Elterngeldreform 2021

Wer viel hat, bekommt nichts mehr

Gastbeitrag von Dr. Olga Morasch und Jonathan OtengLesedauer: 7 Minuten

Neuregelungen zum Elterngeld sollten mehr Flexibilität, Partnerschaftlichkeit und weniger Bürokratie bringen. So hat es das Familienministerium versprochen. Was von diesen Zusagen bleibt, erklären Olga Morasch und Jonathan Oteng.

Das Familienministerium versprach eine Reform des Elterngeldes, um so für mehr Freiräume bei der Kombination von Teilzeit und Elternzeit und weniger Bürokratie zu sorgen. Herausgekommen ist bei den Neuregelungen, die seit dem 1. September gelten, leider nicht viel. So liefert die Reform keine Antworten auf die Fragen, bei denen der Ruf nach einer Klärung durch den Gesetzgeber schon immer laut war. Das betrifft vor allem Streitigkeiten um die Berechnungsgrundlage des Elterngelds, die immer wieder Gegenstand sozialgerichtlicher Verfahren sind.

Gleichgeblieben sind die Grundlagen: Elterngeld gibt es in den Varianten Basiselterngeld, ElterngeldPlus und Partnerschaftsbonus. Anspruch auf diese staatliche Leistung hat grundsätzlich nach wie vor, wer seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat, mit seinem Kind, welches er selbst betreut oder erzieht, in einem Haushalt lebt und keine (volle) Erwerbstätigkeit ausübt. Anspruch auf Elterngeld haben also Arbeitnehmer:innen, aber auch Selbständige, Studierende, Beamt:innen, Hausfrauen und -männer, Soldat:innen, Arbeitslose, etc.

Geändert wurde aber die Einkommensgrenze, bei deren Erreichen die Eltern kein Elterngeld beanspruchen können: Eltern, die gemeinsam 300.000 Euro oder mehr im Jahr verdienen, bekommen für die ab dem 1. September 2021 geborenen Kinder kein Elterngeld mehr. Bislang lag die Jahresgrenze bei 500.000 Euro.

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Basiselterngeld: Änderungen nur bei Frühchen

Beim so genannten Basiselterngeld hat sich nicht viel geändert: Es wird für bis zu 14 Lebensmonate des Kindes bezahlt, wenn Eltern ihre Arbeitszeit wegen der Geburt aussetzen oder reduzieren. Alleinerziehenden steht der Bezugszeitraum allein zu, bei zwei Elternteilen können sich diese den Bezugszeitraum aufteilen. Setzt nur eines der Elternteile aus, gibt es das Geld für maximal zwölf Monate.

Diese zeitlichen Grenzen galten auch bei Frühchen. Seit dem 1. September dieses Jahres gibt es insofern eine Neuerung: Eltern, deren Kinder mindestens 6 Wochen vor dem errechneten Geburtstermin zur Welt kommen, bekommen jetzt zusätzliche Elterngeldmonate (Frühchen-Monate). Abhängig vom tatsächlichen und errechneten Geburtstermin sind nun bis zu vier zusätzliche Monate Basiselterngeld möglich.

Wie viel Geld gibt es?

Basiselterngeld wird auch weiterhin grundsätzlich in Höhe von 67 % des Einkommens aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt des Kindes gewährt. Eltern mit höheren Einkommen erhalten 65 %, Eltern mit niedrigeren Einkommen bis zu 100 % des Voreinkommens. Je niedriger das Einkommen vor der Geburt war, desto höher ist das Elterngeld. Der monatliche Mindestbetrag beträgt unverändert 300 Euro und der Höchstbetrag 1.800 Euro.

Das Basiselterngeld verringert sich, wenn der anspruchsberechtigte Elternteil während des Bezugszeitraums arbeitet. Grundsätzlich ist es erlaubt, Elterngeld und Teilzeitarbeit zu kombinieren. Früher durften Eltern, die Elterngeld beanspruchten, bis zu 30 Wochenstunden (maßgeblich ist der monatliche Durchschnitt) arbeiten. Diese Grenze hat sich ab dem 1. September 2021 um zwei Wochenstunden auf insgesamt 32 Wochenstunden erhöht.

Mehr Zeit mit dem ElterngeldPlus

Anstelle des Basiselterngelds kann man ElterngeldPlus beantragen. Bei dieser Elterngeldvariante hat sich mit der Reform nichts verändert.

Beim ElterngeldPlus verdoppelt sich der Bezugszeitraum auf insgesamt maximal 28 Monate, während sich die monatliche Höhe des Elterngelds reduziert: In der Regel ist das ElterngeldPlus nur halb so hoch wie das Basiselterngeld, wenn der betroffene Elternteil während des Bezugszeitraums nicht arbeitet.

Das ElterngeldPlus kann man maximal bis zum 32. Lebensmonat bekommen, also längstens, bis das Kind 2 Jahre und 8 Monate alt ist. Eltern können Basiselterngeld und ElterngeldPlus auch kombinieren, z. B. in den ersten vier Lebensmonaten das Basiselterngeld und in den weiteren Lebensmonaten das ElterngeldPlus beantragen.

Das ElterngeldPlus beträgt mindestens 150 Euro und maximal 900 Euro im Monat, wenn der anspruchsberechtigte Elternteil im Bezugszeitraum kein Einkommen hat. Ein Teilzeiteinkommen wirkt sich ebenfalls vermindernd auf die Höhe des ElterngeldPlus aus.

Noch ein paar Monate mehr: der Partnerschaftsbonus

Für berufstätige Eltern, die ihre familiären und beruflichen Aufgaben untereinander aufteilen, gibt es darüber hinaus noch die Möglichkeit, weitere bis zu vier zusätzliche ElterngeldPlus-Monate, den sog. Partnerschaftsbonus, zu bekommen. Hierzu müssen beide Elternteile ihre Arbeitszeit für vier aufeinanderfolgende Monate gleichzeitig verringern. Dabei musste die Arbeitszeit jedes Elternteils früher im Korridor von 25 bis zu 30 Wochenstunden liegen. Waren diese Voraussetzungen auch für einen Monat von einem Elternteil nicht erfüllt, mussten beide Elternteile den Bonus für alle Monate zurückzahlen (insofern gelten einige Besonderheiten aufgrund der COVID-19-Pandemie).

Ab dem 1. September 2021 dürfen beide Elternteile den Partnerschaftsbonus für mindestens zwei und höchstens vier Monate in Anspruch nehmen, wenn sie in vier aufeinander folgenden Lebensmonaten 24 bis 32 Stunden pro Woche arbeiten. Es kommt dabei auf den Durchschnitt im jeweiligen Lebensmonat, nicht im Kalendermonat oder in der jeweiligen Woche an. Liegen diese Voraussetzungen in allen beantragten Partnerschaftsmonaten vor, gibt es den Partnerschaftsbonus für alle Partnerschaftsmonate. Erfüllt aber nur ein Elternteil diese Voraussetzungen im jeweiligen Lebensmonat nicht (weil er z.B. mehr als 32 Wochenstunden durchschnittlich arbeitet), verlieren beide Eltern den Partnerschaftsbonus, aber nur für diesen Lebensmonat und nicht wie früher für den gesamten Bezugszeitraum. Allerdings müssen die Voraussetzungen für den Partnerschaftsbonus in mindestens zwei Partnerschaftsmonaten erfüllt werden, damit der Bonus nicht zurückgefordert wird. Zusammengefasst heißt das: Die vorgenannten Voraussetzungen müssen in mindestens zwei der vier aufeinanderfolgenden Monate erfüllt sein, um für zwei Monate den Bonus zu erhalten– es gelten dabei allerdings aktuell einige Besonderheiten aufgrund der COVID-19-Pandemie.

Streit um Berechnungsgrundlage des Elterngeldes bleibt

Keine rechtssichere Antwort und damit Rechtsfrieden liefert die Reform im ewigen Streit um die Frage, welche Vergütungsbestandteile bei der Berechnung des Elterngelds berücksichtigt werden können - und welche nicht: Bereits bisher war zwar gesetzlich geregelt, dass bei abhängiger Beschäftigung das monatliche Durchschnittsnettoeinkommen des vergangenen Kalenderjahrs maßgeblich ist und "sonstige Bezüge" bei der Ermittlung nicht zu berücksichtigen seien (§ 2c Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz, BEEG).

Die Frage, wann aber ein Vergütungsbestandteil als "sonstiger Bezug" im Sinne der Vorschrift gilt, ist immer wieder Gegenstand verschiedener sozialgerichtlicher Entscheidungen. Der Gesetzgeber hat es versäumt, mit der Reform für eine klare Rechtslage hinsichtlich der Berechnungsgrundlage für das Elterngeld zu sorgen und so Rechtsklarheit zu schaffen.

Für die Höhe des Elterngeldanspruchs bleibt es dabei, dass das durchschnittliche monatliche Grundeinkommen beider Elternteile im vergangenen Kalenderjahr maßgeblich ist.

Weihnachtsgeld zählt nicht für das Einkommen

Insbesondere folgende Leistungen werden bei der Ermittlung des durchschnittlichen Netto-Einkommens auch in Zukunft keine Berücksichtigung finden:

  • einmalige Sonderzahlungen, also Jubiläumszuwendungen, Weihnachts- und Urlaubsgeld (wird aber das Urlaubsgeld nicht einmalig, sondern für jeden Urlaubtag, also wiederholt innerhalb eines Jahres gewährt, dann zählt es mit, so das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen, Urt. v. 15.5.2019, Az.: L 2 EG 3/18);
  • einmalige Abfindungen;
  • steuerfreie Leistungen (Übungsleiterpauschale, steuerfreie Nacht-, Sonntags- oder Feiertagszuschläge, Corona-Bonus, etc.).

Oftmals schwierig zu beurteilen ist die Frage, ob leistungsabhängige variable Lohnbestandteile wie etwa Boni und Provisionen, die neben dem Grundgehalt gezahlt werden, "sonstige Bezüge" sind oder zum laufenden Monatseinkommen gehören.

Insofern stellt das Bundessozialgericht (BSG) auf den maßgeblichen Bemessungszeitraum ab: Variable Vergütungen sind nur dann dem laufenden Monatseinkommen zuzuordnen und daher bei der Ermittlung des Netto-Einkommens zu berücksichtigen, wenn deren Bemessungszeitraum und der Lohnzahlungszeitraum übereinstimmen (vgl. BSG, Urt. v. 3.12.2009, Az. B 10 EG 3/09 R). So bleibt ein Jahresbonus bei monatlich gezahltem Lohn unberücksichtigt (vgl. LSG Hessen, Urt. v. 29.05.2013, Az. L 6 EG 22/10).

Höheres Elterngeld bei monatlich bezahlter Umsatzbeteiligung?

Bei Provisionen kommt es i. d. R. darauf an, ob diese regelmäßig und lückenlos gezahlt werden sowie darauf, wie Arbeitgebende die gezahlten Provisionen im Lohnsteuerabzugsverfahren anmelden (vgl. BSG, Urt. v. 25.6.2020, Az. B 10 EG 3/19 R).

Das LSG Niedersachsen-Bremen hat eine monatliche Umsatzbeteiligung dem laufenden Arbeitslohn und nicht dem sonstigen Bezug zugeordnet (LSG Niedersachsen-Bremen, Urt. v. 06.11.2019, Az. L 2 EG 7/19). Entscheidend sei, dass die monatliche Beteiligung fortlaufend ermittelt und gewährt werde. Ferner müsse der Zeitraum für die Ermittlung des maßgeblichen Umsatzes mit dem vertraglich vereinbarten Lohnzahlungszeitraum ("monatlich") übereinstimmen.

Unerheblich sei, dass die Höhe der monatlichen Umsatzbeteiligung schwankte und dass die Umsatzbeteiligung auf den Gehaltsabrechnungen – im Ergebnis rechtlich unzutreffend – als sonstige Bezüge ausgewiesen wurden.

Haftung für entgangenes Elterngeld

Ob Arbeitgebende für entgangenes Elterngeld haften, musste das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf klären. Im Streitfall hat der Arbeitgebende das Mutterschaftsgeld verspätet gezahlt, sodass dieses als ein sonstiger Bezug eingestuft wurde und bei Ermittlung des Netto-Einkommens deshalb unberücksichtigt geblieben ist.

Die Klägerin nahm ihren Arbeitgeber insofern in Haftung. Mit Erfolg: Das LAG Düsseldorf hat den Anspruch der Arbeitnehmerin auf Schadensersatz wegen des entgangenen Elterngeldes bejaht (LAG Düsseldorf, Urt. v. 27.05.2020, Az. 12 Sa 716/19). Der beklagte Arbeitgeber habe schuldhaft den Lohn nicht fristgerecht gezahlt und hafte deshalb unter dem Gesichtspunkt des Verzugs.

Auch das LAG Nürnberg (Urt. v. 20.1.2021, Az.2 Sa 253/20) hat einer Arbeitnehmerin Schadenersatzansprüche gegen ihren Arbeitgeber wegen verspäteter Lohnzahlung zugebilligt. Da die Arbeitnehmerin allerdings keine Lohnsteuer für die Lohnnachzahlungen entrichten musste, weil die Nachzahlung im Bezugszeitraum stattfand, hatte sie keinen Schaden. Ihre steuerrechtlichen Vorteile ("ersparte" Lohnsteuer) seien deshalb auf die Nachteile wegen des zu gering ausgefallenen Elterngelds anzurechnen, so das Gericht.

Ein Reförmchen – aber nicht genug

Grundsätzlich sind die Änderungen des Familienministeriums, insbesondere im Hinblick auf den Partnerschaftsbonus, zu begrüßen. Wünschenswert wären aber klare Antworten des Gesetzgebers auf die konfliktträchtigen und praktischen Fragen nach der Berechnung des Elterngeldanspruchs insbesondere bei variablen Vergütungsbestandteilen (Provisionen, Umsatzbeteiligungen, Boni, etc.).

Auch bleibt abzuwarten, ob die Reform angesichts der nach wie vor bestehenden Unklarheiten hinsichtlich der Berechnungsgrundlage, tatsächlich einen Bürokratieabbau zur Folge hat.

Die Autoren Dr. Olga Morasch und Jonathan Oteng sind Associates bei Advant Beiten in München. Beide sind Mitglieder der Praxisgruppe Arbeitsrecht der Kanzlei.

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