BGH zur Nutzung des beA: "Beru­fungs­schrift­satz" als Datei­name unge­eignet

von Hasso Suliak

04.10.2023

Erneut rügt der BGH die mangelnde Sorgfalt eines Rechtsanwalts bei der der Nutzung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs – zulasten seines Mandanten. Dessen Berufung wurde wegen Pannen in der Kanzlei als unzulässig verworfen.

Die Serie von Verfahren, in denen sich der Bundesgerichtshof (BGH) mit Rechtsfragen rund um die Verletzung von Sorgfaltspflichten von Rechtsanwälten im Zusammenhang mit der Nutzung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs (beA) befassen muss, reißt nicht ab.

In einer am Mittwoch veröffentlichten Leitsatzentscheidung des VIa. Zivilsenates (Beschl. v. 31.08.2023, Az. VIa ZB 24/22) ließ der BGH einen Rechtsanwalt abblitzen, der per Rechtsbeschwerde gegen einen Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts (OLG) vorgegangen war. Dieses hatte im September 2022 seinem Wiedereinsetzungsantrag nicht stattgegeben und damit die Berufung seines Mandanten als unzulässig verworfen. Der Grund: Der Anwalt hatte die Frist nicht gewahrt, nachdem aus seiner Kanzlei per beA statt einer korrekt adressierten Berufungsbegründung ein völlig anderer Schriftsatz eingereicht worden war, der mit dem Verfahren in keinerlei Zusammenhang stand.

Der Anwalt hatte daraufhin die Wiedereinsetzung verlangt und dabei auf ein Versehen seines eigentlich geschulten Kanzlei-Personals verwiesen. Außerdem hätte doch dem OLG die verkehrte Datei auffallen mögen. Dieser Argumentation folgte jedoch weder das OLG noch jetzt der BGH. Was war geschehen?

Verweis auf geschultes Personal zieht nicht

Am Berufungsgericht OLG Brandenburg war unter dem Dateinamen "Berufungsschriftsatz.pdf" aus dem beA des Anwalts und unter dessen Nutzer-ID ein an ein anderes Oberlandesgericht adressierter und mit anderen Parteinamen versehener Schriftsatz eingegangen. Verursacht hatte diesen Fehler wohl das Kanzleipersonal.

Den irrtümlich versandten Schriftsatz ließ das OLG Brandenburg indes nicht als fristwahrend gelten, sondern stellte später klar, dass in der Kanzlei keine hinreichende Ausgangskontrolle gewährleistet gewesen sei. Bei der Übermittlung von fristgebundenen Schriftsätzen im elektronischen Rechtsverkehr mittels beA sei es unerlässlich den Versandvorgang zu überprüfen, so das OLG. Dabei sei nun einmal auch eine Prüfung erforderlich, ob die richtige Datei versandt worden sei. Der Rechtsanwalt müsse durch eine Organisationsanweisung oder durch konkrete Einzelanweisung sicherstellen, dass jeder fristgebundene Schriftsatz mit einem individuellen Dateinamen versehen werde, der später anhand von Prüfprotokoll und Eingangsbestätigung die Kontrolle auf Fehlversendungen ermögliche. Dass in der Kanzlei eine solche Kontrolle angeordnet worden wäre, habe sich aus seinem Wiedereinsetzungsgesuch nicht entnehmen lassen.

Dem hatte der BGH nun kaum was hinzuzufügen. Das OLG habe dem Kläger zu Recht die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist versagt und folgerichtig seine Berufung als unzulässig verworfen. Den Verweis des Anwaltes, er habe sein Personal akribisch geschult, so dass die Fristversäumnis doch von ihm "unverschuldet" gewesen sei, ließ der BGH nicht gelten. Der Anwalt müsse sich so behandeln lassen, als habe er selbst den nicht zum Verfahren gehörenden Schriftsatz anstelle der Berufungsbegründung an das Berufungsgericht versandt, dessen Übermittlung die Frist zur Berufungsbegründung nicht wahren konnte.

In seiner Begründung verwies der BGH auf ein Urteil des Bundessozialgerichts vom 14. Juli 2022 (B 3 KR 2/21). Danach dürfe der Inhaber eines beA gem. § 26 Abs. 1 der Verordnung über die Rechtsanwaltsverzeichnisse und die besonderen elektronischen Anwaltspostfächer (RAVPV) ein für ihn erzeugtes Zertifikat grundsätzlich keiner weiteren Person überlassen; die dem Zertifikat zugehörige PIN habe er geheim zu halten. Möglich sei gemäß § 23 Abs. 2 und 3 RAVPV allenfalls, anderen Personen den Zugang zum beA zu gewähren und so die von ihm selbst qualifiziert signierten elektronischen Dokumente auf einem sicheren Übermittlungsweg zu übersenden. Voraussetzung hierfür sei aber, dass die andere Person über ein eigenes Zugangskonto, ein entsprechendes Zertifikat plus zugehöriger Zertifikats-PIN verfüge. "Handelt der Inhaber eines besonderen elektronischen Anwaltspostfachs dem zuwider und überlässt er das nur für seinen Zugang erzeugte Zertifikat und die zugehörige Zertifikats-PIN einem Dritten, muss er sich so behandeln lassen, als habe er die übermittelte Erklärung selbst abgegeben."

BGH fordert unverwechselbaren Dateinamen

Im Übrigen aber, so der BGH, sei in diesem Fall aber noch aus einem anderen Grund von ihm verschuldet gewesen. So entsprächen nach ständiger Rechtsprechung die anwaltlichen Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der Übermittlung von fristgebundenen Schriftsätzen mittels beA denjenigen bei der Übersendung von Schriftsätzen per Telefax. "Auch bei der Nutzung des beA ist es unerlässlich, den Versandvorgang zu überprüfen", so die Karlsruher Richter.

Für das Vorliegen einer Eingangsbestätigung gemäß § 130a Abs. 5 Satz 2 Zivilprozessordnung (ZPO) sei insoweit erforderlich, dass gerade der Eingang des elektronischen Dokuments, das übermittelt werden sollte, bestätigt wird. Die Bestätigung der Versendung "irgendeiner Nachricht oder irgendeines Schriftsatzes" genüge nicht. Vielmehr sei anhand des zuvor sinnvoll vergebenen Dateinamens, der die Verwechslung mit anderen Dateien ausschließe, auch zu prüfen, ob sich die automatisierte Eingangsbestätigung auf die Datei mit dem Schriftsatz beziehe, dessen Übermittlung erfolgen sollte.

Der hier verwendete Dateiname "Berufungsschriftsatz.pdf" war nun nach Ansicht des BGH alles andere als geeignet, eine solche Verwechslung auszuschließen. Dieser ermögliche "weder die Zuordnung zu einem bestimmten Verfahren noch eine hinreichende Unterscheidung von anderen Dokumenten im selben Verfahren", so das Gericht.

Nicht die erste Karlsruher beA-Entscheidung

In der Vergangenheit musste der BGH den Anwälten immer wieder ins Stammbuch schreiben, welche Pflichten sie beim Versand fristwährender Schriftsätze mittels beA zu beachten haben. Zuletzt gab es vermehrt Entscheidungen zur Frage der zulässigen Ersatzeinreichung per Fax, wenn das beA streikt.

Der vierte Senat hatte sich – offenbar genervt von der Schludrigkeit mancher Anwälte – seinerzeit auch zu der Bemerkung hinreißen lassen, ein Anwalt müsse Kenntnis von der Rechtslage haben, die sein berufliches Handwerk betrifft: "Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss ein Rechtsanwalt die Gesetze kennen, die in einer Anwaltspraxis gewöhnlich zur Anwendung kommen. Dazu zählen ohne jeden Zweifel die Vorschriften über den elektronischen Rechtsverkehr (§§ 130a, 130d ZPO)."

Entschieden hat der BGH jetzt auch nicht das erste Mal zur Sorgfalt im Umgang mit Dateinamen. Im März 2023 hatte das Gericht klargestellt, dass es keine Überspannung der anwaltlichen Sorgfaltspflichten sei, wenn in der Kanzlei auch die Anhänge und deren Inhalt überprüft werden. Im damaligen Fall war ebenfalls ein falscher Schriftsatz mit einem "kryptischen Dateiennamen" verwendet worden.

Zitiervorschlag

BGH zur Nutzung des beA: . In: Legal Tribune Online, 04.10.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/52841 (abgerufen am: 15.11.2024 )

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