern
Das baden-württembergische Justizministerium hält dagegen: Das Bekenntnis zum christlichen Glauben sei noch kein Asylgrund. Vielmehr müsse ein Gericht zu der Überzeugung gelangen, dass dem Betroffenen in seinem Heimatland eine Verfolgung wegen seiner Religion drohe. "Ich habe ein großes Vertrauen darin, dass die Verwaltungsgerichte ihre Entscheidungen in jedem Einzelfall mit großer Sorgfalt treffen", sagte Justizminister Guido Wolf (CDU).
dpa/ast/LTO-Redaktion
Gerichte überprüfen Glaubenswechsel in Verfahren: . In: Legal Tribune Online, 09.12.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/39141 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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