Diverse Regelungen im Berufsrecht der rechtsberatenden Berufe sollen neu strukturiert und verständlicher gestaltet werden. Dies sieht ein Gesetz vor, das das BMJ am Freitag vorstellte. Gelten sollen die neuen Vorschriften ab Januar 2026.
Erfasst von der Neuordnung des Berufsrechts sind vor allem Regelungen für die aufsichtsrechtliche Tätigkeit der Anwalts- und Steuerberaterkammern, aber auch solche zu den Vorstandswahlen der Kammern und zur ehrenamtlichen Tätigkeit bei den Gerichten. Zudem sieht der Entwurf Erleichterungen und erweiterte Möglichkeiten bei der Zulassung von Syndikusanwälten vor.
"Wir wollen das Berufsrecht der rechtsberatenden Berufe fortentwickeln. Überflüssige Regeln werden wir abschaffen, unnötige Bürokratie abbauen. Außerdem schaffen wir mehr Verständlichkeit und klarere Strukturen. Davon werden am Ende die Berufsträgerinnen und Berufsträger profitieren - und auch unser Rechtsstaat", so Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) anlässlich der Veröffentlichung des Entwurfs am Freitag.
Konkret sieht der Entwurf des Bundesjustizministeriums (BMJ) für ein "Gesetz zur Neuordnung aufsichtsrechtlicher Verfahren, des Rechts der rechtsberatenden Berufe sowie zur Änderung weiterer Vorschriften" unter anderem folgende Änderungen vor:
Alleinige Zuständigkeit des Anwaltsgerichts bei Rechtsbehelfen im Aufsichtsrecht
Im Bereich der Rechtsbehelfe im Aufsichtsrecht sollen die Regelungen bei den Rechtswegen und den verfahrensrechtlichen Bestimmungen laut BMJ "klarer und kohärenter" gefasst werden. Entsprechende Anpassungen sind in der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO), der Patentanwaltsordnung (PAO) und dem Steuerberatungsgesetz (StBerG) vorgesehen.
So soll für Rechtsbehelfe gegen rechtliche Hinweise, Rügen und Zwangsgelder von Rechtsanwältinnen und -anwälten künftig einheitlich das Anwaltsgericht zuständig und außerdem die Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) anzuwenden sein. Bisher unterscheiden sich etwa die Regelungen in der BRAO zu den Rechtsbehelfen gegen Belehrungen, Rügen und Zwangsgelder insbesondere im Hinblick auf die Zuständigkeit der Gerichte (Belehrung und Zwangsgeld: Anwaltsgerichtshof; Rüge: Anwaltsgericht) und auf die anzuwendenden Verfahrensvorschriften (Belehrung: VwGO; Rüge und Zwangsgeld: Teile der strafprozessualen Beschwerdevorschriften).
Eine durchgreifende Begründung hierfür sei kaum ersichtlich, da es sich jeweils um Verwaltungsakte oder zumindest diesen ähnlichen Maßnahmen der Rechtsanwaltskammern handelt, denen in aller Regel keine derartige Bedeutung zukomme, dass sie erstinstanzlich vor dem Anwaltsgerichtshof verhandelt werden müssten, heißt es im BMJ-Entwurf.
"Belehrung" wird zum "rechtlichen Hinweis"
Weiter soll auf den Begriff der "Belehrung" künftig verzichtet und dieser durch den Begriff des "rechtlichen Hinweises“ ersetzt werden. So sollen derzeit bestehende Probleme mit der gesetzlich nicht konkret geregelten sogenannten "missbilligenden Belehrungen" gelöst werden.
Der Hintergrund: Viele Rechtsanwaltskammern sprechen in Fällen, in denen sie von einem berufsrechtswidrigen Verhalten eines Rechtsanwalts ausgehen, jedoch die Erteilung einer schärferen Rüge (§ 74 BRAO) noch nicht für erforderlich ansehen, eine sogenannte "missbilligende Belehrung“ aus. Diese missbilligende Belehrung ist gesetzlich nicht geregelt; der BGH hat sie jedoch 2017 als zulässige berufsrechtliche Maßnahme mit repressivem Charakter anerkannt.
Oft vermengt wurde nun diese Form der (missbilligenden) Belehrung mit der einfachen, eher präventiv ausgerichteten "Belehrung" nach 73 Absatz 2 Nummer 1 BRAO. Mit der Neuformulierung soll fortan Klarheit geschaffen werden: So erscheine schon der Begriff "Belehrung" dogmatisch irreführend, da er präventive und repressive Elemente ohne sachgerechte Trennung miteinander vermenge, heißt es im Gesetzentwurf. "Unter Zugrundelegung einer klaren dogmatischen Trennung (…) soll daher künftig gesetzlich klargestellt werden, unter welchen Voraussetzungen die derzeitige Belehrung angegriffen werden kann." Für die Rechtsbehelfe gegen die Erteilung oder Nichterteilung des rechtlichen Hinweises soll künftig das Anwaltsgericht (und nicht mehr der beim Oberlandesgericht eingerichtete Anwaltsgerichtshof nach § 112a BRAO) zuständig sein, da die Wertigkeit der Fälle in der Regel unter denen einer Rüge oder eines anwaltsgerichtlichen Verfahrens liegt, für die auch das Anwaltsgericht zuständig ist.
Weniger Bürokratie bei der Zulassung zum Syndikusanwalt
Bürokratische Erleichterungen sind nach Buschmanns Gesetz künftig für Syndikusanwälte sowie steuerberatende Berufsausübungsgesellschaften vorgesehen. Syndizi müssen im Hinblick auf ihre Zulassung künftig nicht mehr die in den §§ 46a und 46b BRAO sowie in den §§ 41b und 41c PAO noch vorgesehene "amtlich beglaubigte" Abschrift des Arbeitsvertrages vorlegen bzw. nachträgliche Änderungen desselben einreichen. "Mit dieser Anpassung soll unnötige Bürokratie abgebaut werden, indem zukünftig die Vorlage einer bloßen Kopie des Arbeitsvertrags genügt", heißt es in der Gesetzesbegründung.
Bei verschiedenen anderen Voraussetzungen für anwaltliche Tätigkeiten sieht der 139-Seiten umfassende Entwurf punktuelle Anpassungen vor. Unter anderem wird das Mindestalter 35 für Rechtsanwälte am BGH gestrichen. Hierzu wird im Entwurf ausgeführt: "Rechtsanwältinnen und -anwälte, die als Rechtsanwältin oder -anwalt beim BGH in Betracht kommen, dürften auch bisher schon praktisch immer bereits 35 Jahre alt sein. Soweit eine Anwärterin oder ein Anwärter jedoch tatsächlich einmal wenige Jahre jünger als 35 sein sollte, kann ihr oder ihm dadurch die Eignung als Rechtsanwältin oder -anwalt beim BGH nicht pauschal abgesprochen werden."
Modifizierungen beim Wahlrecht der Berufskammern
Für Vorstandswahlen der einschlägigen Berufskammern sollen neue Regelungen für Wiederholungswahlen getroffen werden. So soll etwa die bisher gesetzlich nicht geregelte Frage, welche Bestimmungen bei Vorstandswahlen der Rechtsanwaltskammern für die Durchführung von Wiederholungswahlen gelten, durch eine Neuregelung in § 68a BRAO-E geklärt werden, die sich an die Regelung in § 44 des Bundeswahlgesetzes (BWahlG) anlehnt. Entsprechende Neuregelungen zur Durchführung von Wiederholungswahlen für Vorstandswahlen sind auch in der PAO und der BnotO vorgesehen.
Schließlich sollen auch die Regelung zur Berufung und Abberufung ehrenamtlicher Richterinnen und Richter bei den Berufsgerichten in BRAO, PAO, StBerG, BNotO und WPO vereinheitlicht und stringenter gefasst werden. Insbesondere sollen die Regelungen für die Abberufung in § 95a BRAO-E, § 89 PAO, § 101 StBerG, § 104a BNotO-E und § 77 WPO gleichlautend ausgestaltet werden.
Änderungen bei der Verwahrung von notariellen Urkunden
Die Zuständigkeit für die dauerhafte Verwahrung von notariellen Urkunden soll künftig von der Justiz auf die Archivverwaltungen übertragen werden. Derzeit bestimmt die BNotO, dass notarielle Akten und Verzeichnisse, deren Aufbewahrungsfrist noch nicht abgelaufen ist, grundsätzlich entweder durch die Notarinnen und Notare oder durch die Amtsgerichte oder Notarkammern zu verwahren sind (vgl. § 51 Abs. 1 bis 4, § 118 BNotO).
Mit der Zuständigkeitsübertragung soll letztlich auch für Forschende die Einsicht in die Urkunden deutlich vereinfacht werden. "Vor allem aber soll durch die Neuregelung die Einsicht in über 100 Jahre alte Urkunden und Verzeichnisse entbürokratisiert werden", heißt es im Entwurf.
Eine Evaluierung der neuen aufsichtsrechtlichen Vorschriften ist im Gesetz nicht vorgesehen, vielmehr wird dieser in der Begründung explizit eine Absage erteilt: Es sei nicht erkennbar, "dass die Regelungen zur Modifikation aufsichtsrechtlicher Verfahren rechtsberatender Berufe Nachteile mit sich bringen könnten, die eine Evaluierung erforderlich machen könnten". Dasselbe gelte auch für die Regelungen zur Verwahrung von über 100 Jahre alten notariellen Urkunden und Verzeichnissen (einschließlich der Einsichtnahme in diese)."
Deutscher Anwaltverein begrüßt Überarbeitung
Der Referentenentwurf wurde am Freitag an die Länder und Verbände versendet. Diese haben nun Gelegenheit, bis zum 29. November 2024 Stellung zu nehmen. Läuft im Gesetzgebungsverfahren alles glatt, soll die neue Rechtslage ab 1. Januar 2026 gelten.
Über den Zeitpunkt der Veröffentlichung des Referentenentwurfs hatte das BMJ offenbar einige Verbände vorab informiert. "Der Entwurf des BMJ kommt wenig überraschend, war die BRAK doch durch das BMJ entsprechend informiert", so der u.a. für das Berufsrecht zuständige BRAK-Vize André Haug gegenüber LTO. Den konkreten Entwurf werde man nun in allen Details sichten und eine entsprechende fundierte Stellungnahme abgeben.
Zuspruch zum Entwurf kommt vom Deutschen Anwaltverein (DAV). Er begrüßt, dass das BMJ “das unklare Sanktionssystem" der Bundesrechtsanwaltsordnung überarbeitet, so die Antwort des DAV auf Anfrage von LTO. Schon 2022 habe der DAV in seiner Stellungnahme zur "missbilligenden Belehrung" angeregt, das gesamte System der Aufsicht auf den Prüfstand zu stellen, nicht lediglich einzelne Aspekte. "Ob diese Forderung durch den Referentenentwurf umgesetzt wurde – und ob die weiteren mit dem Entwurf angefassten Regelungen (Vorstandswahlen der Kammern, ehrenamtliche Tätigkeit bei Gerichten sowie Erleichterungen bei der Zulassung) – eine praktikable Vereinheitlichung verwirklichen, bedarf jetzt einer näheren Prüfung."
Bundesjustizministerium veröffentlicht Referentenentwurf: . In: Legal Tribune Online, 25.10.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/55718 (abgerufen am: 30.10.2024 )
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