Ampel und Union wollen das Bundesverfassungsgericht vor Verfassungsfeinden schützen. In einer Stellungnahme teilt das Gericht nun mit, was es selbst von den diskutierten Vorschlägen hält, die es resilienter machen sollen.
Das Plenum des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) hat eine Stellungnahme zu den rechtspolitischen Überlegungen verfasst, die es künftig besser vor Verfassungsfeinden schützen soll. Die Stellungnahme bezieht sich auf eine geplante Reform der Fraktionen von SPD, Grünen, FDP und der Union, die Deutschlands höchstes Gericht vor einer politisch motivierten Entmachtung durch Extremisten schützen soll.
Die Reform sieht im Wesentlichen vor, die Rahmenbedingungen und Strukturen des BVerfG in der Verfassung festzuschreiben. Das betrifft beispielsweise die Anzahl der Senate, wie viele Richter diesen angehören und wie lange diese im Amt bleiben. Der Hintergedanke: Wenn solche Dinge in der Verfassung stehen, können sie nur mit Zweidrittelmehrheit anstatt wie bisher mit einfacher Mehrheit geändert werden.
Von dieser Idee zeigt sich das Plenum des BVerfG in seiner Stellungnahme überzeugt. Darin heißt es: "75 Jahre nach Inkrafttreten des Grundgesetzes ist eine nähere verfassungsrechtliche Konturierung des Bundesverfassungsgerichts möglich und überzeugend. Eine solche liegt auch deshalb nahe, weil ein Blick über die Grenzen der Bundesrepublik Deutschland hinaus zeigt, dass sich autokratische Bestrebungen auch und gerade gegen die Verfassungsgerichtsbarkeit als Garantin einer freiheitlichen, demokratischen und rechtsstaatlichen Ordnung richten können." So war es etwa in Polen geschehen, in dem die neue Regierung bis heute Schwierigkeiten hat, den einmal umgebauten Justizapparat wieder auf eine rechtsstaatliche Grundlage zu stellen.
Gegen eine Verankerung etwa der Zahl der Senate, der Zahl ihrer Mitglieder oder Dauer der Amtszeit "erhebt das Bundesverfassungsgericht keine Einwendungen", heißt es am Donnerstagabend in seiner Mitteilung.
Streitpunkt: Verfassungsrichterwahl auch nur mit Zweidrittelmehrheit?
Zu einem Punkt der geplanten Reform enthält sich das Plenum allerdings in seiner Stellungnahme ganz bewusst einer Meinung. Es geht um die Frage, ob auch die Verfassungsrichterwahl nur noch per Zweidrittelmehrheit möglich sein sollte, indem man sie wie die anderen Mechanismen des BVerfG im Grundgesetz verankert.
Verfassungsrichter künftig nur per Zweidrittelmehrheit wählen zu lassen, kann absehbar Probleme mit sich bringen. Es gibt damit extremistischen Parteien mehr Einfluss auf die Richterwahlen, weil ihre Stimmen dann für die nötige Eindrittel-Blockade mehr Wert hätten als wenn Verfassungsrichter wie bisher mit einfacher Mehrheit gewählt werden. Dieses Risiko zeigt Dr. Matthias K. Klatt in seinem Gastbeitrag für LTO ausführlich auf. Zwar sieht der Reformvorschlag vor, für den Fall einer politischen Blockade im Bundestag einen Ersatzwahlmechanismus zu schaffen. Doch auch dieser wirft verfassungsrechtliche Fragen auf, die noch nicht geklärt sind.
Das BVerfG-Plenum schreibt nun in seine Stellungnahme: Für die beiden "gegenläufigen Positionen" gebe es "jeweils gut nachvollziehbare Argumente". Diese "fußen nicht zuletzt auf unterschiedlichen prognostischen Einschätzungen über künftige politische Mehrheitsbildungen, zu denen auch dem Bundesverfassungsgericht keine weitergehenden Erkenntnismöglichkeiten zur Verfügung stehen. Vor diesem Hintergrund sieht das Bundesverfassungsgericht insoweit von einer Stellungnahme ab."
Grünes Licht und einmal Enthaltung: . In: Legal Tribune Online, 12.09.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/55397 (abgerufen am: 12.09.2024 )
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