"Nur durch Scheitern wird man besser"
LTO: Herr Gordzielik, Sie sind seit 2018 Rechtsanwalt – und halten den deutschen Rekord im Kreuzheben mit 400 Kilogramm. Außerdem haben Sie dreimal hintereinander die deutsche Strongman-Meisterschaft gewonnen. Sind Sie der stärkste Jurist Deutschlands?
Raffael Gordzielik: Ich lehne mich sogar noch weiter aus dem Fenster und sage: Ich bin der stärkste Jurist der Welt.
Warum haben Sie mit dem Kraftsport angefangen?
Wegen Arnold Schwarzenegger, dem Vorreiter der Fitnessbranche. Ich war als Kind, wie so viele in meinem Alter, sehr fasziniert von seinen Filmen und eben auch von seiner Stärke, seiner Muskulatur. Tatsächlich angefangen habe ich mit dem Kraftsport dann mit 16 oder 17 Jahren – und da war natürlich der primäre Grund, den Mädels zu gefallen.
Und warum haben Sie sich für ein Jurastudium entschieden?
Ein Interesse an den juristischen Fragestellungen im Alltag hatte ich schon immer. Erst wusste ich aber gar nicht genau, was ich eigentlich will. Zunächst kam mir in den Sinn, Sport zu studieren. Davon wurde mir wegen eher schlechter Zukunftsperspektiven aber abgeraten und ich habe mich entschieden, das "nur" als Hobby fortzuführen. Ich bin dann in ein BWL-Studium gerutscht und habe es auch beendet.
Aber irgendwie hat mir das nicht gereicht – und viele meiner Freundinnen und Freunde waren Studierende der Rechtswissenschaften. Sie meinten zu mir "Jura ist einfach, wenn man es richtig macht" – und dann habe ich eben damit angefangen.
Mit der Zeit verfestigte sich immer mehr das Bild in mir, dass ich Rechtsanwalt werden möchte. Das Erste Staatsexamen hatte ich dann im Jahr 2015 in der Tasche.
"Alles eine Sache des Fokus"
Sie sind nicht nur mehrmals der "stärkste Mann Deutschlands" geworden – Sie sehen auch so aus. Kam es da nicht zu komischen Situationen in Studium und Beruf?
Absolut! Die prägnanteste war im Referendariat, als ich Sitzungsvertretung bei der Staatsanwaltschaft hatte. Ich habe den Gerichtssaal betreten und mich hingesetzt – natürlich auf die Seite der Staatsanwaltschaft. Die Richterin hat mich nur ganz grimmig angeguckt und meinte: "Die Angeklagten sitzen dort drüben". Ich habe dann erstmal gar nichts gesagt und nur ganz langsam meine Tasche abgestellt, die Robe ausgepackt und übergezogen. Dann habe ich gesagt, dass ich hier bin für die Staatsanwaltschaft – da ist der Richterin erst einmal die Kinnlade heruntergefallen.
Ein weiteres Erlebnis steht im Zusammenhang mit meinem Nebenjob im Studium als Türsteher – das hat sich nun einmal angeboten bei meiner Statur. Einmal gab es Ärger, da wurde ein angetrunkener Mann aggressiv, ich habe ihn rausgeschmissen und er ging auf mich los. Weil ich ihn von mir gestoßen habe und er hinfiel, wurde ich wegen Körperverletzung angeklagt. Als es dann zur Verhandlung kam, habe ich erlebt, dass es sie wirklich gibt – die Vorverurteilung.
Die Richterin hat mich gesehen und für sie stand einfach fest, dass ich ein großer, böser Türsteher bin. Dass auch Jurastudierende als Türsteherinnen oder Türsteher arbeiten, hat sie komplett fassungslos gemacht. Die Wendung kam in der Berufungsverhandlung und der Richter dort hat sofort erkannt, dass der Fall rechtlich komplett falsch gewürdigt wurde in der ersten Instanz – und hat mir sogar angeboten, dass ich die Strafstation im Ref bei ihm machen könne. Dieses Erlebnis vor Gericht war ein Paradebeispiel für die Vorverurteilung, die ich tagtäglich wegen meines Aussehens erlebe.
Wie haben Sie Ihren Kraftsport, das Studium und das Referendariat unter einen Hut bekommen?
Zum einen fallen mir Dinge einfach leicht zu. Ich musste nie auswendig lernen. Zum zweiten ist alles eine Sache des Fokus. In den zwei, drei Monaten vor den beiden Examen war der Sport erst einmal abgeschrieben, ich habe ihn nur zur Entspannung getrieben und nicht mit dem Fokus auf den Wettkampf. Meine großen Erfolge hatte ich in den Jahren 2016 bis 2019. Zunächst war ich zweimal der Deutsche Vize bei den Strongman-Meisterschaften, dann drei Mal der Sieger.
"Man braucht klare und kleinschrittige Ziele – und Geduld"
Für solche außergewöhnlichen sportlichen Erfolge braucht man viel Ehrgeiz – genauso wie für eine Jura-Karriere. Wie schafft man es, durchzuhalten?
Man braucht klare und kleinschrittige Ziele – und Geduld, das hat mich der Kraftsport gelehrt. Man schafft es nicht von heute auf morgen einen derartigen Körper aufzubauen. Das größte Problem ist meistens, dass sich Menschen unrealistische Ziele setzen – daran scheitert dann das große Ganze.
Aber wie erkenne ich, ob ich mir ein realistisches oder ein unrealistisches Ziel gesetzt habe?
Ich empfehle immer, in einen guten Coach zu investieren. Man muss sich jemanden suchen, der Ahnung hat und einen begleitet – im Sport, aber auch in der juristischen Ausbildung. So ist es meiner Meinung nach sinnvoll, sich ein gutes Repetitorium zu suchen, welches einen anleitet und Schritt für Schritt auf das Examen vorbereitet – und dann heißt es: Disziplin haben und den Plan durchziehen. Die Erfolge kommen dann von ganz alleine.
Wenn dem Plan etwas in die Quere kommt, sei es eine Krankheit oder Liebeskummer – wie schafft man es dann, das Ziel weiterzuverfolgen?
Erfolgreiche Menschen haben die Eigenschaft, Sachen auszublenden, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren und sich nicht ablenken zu lassen. Der Kraftsport war schon immer eine große mentale Stütze für mich. Wenn ich dort einmal zum Beispiel wegen einer Krankheit ein paar Wochen nicht trainieren konnte – dann war das eben so. So etwas kann man nicht ändern. Man sollte sich in der Zeit andere Ziele setzen, zum Beispiel ein Buch zu beenden oder eine neue Sprache zu lernen. Man muss sich selbst ein bisschen austricksen – und etwas Neues zu lernen hilft mir dabei enorm.
"Negative Erlebnisse sind letztendlich auch nur positiv"
Woher kommt Ihre Affinität zum Medizinrecht?
Ich habe mich schon immer für den menschlichen Körper und die Gesundheit interessiert – in das Medizinrecht und besonders in das Arzthaftungsrecht bin ich jedoch eher reingerutscht. Ich habe mich erfolgreich auf eine ausgeschriebene Stelle beworben – und dann habe ich gemerkt, dass es mir sehr großen Spaß macht. Ich kann den Patientinnen und Patienten helfen, ihre Ansprüche durchzusetzen. Das ist gar nicht so einfach, sondern meistens ein Kampf – aber genau das passt zu meiner Kämpfernatur.
Wenn man kämpft, ist häufig Scheitern die Folge. Wie gehen Sie damit um?
Man kann nicht immer obsiegen – weder vor Gericht noch im Sport. Ich versuche immer alles Negative in etwas Positives umzukehren. Nur durch Scheitern wird man besser. Positive Erlebnisse liefern selten Anlass zum Nachdenken, nur über Negatives reflektiert man. Woran bin ich gescheitert? Wie vermeide ich eine Wiederholung? Negative Erlebnisse sind also letztendlich auch nur positiv.
Wie sieht es denn zurzeit mit Ihrer Kraftsportkarriere aus?
Ich sage gerne, dass sie pausiert – aber realistischerweise ist sie wohl beendet. Man muss einfach wissen, wann Schluss ist. Meine sportliche Motivation und Leidenschaft möchte ich künftig lieber im Coaching ausüben. Aber nicht hauptberuflich – dafür liegt mir die Juristerei zu sehr am Herzen. Allerdings liebe ich die Vielfalt im Leben – mir macht es Spaß, auch anderen Projekten als meinem Job nachzugehen. Das macht mir die Tätigkeit als selbstständiger Rechtsanwalt auch möglich – genau, wie sie die Vereinbarkeit mit meiner Familie deutlich erleichtert. Ich möchte in meinem Leben nur Dinge machen, die mir Spaß machen.
Raffael Gordzielik ist Rechtsanwalt in Marburg und vor allem im Medizinrecht tätig, worin er derzeit auch einen Masterstudiengang an der Uni Münster absolviert. Außerdem macht er seinen Fachanwalt im Strafrecht. Herr Gordzielik ist zwei Meter groß und wiegt derzeit 160 kg. Er hat in den Jahren 2017, 2018 und 2019 die Deutschen Strongman-Meisterschaften gewonnen, die beiden Jahre zuvor holte er den zweiten Platz. Er hält den deutschen Rekord im Kreuzheben mit 400 kg.
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2022 M02 19
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