Solange das elektronische Anwaltspostfach offline ist, besteht für die Klage auf Feststellung, dass man dort eingegangene Nachrichten nicht gegen sich gelten lassen muss, kein Rechtsschutzbedürfnis. Das entschied der AGH Berlin.
Der Anwaltsgerichtshof (AGH) in Berlin hat den Antrag eines Anwalts auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückgewiesen. Janne Andreas Jacoby wollte feststellen lassen, dass "er nicht der passiven Nutzungspflicht des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs (beA) unterliegt, bereits eingegangene und zukünftig eingehende Nachrichten nicht zur Kenntnis nehmen und gegen sich gelten lassen muss, solange das beA durch die Bundesrechtsanwaltskammer außer Betrieb genommen ist."
Diesen Antrag hatte der Berliner Anwalt am 6. Januar dieses Jahres gestellt. Jacoby, der sich gegenüber LTO als "klaren Befürworter" des beA bezeichnete, hatte sich bereits im vierten Quartal 2017 registriert und das beA freiwillig zur Versendung und zum Empfang von Nachrichten genutzt. Als die für Umsetzung und Betrieb des beA verantwortliche Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) dieses am 22. Dezember wegen massiver Sicherheitslücken offline nehmen und wenige Tage später verkünden musste, dass es dabei auch bis auf Weiteres bleiben würde, konnte der Anwalt auf seine versendeten und eingegangenen Nachrichten nicht mehr zugreifen. Er wusste und weiß nach eigenen Angaben bis heute nicht, ob vor dem 22. Dezember noch Nachrichten eingegangen sind, die er nicht zur Kenntnis nehmen konnte.
Am 1. Januar 2018 trat aber plangemäß die sogenannte passive Nutzungspflicht in Kraft, aufgrund derer Anwälte verpflichtet sind, im beA eingegangene Schriftstücke gegen sich gelten zu lassen. Die BRAK schloss aus, dass Gerichte oder andere Kommunikationspartner momentan Dokumente auf diesem Wege zustellen können", niemand habe Zugriff auf das System. Man suche dennoch dazu das Gespräch mit dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV). Das stellte sich jedoch von Anfang an auf den Standpunkt, diesbezüglich "keinen gesetzgeberischen Handlungsbedarf" zu sehen.
AGH: Ein Urteil würde nichts ändern
Diese Auffassung teilt offenbar auch der II. Senat des AGH Berlin. Er hält den Antrag für gar nicht erst zulässig, weil es dafür kein Rechtsschutzbedürfnis gebe. Eine gerichtliche Entscheidung könnte die subjektive Rechtsstellung des Anwalts nämlich gar nicht verbessern, so die Anwaltsrichter in der Hauptstadt.
Der klagende Anwalt sei zwar wie alle Kollegen auch seit dem 1. Januar dieses Jahres zur passiven Nutzung des Anwaltspostfachs verpflichtet. Solange dieses aber offline geschaltet sei, könne er ja gar nicht darauf zugreifen. Und damit gebe es, solange das beA außer Betrieb ist, für die Feststellung, dass er nicht der passiven Nutzungspflicht unterliegt, kein Bedürfnis. "Eine solche ist derzeit nicht möglich", führen die Richter knapp aus (Beschl. v. 06.08.2018, Az. II 2/18).
Antragsteller Jacoby hält die Begründung zwar "für juristisch falsch, da im verwaltungsrechtlichen Verfahren ein offensichtlich rechtswidriger oder gar nichtiger Verwaltungsakt, der einem beispielsweise eine tatsächlich oder rechtlich unmögliche Handlung auferlegt, selbstverständlich angefochten werden kann". Dennoch zeigte er sich trotz der Kostenentscheidung zu seinen Lasten gegenüber LTO erleichtert: "Mir war es wichtig, dass der AGH Berlin nun klargestellt hat, dass eine passive Nutzungspflicht des beA seit dem 1. Januar 2018 nicht besteht. Vor diesem Datum in meinem beA-Postfach etwaig eingegangene Nachrichten, die ich nicht zur Kenntnis genommen habe, muss ich daher nicht gegen mich gelten lassen."
Nutzungspflicht wieder ab Neustart des beA
Derzeit sieht alles danach aus, dass die passive Nutzungspflicht unmittelbar mit dem geplanten Neustart des beA wieder "auflebt", wie es die BRAK nennt. Das BMJV sieht offenbar keine Notwendigkeit, diese erst einmal auszusetzen, verweist aber auch darauf, dass die BRAK darum - am 27. Juni - ohnehin zu spät gebeten habe. Die BRAK wiederum weist das von sich und gibt an, sich weiterhin für eine Testphase nach der Wiederinbetriebnahme einzusetzen.
Die soll trotz massiver Kritik aus der Anwaltschaft, von den Unternehmensjuristen und den Kanzleisoftware-Herstellern nach dem aktuellen Stand der Dinge am 3. September stattfinden. [Update um 18:16 Uhr] Das haben die Kammerpräsidenten mit sieben Gegenstimmen am Dienstag beschlossen, obwohl eine Schwachstelle im System bis dahin wider Erwarten nicht beseitigt werden kann. [Update Ende]
AGH Berlin zum kaputten Anwaltspostfach: . In: Legal Tribune Online, 08.08.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/30241 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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