BRAK-Vize zur Fortbildungspflicht für Anwälte: "Am Wahl­kampf geschei­tert"

Interview von Pia Lorenz

04.04.2017

2/2: "Der Wahlkampf hat es noch schwerer gemacht"

LTO: Die Diskussion im Gesetzgebungsverfahren hat sich sehr lang hingezogen, die Union und SPD konnten sich konnten sich nicht einigen. Wissen Sie mehr dazu, warum am Ende von dem ursprünglichen Reformvorhaben lediglich Teilaspekte beschlossen wurden? Wie stark war die BRAK in das Gesetzgebungsverfahren eingebunden?

Wessels: Wir werden genauso stark eingebunden wie der DAV und wir bringen uns genauso ein wie dieser, indem wir die nach unserer Meinung gebotenen Stellungnahmen zu den inhaltlichen Fragen abgeben.

Die eigentlichen politischen Diskussionen sind aber weder vom DAV noch von der BRAK unmittelbar zu beeinflussen. Dass die sog. Kleine BRAO-Reform letztendlich in wesentlichen Punkten gescheitert ist und bloß noch - wenn auch in Teilbereichen sehr sinnvolle - einzelne Punkte regelt, hat aus meiner Sicht zwei Gründe: Durch die Kombination mit der Umsetzung der Berufsanerkennungsrichtlinie, für die die Frist schon abgelaufen ist, gab es einen erheblichen Zeitdruck. Dadurch ist die inhaltliche Diskussion um die kleine BRAO-Reform etwas zu kurz gekommen.

Das wird noch verstärkt durch den zweiten Grund, nämlich das vor der Tür stehende Ende der Legislaturperiode. Der Wahlkampf hat es noch einmal schwerer gemacht, eine Kompromisslinie zu finden, die man bei mehr Ruhe und Zeit für Sachlichkeit sicherlich hätte finden können.

"Wer keine 150 Euro für eine Fortbildung hat, sollte keine Kanzlei gründen"

LTO: Auch die geplante Berufspflicht, sich vor oder kurz nach der Zulassung zur Anwaltschaft zehn Stunden berufsrechtlich zu informieren, ist auf diesem Wege verschwunden. Weshalb?

Wessels: Wir hätten es sehr begrüßt, diesen Kenntnisstand zu erweitern. In der Ausbildung wird das ja, auch wenn man dem Berufsrecht in der Anwaltsstation begegnen sollte, eher vernachlässigt. Und es geht schließlich nicht nur um unser Berufsrecht, sondern dieses begünstigt und schützt ja die Mandanten, wie zum Beispiel bei der Verschwiegenheitspflicht.

Dass es auch dazu nicht gekommen ist, wurde damit begründet, dass die jungen Anwälte einerseits keine Zeit und andererseits das Geld dafür nicht hätten. Beides überzeugt mich nicht - zumal nur zehn Stunden vorgesehen waren, die man zudem über einen bis auf maximal sieben Jahre zu streckenden Zeitraum auch schon vor der Zulassung hätte erbringen können.

Das Kostenargument ist kaum überzeugender, wenn man sich die Preise für Fortbildung - sowohl der gewerblichen Anbieter als auch der Kammern - ansieht. Man kann davon ausgehen, dass man die zehn Stunden für 150 Euro hätte bekommen können - wer das Geld nicht hat, sollte keine Kanzlei gründen und nicht Anwalt werden.

"Verpflichtende Briefwahl schwächt die Bedeutung der Kammerversammlung"

LTO: Zukünftig ist aber,  um mal zu den von Ihnen angesprochenen positiven Aspekten zu kommen, eine verbindliche Briefwahl zu den Kammerversammlungen vorgesehen. Versprechen Sie sich davon eine höhere Wahlbeteiligung – und damit mehr demokratische Legitimation in den regionalen Kammern?

Wessels: Die Einführung einer verpflichtenden Briefwahl entsprach oder entspricht nicht dem Vorschlag und der Anregung der BRAK. Vorgesehen war eine Öffnungsklausel im Hinblick auf die Briefwahl, so dass die Kammerversammlung als höchstes und wichtigstes Entscheidungsgremium zwischen einer Präsenz– und Briefwahl hätte entscheiden können. Das wäre eine Stärkung der Selbstverwaltung gewesen, die wir uns gewünscht hätten, zumal bei den Wahlen in einzelnen Kammern auch regionale Besonderheiten bei der Zusammensetzung des Kammervorstandes zu berücksichtigen sind. Diese Argumente haben auch den Rechtsausschuss des Bundesrates überzeugt.

Natürlich wünschen wir uns eine hohe Wahlbeteiligung und diese wird voraussichtlich auch durch eine Briefwahl gesteigert werden können. Dass damit die Bedeutung der Kammerversammlung, in der ja wichtige Entscheidungen zum Haushalt und zu berufsrechtlichen und berufspolitischen Weichenstellungen getroffen werden, geschwächt wird, weil die Kollegen die Briefwahl wichtiger einschätzen als die Teilnahme an der Kammerversammlung, sehe ich durchaus kritisch.

LTO: Die Stimmzettel können aber auch weiterhin in der Kammerversammlung abgegeben werden. Trägt das aus Ihrer Sicht den Bedenken von Kammervertretern, dass durch eine Briefwahl die Kammerversammlung entwertet werden könnte, hinreichend Rechnung?

Wessels: Nein. Die Möglichkeit der Abgabe von Stimmzetteln in der Kammerversammlung ist meines Erachtens nur ein "Deckmantel". Mit einer wirklichen Öffnungsklausel hat dies nichts zu tun.

LTO: Die Wahl kann auch als elektronische Wahl durchgeführt werden. Können die Anwälte in zwei Jahren über das besondere elektronische Anwaltspostfach wählen?

Wessels: Die BRAK wird sicher prüfen, welche Möglichkeiten es gibt, für die Kammern ein elektronisches Wahlverfahren anzubieten.

"Das ganze System zur Sanktionierung von Berufspflichtverletzungen überprüfen"

LTO: Möglich wird auch wieder die Zustellung von Anwalt zu Anwalt.

Wessels: Das ist eine große Erleichterung in der Zusammenarbeit. Das funktionierte ja jahrzehntelang hervorragend und wir begrüßen es sehr, dass die Satzungsversammlung nun sofort mit Inkrafttreten des Gesetzes beschließen kann, dass die Zustellung von Anwalt zu Anwalt wieder möglich ist. So können wir nach der Kehrtwende der Rechtsprechung im Jahr 2015 (BGH, Urt. v. 26.10.2015, Az. AnwSt(R) 4/15) sofort den alten Zustand wieder herstellen, der über Jahrzehnte gut funktioniert hat.

Ebenso positiv ist die Rückwirkungsmöglichkeit bei den Syndizi. Diese werden nun nach § 46a BRAO ab dem Eingang ihres Zulassungsantrags Mitglied in der jeweiligen Anwaltskammer. Diese positiven Elemente, die umgesetzt worden sind, ändern aber nichts daran, dass die Stärkung der Selbstverwaltung in den wichtigen Bereichen der generellen und der berufsrechtlichen Fortbildung für die Zulassung ausgeblieben ist.

LTO: Ist das das Thema, für das Sie weiter kämpfen werden?

Wessels: Sicherlich, neben vielen anderen. Vielleicht wird man auch die Diskussion über Sanktionierungen einer Berufspflichtverletzung wieder aufnehmen. Dabei könnte man nicht nur fragen, ob es zusätzlich zur Rüge eine Geldbuße geben soll, sondern man könnte durchaus einmal das ganze System überprüfen. Zum Beispiel über die schon häufiger diskutierte Möglichkeit, dass Anwaltskammern Unterlassungsverfügungen erlassen können, sollte dann einmal gesprochen werden.

Es bleibt  unsere Aufgabe, das Berufsrecht an die Anforderungen der Zukunft anzupassen. Und zwar so, dass einerseits die wesentlichen Werte des Anwaltsberufs und dadurch auch unsere spezielle Stellung als Organ der Rechtspflege erhalten bleiben, und dass unser Berufsrecht andererseits zum Beispiel für die Digitalisierung gewappnet ist.  

LTO: Herr Dr. Wessels, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Dr. Ulrich Wessels ist Vizepräsident der BRAK und Präsident der Rechtsanwaltskammer Hamm. Der Rechtsanwalt und Notar in der Sozietät Dr. Koenig & Partner GbR in Münster ist zudem Vorstandmitglied und Schatzmeister des Deutschen Anwaltsinstituts.

Das Gespräch führte Pia Lorenz.

Zitiervorschlag

Pia Lorenz, BRAK-Vize zur Fortbildungspflicht für Anwälte: . In: Legal Tribune Online, 04.04.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22570 (abgerufen am: 21.11.2024 )

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