Ein Anwalt aus Nordrhein-Westfalen darf sich nicht als "Rechtsanwalt am Oberlandesgericht" bezeichnen. Dies sei kein besonderer Status im Vergleich zu Kollegen - und erwecke nebenbei den Eindruck, er bekleide ein öffentliches Amt, so der AGH.
Den Briefkopf eines Rechtsanwalts aus Nordrhein-Westfalen (NRW) darf zukünftig nicht mehr die Bezeichnung "Rechtsanwalt am Oberlandesgericht" zieren. Mit dem Zusatz verschaffe sich der Berufsträger einen ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteil gegenüber seinen Kollegen und zusäztlich den Eindruck, ein öffentliches Amt zu bekleiden, entschied der Anwaltsgerichtshof (AGH) NRW in Hamm in einem nun bekanntgewordenen Urteil (v. 19.06.2020, Az. 1 AGH 36/19).
Der Rechtsanwalt wandte sich gegen eine sogenannte missbilligende Belehrung seiner Rechtsanwaltskammer (RAK). Eine solche kann deren Vorstand bei berufsrechtswidrigem Verhalten als Alternative angesiedelt zwischen der einfachen Belehrung einerseits und der förmlichen Rüge nach § 74 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) andererseits erteilen. Anlass für die Belehrung gab aus Sicht der Kammer der Briefkopf des Berufsträgers, der zentriert unter seinem Namen die Bezeichnung "Rechtsanwalt am Oberlandesgericht" enthielt.
Der Zusatz stammt noch aus der Zeit der sogenannten Singularzulassung, wonach Rechtsanwälte nur zur Vertretung an einem bestimmten Gericht berechtigt waren. Diese wurde im Jahr 2007 aufgehoben, Rechtsanwälte sind mittlerweile an jedem Gericht postulationsfähig. Eine Ausnahme machen nur noch die Zivilverfahren am Bundesgerichtshof (BGH).
Simultanzulassung eine "Selbstverständlichkeit"
Die Kammer störte sich daran, dass der Rechtsanwalt auf diese Weise mit einer "Selbstverständlichkeit" Werbung betreibe. Nach § 43b BRAO dürfen Rechtsanwälte nur sachlich über ihre berufliche Tätigkeit unterrichten. Das bedeutet auch, potenzielle Mandanten nicht in die Irre zu führen, was der Mann nach Auffassung der RAK mit diesem Briefkopf aber gerade tat.
Der belehrte Anwalt trug dagegen vor, dass er mit seinem Briefkopf keine potenziellen Mandanten täusche, weil er tatsächliche eine Zulassung beim Oberlandesgericht (OLG) besitze. Letztlich werbe er sogar mit weniger Postulationsfähigkeit, als wirklich vorliege. Außerdem würde bei seinen Mandanten der Eindruck entstehen, dass er seine Postulationsfähigkeit vor dem OLG verloren habe, wenn er so nicht mehr firmieren dürfe. Sich so zu bezeichnen, sei darüber hinaus vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht geschützt.
Kein besonderer Status gegenüber den Kollegen
Der AGH NRW hatte an der missbilligenden Belehrung der RAK in seinem Urteil nichts auszusetzen, weil sich der Rechtsanwalt tatsächlich berufsrechtswidrig verhalten habe. Mit der Bezeichnung "Rechtsanwalt am Oberlandesgericht" verstoße er gegen § 43b BRAO. Eine unerlaubte Werbung liege nämlich auch dann vor, wenn gegen das Wettbewerbsrecht verstoßen wird. Als entsprechend einschlägig erachtete der Senat § 5 Abs. 1 S. 1 Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), wonach unlauter handelt, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.
Mit dem Zusatz "Rechtsanwalt am Oberlandesgericht" verschaffe sich, so der AGH, das Kammermitglied einen ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteil gegenüber seinen Berufskollegen. Denn bei potenziellen Mandanten werde der unzutreffende Eindruck erweckt, dass er über einen besonderen Status oder eine besondere Qualifikation verfüge, die andere Rechtsanwälte nicht aufwiesen.
Eindruck einer unzutreffende Amtsbezeichnung
Der Anwaltssenat erkannte darüber hinaus einen Verstoß gegen § 12 Abs. 4 BRAO. Danach darf die anwaltliche Tätigkeit nach der Zulassung unter der Berufsbezeichnung "Rechtsanwalt" ausgeübt werden. Ein "Rechtsanwalt am Oberlandesgericht" sei davon aber nicht mehr erfasst, weil so der Eindruck einer Amtsbezeichnung - wie etwa Richter am Landgericht - geweckt werde, die der Rechtsanwalt gerade nicht ausübe.
Da konnte schlussendlich auch der Versuch des Rechtsanwalts, den Zusatz auf dem Briefkopf über das allgemeine Persönlichkeitsrecht zu retten, nichts ändern. Dieses schütze nämlich nur den bürgerlichen Namen im Sinne von § 12 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) - und gerade nicht eine Berufsbezeichnung, so die Hammer Richter.
In dem konkreten Fall dürfte die Entscheidung aber nicht mehr allzu gravierende Auswirkungen für Rechtsanwalt haben, der jetzt ohne seine Besonderheit im Briefkopf auskommen muss: Er hat im Laufe des Verfahrens angekündigt, bald in Ruhestand zu gehen.
AGH NRW bestätigt belehrende Missbilligung: . In: Legal Tribune Online, 09.10.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/43063 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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