Erste Verfassungsbeschwerde gegen Syndikusgesetz: Was sind "Recht­s­an­ge­le­gen­heiten des Arbeit­ge­bers"?

von Pia Lorenz

20.04.2020

Ein Unternehmensjurist geht nach Karlsruhe. Der BGH, der es ablehnte, ihn als Syndikusanwalt zuzulassen, verletze ihn in seiner Berufsfreiheit, argumentiert der Inhouse-Jurist.

Ein Rechtsanwalt, dem der Anwaltssenat des Bundesgerichtshofs (BGH) die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt versagt hat, hat Verfassungsbeschwerde eingelegt. Die nach LTO-Informationen erste Verfassungsbeschwerde gegen das sog. Syndikusgesetz aus dem Jahr 2016 wird beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) unter dem Aktenzeichen 1 BvR 695/20 geführt.

Der BGH habe mit seiner Entscheidung (Urt. v. 3.02.2020, AnwZ (Brfg) 71/18) unzulässig in die Berufsfreiheit des Juristen eingegriffen, argumentieren Martin W. Huff und Dr. Sebastian Roßner von der Kanzlei LLR Legerlotz Laschet Rechtsanwälte in Köln, die den Juristen in der Sache vertreten.

Konkret habe der Senat den Begriff der "Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers" in § 46 Abs. 5 S. 1 der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) zu eng ausgelegt. Von der Auslegung dieses Begriffs hängt es ab, ob der Antragsteller als Syndikusrechtsanwalt zugelassen kann.

BGH: Arbeit für die Gesellschafter, nicht für die Gesellschaft

Eine anwaltliche Tätigkeit in Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers ist Voraussetzung für die Zulassung als Syndikusanwalt bei nichtanwaltlichen Arbeitgebern. In Fortsetzung seiner Rechtsprechung hat der Anwaltssenat des BGH darauf abgestellt, dass die Rechtsangelegenheiten eines Dritten nicht dadurch zu Rechtsangelegenheiten des Arbeitsgebers würden, dass dieser vertraglich oder kraft Satzung zu deren Bearbeitung verpflichtet ist.

Als Rechtsanwalt ist der klagende Jurist seit langem zugelassen. Seit 2006 ist er zudem bei einer GmbH tätig, zunächst als "D&O-Schadenspezialist", später dann als Leiter der Abteilung Schadensmanagement. Die GmbH wurde von verschiedenen Versicherern gegründet, als Mitversicherungsgemeinschaft bietet sie D&O-Versicherungen an und vermittelt und betreut Erst- und Rückversicherungsverträge und wickelt entstandene Vermögensschäden ab.

Laut dem BGH sind das keine Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers, der Jurist könne daher nicht als Syndikusanwalt zugelassen werden. Die Abteilung Schadensmanagement, die der Jurist leitet, bearbeite Rechtsangelegenheiten der in der Versicherungsgemeinschaft zusammengeschlossenen Versicherer, nicht aber der GmbH, so der Senat. Seine Arbeitgeberin sei nicht Partei der Versicherungsverträge, aus denen sie weder berechtigt noch verpflichtet sei. Die Schadenfälle seien solche der Versicherer, nicht ihre eigenen.

Es würden nur die Interessen der Gesellschafter und nicht der GmbH wahrgenommen, was den Abschluss und die Abwicklung der Versicherungsverträge betrifft. Dass die Versicherungen, in deren Namen gemeinschaftlich die Versicherungsverträge abgeschlossen wurden, auch die Gesellschafter der Mitversicherungsgemeinschaft seien, ist nach Ansicht des Anwaltssenats unbeachtlich.

Kläger: Verfassungswidriger Eingriff in die Berufsfreiheit

Der klagende Leiter Schadensmanagement sieht in dieser Auslegung der Vorschrift der Bundesrechtsanwaltsordnung einen Eingriff in seine Berufsfreiheit gem. Art. 12 GG, ohne dass es dafür notwendige Gründe des Gemeinwohls gebe.

Die Anwälte von LLR argumentieren u.a. damit, dass es dem Syndikusrechtsanwalt ausdrücklich erlaubt sei, mit seinem Arbeitgeber im Sinne des Gesellschaftsrechts verbundene Unternehmen anwaltlich zu beraten, auch wenn nur eine Mehrheitsbeteiligung bestehe. Warum das nicht gelten sollte, wenn Rechtsfragen der Gesellschafter der GmbH betreut würden, sei nicht einzusehen. Auch bei Tätigkeiten im Vereins- und Verbandsbereich sei es Syndikusanwälten erlaubt, Mitgliedsunternehmen umfassend zu beraten.

"Daher stellt die Entscheidung des BGH eine verfassungswidrige Benachteiligung des Klägers dar, für die es keinerlei sachliche Rechtfertigung gibt", so die Rechtsanwälte Huff und Roßner in ihrer Begründung der Verfassungsbeschwerde.

Es ist die erste Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetz, das im Jahr 2016 in Kraft trat und den vom Bundessozialgericht (BSG) mit seinen Entscheidungen aus 2014 geschaffenen Schwebezustand für die Unternehmensjuristen beendete. Deutschlands höchste Sozialrichter hatten entschieden, dass ein bei einem nichtanwaltlichen Arbeitgeber tätiger Rechtsanwalt kein Rechtsanwalt sei (Urt. v. 03.04.2014, Az B 5 RE 13/14 R u.a.). Damit war auch die Altersversorgung von Zehntausenden Unternehmensjuristen in Gefahr. Im Rechtsanwaltsversorgungswerk kann nur Mitglied sein, wer über eine Anwaltszulassung verfügt.

Seit Inkrafttreten des Syndikusgesetzes können Volljuristen, die anwaltlich bei einem nichtanwaltlichen Arbeitgeber (Unternehmen, Verein, Verband) tätig sind, sich als Syndikusrechtsanwalt zulassen lassen. Diese Zulassungsmöglichkeit gibt es seitdem neben und mit der Zulassung als "freier" – nicht arbeitgebergebundener – Rechtsanwalt. Streitigkeiten mit der Deutschen Rentenversicherung, in welche die Beiträge dann nicht eingezahlt werden, dauern allerdings bis heute an.

Zitiervorschlag

Erste Verfassungsbeschwerde gegen Syndikusgesetz: . In: Legal Tribune Online, 20.04.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/41357 (abgerufen am: 22.11.2024 )

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