Großkanzleien können aufatmen

Keine Überstundenvergütung für enttäuschte Anwälte

von Christian OberwetterLesedauer: 4 Minuten
Kanzleien müssen Überstunden angestellter Juristen nicht ohne Weiteres vergüten, hat das BAG entschieden. Anwälte kriegen eben keine Überstundenvergütung, so die Erfurter Richter. Jedenfalls nicht mit einem Jahresgehalt von 80.000 Euro, enttäuschte Partnerschaftserwartung hin oder her. Hart aber fair, meint Christian Oberwetter.

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Es hätte eine Bilderbuchkarriere werden können: Ein Rechtsanwalt begann bei einer größeren Kanzlei mit der Aussicht, in wenigen Jahren als Partner aufgenommen zu werden. Da es auf der Welt und unter Anwälten nichts umsonst gibt, legte sich der junge Kollege ins Zeug und arbeitete viel, gegen ein Gehalt von zuletzt 80.000 Euro. Am Ende nützte es ihm nichts: Statt der erwarteten Partnerschaft erhielt er die unerwartete Kündigung. Nachdem eine Zukunft in der Kanzlei passé war, wollte sich der Advokat zumindest die Vergangenheit nachträglich versüßen. Er klagte auf eine Vergütung von 930 Überstunden. Nachdem die erwartete Aufnahme in die Partnerschaft nicht erfolgt sei, sei er berechtigt, eine nachträgliche Überstundenvergütung von ca. 40.000 Euro von der Kanzlei zu fordern, so sein Argument. Die Law Firm sah das naturgemäß anders. Sie berief sich auf eine Klausel im Arbeitsvertrag, nach der Über- und Mehrarbeit durch die Bruttovergütung des Beschäftigten abgegolten sei. Im Übrigen sei der Anwalt nicht berechtigt, der Kanzlei die Kosten seiner zusätzlichen Tätigkeit in Rechnung zu stellen, nur weil er eine andere Erwartung an die Zukunft hatte.

Der feine Unterschied zwischen Überstunden und Mehrarbeit

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) wies die Klage des Anwalts mit Urteil vom 17.  August 2011 ab (Az. 5 AZR 406/10) ab. Der Associate scheiterte allerdings nicht an der Abgeltungsklausel, mit der sich die Kanzlei wehrte. Diesen Passus erachteten die Erfurter Richter für unwirksam, da er nicht klar und verständlich sei.  Der Arbeitnehmer könne nicht erkennen, wie viel zusätzliche Arbeit er leisten müsse und die Verwendung des Begriffs "Mehrarbeit" deute darauf hin, dass sogar die gesetzlich zulässige Arbeitszeit überschritten werden könne. Dem Arbeitgeber war offensichtlich im Laufe des Verfahrens die Erkenntnis gekommen, dass Mehrarbeit und Überstunden nicht das Gleiche sind. Mehrarbeit bedeutet die Überschreitung der gesetzlichen Höchstarbeitszeit von 48 Stunden. Überstunden leisten Arbeitnehmer bereits dann, wenn sie mehr arbeiten, als es der Vertrag vorsieht.

Keine Überstundenvergütung für Anwälte in Großkanzleien

Die höchsten Arbeitsrichter stellten dann fest, dass ein allgemeiner Rechtsgrundsatz, dass jede Mehrarbeitszeit über die vereinbarte Arbeitszeit hinaus zu vergüten ist, bei Diensten höherer Art nicht existiere. Vielmehr sei anhand eines objektiven Maßstabs darüber zu entscheiden, ob ein solcher Anspruch berechtigt sei und dabei die Verkehrssitte zu berücksichtigen. Der klagende Associate habe aber nicht dargelegt, dass Anwälten in vergleichbarer Stellung Überstunden vergütet würden. Auch eine entsprechende Verkehrssitte sei dem Senat nicht bekannt. Auch auf die Rechtsfigur der fehlgeschlagenen  Vergütungserwartung kann der Anwalt sich nach Ansicht des 5. Senats nicht berufen, da die Kanzlei ihm nur Gespräche darüber in Aussicht gestellt hatte, ob und wann gegebenenfalls eine Partnerschaft in Betracht käme. Die Überstunden, die er in der Hoffnung auf eine Partnerschaft geleistet habe, seien daher auf eigenes Risiko geschehen.

Pauschale Abgeltungsklauseln sind unwirksam

Das Urteil hat über die Branche der Rechtsanwälte hinaus Bedeutung. Einmal mehr macht das BAG deutlich, dass pauschal formulierte Klauseln zu Überstundenvergütungen unwirksam sind. Soweit mit der vereinbarten Vergütung auch Überstunden abgegolten werden sollen, muss klar und verständlich geregelt werden, mit welcher Zusatzarbeit der Arbeitnehmer zu rechnen hat. Die zu leistenden Überstunden haben zudem in einer Relation zu der vereinbarten Vergütung zu stehen. Zutreffend lehnten die Erfurter Richter den Anspruch des Rechtsanwalts dann aber ab. Weder existierten wirksame vertragliche Regelungen, noch ergab sich das aus branchenspezifischen Gründen.

Keine fehlgeschlagene Vergütungserwartung bei 80.000 Euro Gehalt

Die Richter werden auch das Gehalt des Anwalts in ihren Überlegungen berücksichtigt haben. Eine nachträgliche Zahlung wegen einer fehlgeschlagenen Vergütungserwartung ist nur dann anerkannt, wenn der Betroffene für seine Dienste keine oder nur eine deutlich unterwertige Bezahlung erhalten hat. Eine solche Mindervergütung liegt bei einem akzeptablem Gehalt von 80.000 Euro nicht vor. Die Enttäuschung des Anwalts über die unterbliebene Partnerschaft ist verständlich. Allerdings hat er in seine Überstundenaufstellungen auch Posten wie die Lektüre von Fachzeitschriften aufgenommen. So manche zusätzliche Stunde hat er damit auch für sich selbst geleistet – ein Umstand, der selbständigen Rechtsanwälten gut bekannt ist. Der Autor Christian Oberwetter, Rechtsanwalt und Maître en droit, ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und IT-Recht in Hamburg und Verfasser zahlreicher Publikationen auf diesen Gebieten. Mehr auf LTO.de: Nettoverdienst jüngerer Anwälte: Leistung ist Arbeit durch Zeit BVerwG: Voller Freizeitausgleich für Feuerwehr bei Überstunden LAG Rheinland-Pfalz: Bezahlung für Überstunden nur bei deren Nachweis

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