Die Corona-Zugangsbeschränkungen an den Thüringer Gerichten stünden im Widerspruch zu den Grundsätzen eines rechtsstaatlichen Verfahrens, findet die dortige Rechtsanwaltskammer. Sie fordert die Aufhebung der Maßnahmen.
Die Thüringer Rechtsanwaltskammer (RAK) hat die sofortige Aufhebung aller Corona-Zugangsbeschränkungen an Thüringer Gerichten gefordert. Sie bedeuteten einen "erheblichen und nicht hinnehmbaren Eingriff in die Grundsätze eines rechtsstaatlichen Verfahrens", erklärte die Kammer am Montag.
Teilweise hätten Gerichtsentscheidungen schon auf dem Weg des Versäumnisurteils gefällt werden müssen, weil Prozessbevollmächtigte wegen der 3G-Regel (Geimpft, genesen, getestet) nicht in das Gebäude gelassen worden seien, erläuterte Kammerpräsident Jan Helge Kestel. "Dieser Zustand ist nicht akzeptabel und ist insbesondere nicht zur Pandemiebekämpfung erforderlich."
Prozesse öffentlich zu führen, sei eines der wesentlichsten Prinzipien eines rechtsstaatlichen Verfahrens, betonte Kestel. Er verwies darauf, dass die Gerichte in Thüringen mit Schutzvorrichtungen für die Verfahrensbeteiligten ausgestattet und die Verhandlungssäle überwiegend groß genug seien, um den Infektionsschutz zu gewährleisten.
Zuletzt war bekannt geworden, dass ein größerer Drogenprozess am Landgericht Erfurt wegen Platzmangels im Gerichtssaal auf unbestimmte Zeit vertagt wurde. Auch ein Prozess um einen rassistischen Angriff auf drei Afrikaner im Sommer 2020 in Erfurt steht wegen Platzmangels weiter auf unbestimmte Zeit aus.
Auch der Deutsche Anwaltverein (DAV) sieht die Corona-bedingten Zugangsbeschränkungen zu Gerichten kritisch: "Das ist eine nicht vertretbare Einschränkung des Zugangs zum Recht. Der Zugang zum Recht ist ein Menschenrecht und ein rechtsstaatlicher Grundsatz. Der Staat hat die Justiz als Daseinsvorsorge bereitzuhalten. Ein Gericht ist damit viel eher vergleichbar mit einer Apotheke – und eben nicht mit einem Bekleidungsgeschäft", hieß es auf eine LTO-Anfrage hin.
In diesem Zusammenhang forderte der DAV auch gleich eine Priorisierung von Anwältinnen und Anwälten bei der PCR-Testvergabe: "Die Anwaltschaft gehört zur kritischen Infrastruktur. Das bedeutet, auch die Anwaltschaft muss weiterhin Zugang zu PCR-Tests erhalten. Quarantäne-bedingte Ausfälle wegen der Unsicherheit einfacher Antigen-Schnelltests wären nicht hinnehmbar."
dpa/acr/hs/LTO-Redaktion
Rechtsanwaltskammer Thüringen: . In: Legal Tribune Online, 24.01.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/47303 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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