Anwaltsehepaar in der Großkanzlei

"Para­de­bei­spiel, dass Teil­zeit kein Frau­en­thema sein sollte"

Interview von Dr. Franziska KringLesedauer: 7 Minuten

Luise und Christopher Lautenbach arbeiten beide als Anwälte in Teilzeit – in der gleichen Großkanzlei. Sie erzählen, wie sie Familie und Job unter einen Hut bringen und wieso man durch die Teilzeit keine beruflichen Nachteile habe.

LTO: Herr und Frau Lautenbach, Sie sind Senior Associate und Associate bei Noerr – und arbeiten beide in Teilzeit. Wie kam es dazu?

Christopher Lautenbach: Meine Frau und ich haben uns gemeinsam dafür entschieden. Wir sind vor zwei Jahren Eltern geworden und wollen beide unseren Sohn beim Aufwachsen begleiten, haben aber auch Lust auf den Job. Am Anfang meiner Anwaltskarriere habe ich noch parallel an meiner Doktorarbeit geschrieben und deshalb auch damals in Teilzeit gearbeitet. Danach bin ich auf Vollzeit umgestiegen. Jetzt arbeite ich nach sechs Monaten Elternzeit seit einem Jahr in Teilzeit. 

Luise Lautenbach: Für mich stand der Berufseinstieg vor einem halben Jahr an, nachdem ich meine Doktorarbeit abgegeben hatte. Für mich war klar, dass ich gerne in einer Großkanzlei arbeiten möchte, weil ich die Mandate – gerade in meinem Themengebiet Data Tech – sehr spannend finde. Gleichzeitig war es mir wichtig, beim Aufwachsen meines Sohnes präsent zu sein. Deshalb stand früh fest, dass ich erstmal in Teilzeit anfange, um zu schauen, wie das funktioniert. Ich habe mich bei verschiedenen Kanzleien beworben, mich dann aber für Noerr entschieden.

Wie haben die Kanzleien reagiert, als Sie Ihren Wunsch geäußert haben, in Teilzeit zu arbeiten?

Luise Lautenbach: Dass ich in Teilzeit arbeiten möchte, habe ich schon in meine Bewerbung geschrieben. Ich war überrascht, dass mich tatsächlich alle rund zehn Kanzleien, bei denen ich mich beworben habe, zum Bewerbungsgespräch eingeladen haben. Die Teilzeit war grundsätzlich kein Problem, das haben mehrere Kanzleien im Gespräch von sich aus nochmal ausdrücklich betont. Natürlich haben auch einige wenige Kanzleien Bedenken geäußert, etwa wie gut eine Einarbeitung so funktioniert. Am Ende wären aber alle mit dem von mir vorgeschlagenen Modell einverstanden gewesen.

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"Wieso sollte nur meine Frau in Teilzeit arbeiten?"

Herr Lautenbach, häufig hört man ja, dass Teilzeit ein Frauenthema sei. Wie waren die Reaktionen in der Kanzlei? 

Christopher Lautenbach: Durchweg positiv. Es war einfach kein Thema – weder, dass ich sechs Monate Elternzeit genommen habe, noch dass ich in Teilzeit arbeite. Wir sind ja das Paradebeispiel dafür, dass Teilzeit kein Frauenthema sein sollte. Meine Frau ist mindestens so gut qualifiziert wie ich und arbeitet im gleichen Beruf, wieso sollte dann nur sie in Teilzeit arbeiten?

Was bedeutet "Teilzeit" in Ihrem Fall?

Luise Lautenbach: Wir arbeiten beide 60 Prozent. Das heißt, wir sind beide an drei Tagen jeweils den ganzen Tag in der Kanzlei. An einem Tag überschneidet sich das, da hilft die Oma aus. Natürlich haben Großkanzleianwälte keinen Nine-to-Five-Job. Es kommt auch immer darauf an, wie viel Arbeit anfällt. Es ist ein "solider Großkanzleitag". Ich versuche zum Beispiel, abends mein Kind ins Bett zu bringen – und meistens gelingt mir das auch. Natürlich kommt es vor, dass ich dann abends nochmal kurz an den Schreibtisch muss. Dennoch schätze ich diese Flexibilität, die ich habe, sehr.

Sie arbeiten an drei Tagen, das heißt an den anderen beiden Tagen gar nicht?

Luise Lautenbach: Im Regelfall nicht. Natürlich kann es sein, dass Mandanten dringende Fragen haben. Wenn die nicht warten können, fragt die Kanzlei erst nach, ob es in Ordnung ist, dass ich mir das kurz anschaue, wenn ich es nicht selbst schon angeboten habe. So oft kam das aber auch noch nicht vor. Wenn ich dann an meinem eigentlich freien Tag arbeite, kann ich einen Ausgleichstag nehmen. Es wird aber nicht erwartet, dass ich einspringe und es hat mich auch noch nie jemand angerufen und verlangt, dass ich sofort ins Büro komme. 

Christopher Lautenbach: Bei mir im Bereich Dispute Resolution ist das etwas anders, weil wir ja Verfahren führen und meistens vom Gericht bzw. Schiedsgericht gesetzte Fristen haben. Dann arbeiten wir an den Schriftsätzen und können uns die Zeit im Team gut einteilen. Natürlich kommt es auch mal vor, dass ich an einem meiner freien Tage kurzfristig arbeiten muss, aber die Regel ist das nicht.

"Wir nehmen in Kauf, dass es anstrengend ist"

Welche Erfahrungen haben Sie beide mit Ihrem Teilzeitmodell gemacht?

Christopher Lautenbach: Sehr gute. Natürlich ist es aber eine Herausforderung. Wir haben uns bewusst gemacht, was wir haben wollen – Zeit mit unserem Sohn, aber auch einen erfüllenden Job – und deshalb nehmen wir in Kauf, dass es manchmal anstrengend ist und man flexibel sein muss. Natürlich hängt das auch viel von individuellen Faktoren ab, aber für uns funktioniert das Modell gut. Wir kommen beide aus Berlin, unsere Familien leben hier, also haben wir auch das soziale Umfeld für unseren Sohn und die Unterstützung durch die Familie.

Luise Lautenbach: Und dadurch, dass mein Mann sechs Monate Elternzeit genommen hat, weiß er auch sehr gut, was es bedeutet, den Alltag mit Kind allein zu managen und die Care-Arbeit zu übernehmen. In dem halben Jahr habe ich dann noch meine Doktorarbeit fertiggeschrieben. Deshalb hatten wir eine gute Ausgangsposition und haben uns darauf geeinigt, dass wir beide in Teilzeit, also jeweils 60 Prozent, arbeiten wollen. Im Frühjahr werden wir aber beide die Arbeitszeit auf 70 bzw. 80 Prozent aufstocken, weil wir uns mittlerweile sicher sind, dass unser Modell für uns funktioniert.

Welche Reaktionen erhalten Sie aus Ihrem Umfeld?

Luise Lautenbach: Durchweg positive. Viele Freunde, die auch in Großkanzleien arbeiten, fragen uns nach unseren Erfahrungen. Und innerhalb der Kanzlei haben wir uns etabliert und merken auch, dass wir ein Vorbild für Kolleginnen und Kollegen geworden sind – auch bei Männern. Viele Anwälte, die jetzt Vater geworden sind, nehmen auch Elternzeit. Dass wir das so aktiv leben, ist für uns persönlich gut. 

Christopher Lautenbach: Und es gibt ja auch nicht "das" beste Modell. Es ist einfach eine persönliche Entscheidung für jede Familie, wie sie den Alltag aufteilen. Nicht wenige in der Branche denken aber noch, es sei nicht möglich, dass beide Elternteile in der Großkanzlei arbeiten. Deswegen sprechen wir gerne darüber, dass das so – zumindest in unserem Fall – nicht stimmt. 

"Von Kanzleiseite findet ein Umdenken statt"

In vielen Köpfen hält sich trotzdem noch der Eindruck, dass man sich über kurz oder lang sehr wohl zwischen Karriere und Familie entscheiden muss. Haben Sie vor, Partnerin bzw. Partner zu werden – und geht das in Teilzeit?

Luise Lautenbach: Ich bin ja noch ganz am Anfang meiner beruflichen Laufbahn, aber ich finde den Partnertrack auf jeden Fall spannend. Ich arbeite mich jetzt erst einmal ein und schaue, wohin es dann geht. Für die nächste Karrierestufe zur Senior Associate nach zwei Jahren macht es aber keinen Unterschied, ob man in Teilzeit oder in Vollzeit arbeitet. Insgesamt habe ich das Gefühl – und das gilt nicht nur für Noerr – dass von Kanzleiseite gerade ein Umdenken stattfindet. Die Partnerinnen und Partner werden jünger und machen auch mal Sabbaticals. Natürlich gibt es auch noch Kanzleien mit veralteten Strukturen, aber eben auch schon die moderneren. 

Christopher Lautenbach: Bei Noerr sind einige Anwältinnen und Anwälte auch in Teilzeit Partner geworden, zum Beispiel Meike von Levetzow, die Partnerin, mit der ich in meinem Bereich zusammenarbeite. Inwieweit sich die Teilzeit auf meine künftige Karriere auswirken wird, kann ich natürlich noch nicht sagen. Ich habe aber den Eindruck, dass es kein Nachteil sein wird. 

Wie gut sind Kanzleikarriere und Familie aus Ihrer Sicht insgesamt vereinbar? 

Christopher Lautenbach: Besser als man allgemein denkt. In erster Linie müssen solche Teilzeitmodelle einfach gelebt werden, damit sie sich etablieren und allgemein akzeptiert werden. Davon profitieren auch die Kanzleien, denn eine funktionierende Familie ist die beste Voraussetzung dafür, dass man seinen Job gut macht.  

Luise Lautenbach: Das sehe ich auch so. Man muss sagen, dass unser Beruf ja trotzdem – was man vielleicht nicht auf Anhieb denkt – mehr Flexibilität als manche anderen Berufe mit sich bringt. Man kann vieles gut planen und ggf. auch umplanen. Natürlich kommt es da aber auch auf die jeweilige Kanzlei an. 

"Gerade Frauen sollten sich trauen"

Was könnten die Kanzleien denn noch besser machen?

Luise Lautenbach: Viele Kanzleien könnten noch flexibler werden und ihre Strukturen anpassen. Sie müssen sich schließlich auch bewusst machen, dass sie anderenfalls qualifizierte Nachwuchskräfte verlieren und auch Mandanten zunehmend Wert auf gemischte Teams legen. Konkret könnte ich mir teilweise noch mehr Unterstützungsangebote vorstellen, etwa Kooperationen mit Kitas. Und einige Kanzleien haben jetzt schon ein "Familienbüro". Es gibt immer wieder die Momente, in denen man, wenn man das Kind aus der Kita abgeholt hat, noch Arbeit erledigen möchte – und da ist es gut, wenn es im Büro einen Raum gibt, in dem das Kind spielen und man selbst arbeiten kann. Auch Noerr führt das bald im Rahmen seines neuen "Family Tracks" ein. Dann gibt es zum Beispiel auch Elterngeldausgleich und bezahlten Sonderurlaub für die Kitaeingewöhnung. Viele Faktoren liegen aber auch außerhalb der Kanzlei, zum Beispiel die Kita oder das private Umfeld.

Welche Tipps haben Sie für Anwältinnen und Anwälte, die Karriere machen und eine Familie haben möchten?

Luise Lautenbach: Einfach machen. Ich möchte gerade Frauen ermutigen, sich zu trauen, wenn sie Lust haben, "trotz" Familie in der Großkanzlei zu arbeiten. Ich kenne viele, die den Job eigentlich machen wollen, aber sich dann sagen, dass sie dem Druck nicht standhalten oder dass Teilzeit ohnehin nicht funktioniert. Man kann es einfach ausprobieren – und wenn es wirklich Probleme gibt, kann man sich immer noch umentscheiden.

Vielen Dank für das Gespräch!

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