Der Widerstand gegen die umstrittene Justizreform in Israel hält an, am Mittwoch sollen weitere Abstimmungen im Parlament stattfinden. Die Auswirkungen des Vorhabens auf die Gewaltenteilung wären fatal.
In Israel haben am Mittwoch neue landesweite Proteste gegen die geplante Justizreform begonnen. Eine Gruppe von Reservisten und Soldaten blockierte am Morgen vorübergehend die zentrale Verbindungsstraße zwischen Tel Aviv und Jerusalem, wie die Zeitung Haaretz berichtete. Im Verlauf des Tages waren in zahlreichen Städten wieder Protestaktionen und Märsche geplant. Der Justizausschuss im Parlament soll am Mittwoch über Teile der Reform abstimmen.
Nach Plänen der rechts-religiösen Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu soll es dem Parlament künftig möglich sein, mit einfacher Mehrheit Entscheidungen des Höchsten Gerichts aufzuheben. Außerdem sollen Politiker bei der Ernennung von Richtern mehr Einfluss erhalten. Das Gesetzesvorhaben könnte dem Regierungschef auch in einem Korruptionsprozess in die Hände spielen, der bereits seit längerer Zeit gegen Netanjahu läuft.
Protestwelle reißt nicht ab
Im Parlament stand eine erste Abstimmung über einen Gesetzentwurf auf dem Programm, der es deutlich schwerer machen soll, einen Ministerpräsidenten für amtsunfähig zu erklären. Dafür wäre dann eine Dreiviertelmehrheit im Parlament notwendig. Außerdem wäre eine Amtsenthebung nur wegen psychischer oder anderer Gesundheitsgründe möglich. Generalstaatsanwältin Gali Baharav-Miara warnt, diese Änderung könne zu "absurden Situationen" führen. Sie schüfe ein "schwarzes Loch", weil sie jegliche juristische Aufsicht verhindere.
Das Vorgehen des Ministerpräsidenten hat eine Welle von Protesten ausgelöst. Seit Wochen gehen Zehntausende Menschen auf die Straßen. Während Bundesjustizminister Marco Buschmann vergangenen Monat trotz massiver Kritik in das Land gereist war, hatte Netanjahu die geplante Reform weiter vorangetrieben.
Kritiker sehen durch die Reform die Gewaltenteilung in Gefahr und warnen, dass sich Israel in eine Diktatur verwandeln könnte. Die Regierung ist dagegen der Ansicht, das Höchste Gericht übe derzeit zu viel politischen Einfluss aus. Weil Israel keine schriftliche Verfassung hat und der Staat stattdessen auf einer Sammlung von Grundgesetzen fußt, kommt dem Höchsten Gericht besondere Bedeutung bei der Wahrung von Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten zu.
dpa/pab/LTO-Redaktion
Abstimmung im Parlament steht bevor: . In: Legal Tribune Online, 01.03.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/51191 (abgerufen am: 15.11.2024 )
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