BGH bestätigt Rechtsbeugungs-Urteil: Rich­terin mit "totaler Blo­c­kade" ver­steckte Akten im Keller

von Joschka Buchholz

13.06.2023

Eine Amtsgerichtsrichterin hat zahlreiche ihrer Fälle nicht mehr bearbeitet und teilweise Dokumente verfälscht. Deshalb wurde sie wegen Rechtsbeugung verurteilt, der BGH hatte nun über die Revision zu entscheiden.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Verurteilung einer Richterin aus Lüdenscheid insbesondere wegen Rechtsbeugung gemäß § 339 Strafgesetzbuch (StGB) im Wesentlichen bestätigt. Gleichwohl wurde das Urteil des Landgerichts (LG) Hagen (Az. 46 KLs - 32 Js 264/20 - 8/21) aufgehoben, da die Strafzumessung rechtsfehlerhaft erfolgte (Beschl. v. 29.11.2022, Az. 4 StR 149/22).

Wegen Rechtsbeugung in zehn Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Urkundenfälschung sowie in sechs Fällen in Tateinheit mit Verwahrungsbruch und Urkundenunterdrückung hatte das LG Hagen die Frau zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Im Prozess hatte die Richterin des Amtsgerichts Lüdenscheid eingeräumt, eine "totale Blockade" gehabt zu haben und deshalb mehrere Akten nicht bearbeitet zu haben. Die unbearbeiteten Akten waren 2020 bei einer Durchsuchung im Keller der Frau gefunden worden. Teilweise hatte sie die fristgerechte Urteilsabsetzung durch Verfügungen und Vermerke vorgetäuscht.

Auch hatte die Richterin in einem Strafverfahren das Protokoll der Hauptverhandlung verfälscht, um das Verfahren fortsetzen zu können, obwohl sie den Angeklagten bereits in Abwesenheit verurteilt hatte. Damit wollte sie verschleiern, dass sie das schriftliche Urteil nicht entsprechend § 275 I Strafprozessordnung (StPO) rechtzeitig zu den Akten gebracht hatte, was einen absoluten Revisionsgrund gemäß § 338 Nr. 7 StPO darstellt. Insoweit hat die Frau durch ihr Verhalten dem Angeklagten ein aussichtsreiches Rechtsmittel genommen.

Wenngleich die Frau angab, dass sie sich in psychotherapeutischer Behandlung befinde, konnte ein psychiatrisches Gutachten in dem Verfahren keine Zweifel an der Schuldfähigkeit der Richterin feststellen. Im Rahmen dieser Untersuchung hatte die Frau angegeben, sie habe die betroffenen Akten besonders gut bearbeiten wollen, sei jedoch nicht dazu gekommen. Sie habe dann negative Gefühle, insbeondere in Bezug auf eine vermeintliche Erwartungshaltung von außen verdängen wollen. Zwar habe sie sich nicht überlastet gefühlt, konnte sich aber auch nicht durchringen, das Verdrängungsgefühl zu überwinden und die Akten umfassend zu bearbeiten. Im Rahmen ihrer Psychotherapie habe sie versucht, in ihrem Vorgehen einen "roten Faden" zu erkennen, welche Gemeinsamkeiten die unbearbeiteten Akten hätten. Dies sei indes erfoglos geblieben.

Vom Ruf der "angesehenen Richterin" zur Rechtsbeugung

In den Urteilsgründen des LG Hagen wird die Frau zunächst von Kollegen sowie Prozessbeteiligten aus der Anwaltschaft und der Staatsanwaltschaft als "angesehene Richterin" beschrieben, deren Rat auch dienstältere Kollegen regelmäßig gesucht hätten. Gleichwohl waren mehreren Kollegen schon kurz nach ihrer Ernennung auf Lebenszeit immer wieder Unregelmäßigkeiten in ihrer Aktenführung aufgefallen, welche jedoch erst im Sommer 2020 dazu führten, dass es zu einer Durchsuchung ihrer Wohnung kam, bei der dann mehrere Akten und weitere zugehörige lose Blätter gefunden wurden.

Zuvor hatten mehrere Kollegen zum Teil wiederholt versucht, auf die Frau einzuwirken. Gleichwohl versuchte die Frau, von ihrem eigenen Fehlverhalten abzulenken und versuchte  andere Personen für die Verzögerungen und Unregelmäßigkeiten verantwortlich zu machen. Beispielsweise datierte sie eine Zustellungsverfügung in einer Akte zurück auf ein früheres Datum und legte die Akte dann bewusst in ein völlig falsches Fach, um so eine Fehlleistung der zuständigen Geschäftsstellenmitarbeiter vorzutäuschen.

Das LG Hagen hatte die Strafe bei drei Jahren und zehn Monaten Freiheitsstrafe festgesetzt. Weil bei der Verurteilung in sechs Fällen aber fälschlicherweise von einem Tun und nicht von Unterlassen ausgegangen wurde, hat der BGH das Urteil aufgehoben. Deshalb wird das LG Hagen die Strafe neu festsetzen müssen.

Zitiervorschlag

BGH bestätigt Rechtsbeugungs-Urteil: . In: Legal Tribune Online, 13.06.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/51983 (abgerufen am: 21.11.2024 )

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