Nebenberuflich Jura studieren

Voll­zeit­stu­dium in Teil­zeit

von Sabine OlschnerLesedauer: 5 Minuten

Das Jurastudium ist ein Vollzeitjob. Daneben regulär arbeiten zu gehen, scheint vielen Studierenden unmöglich. Und doch nehmen manche die Mühen auf sich und studieren Jura neben ihrer eigentlichen Berufstätigkeit. Wie ist das zu schaffen?  

Polizistinnen, Finanzbeamte, Verwaltungsfachangestellte und andere Beschäftigte, die in ihrem Beruf mit juristischen Fragestellungen zu tun haben, verspüren mitunter den Wunsch, ihr juristisches Wissen zu vertiefen und ein rechtswissenschaftliches Studium aufzunehmen. Aber den Job zu kündigen, um an die Universität zu wechseln, kommt für die meisten nach mehreren Jahren bezahlter Arbeit nicht in Frage.  

Viele Bachelor- und Masterstudiengänge werden mittlerweile als Teilzeitstudium angeboten. Die Stundenpläne sind dann auf die Bedürfnisse von Arbeitnehmenden zugeschnitten. Nicht so bei den Studiengängen mit Abschluss Staatsexamen, wie dem Jurastudium. Nur an der Fernuniversität Hagen kann man Rechtswissenschaften in Teilzeit studieren. Wer sich an einer herkömmlichen Universität als Jurastudierender immatrikuliert, beginnt damit laut Hochschulgesetz ein Vollzeitstudium.  

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"Man muss nicht 100 Prozent seiner Zeit an der Universität verbringen"

„Das bedeutet allerdings nicht, dass man 100 Prozent seiner Zeit an der Universität verbringen muss“, betont Sebastian Lucius-Thomas, Studienfachberater und Leiter des Prüfungsamtes der Juristischen Fakultät an der Ruhr-Universität Bochum. „Grundsätzlich ist es möglich, nebenberuflich ein Jurastudium zu absolvieren.“ Er empfiehlt, im Beruf maximal eine halbe Stelle zu besetzen, damit noch genügend Zeit für das Studium bleibt. „Man schafft beruflich vielleicht auch mehr, aber das bedeutet dann schon eine sehr hohe Belastung.“  

Dass ein nebenberufliches Studium länger dauert als ein Studium, dem man sich zu 100 Prozent widmet, ist klar. Laut Richtergesetz beträgt die Regelstudienzeit zehn Semester. „Aber ob sie diese Zeitspanne einhalten, ist für nebenberuflich Studierende meist nebensächlich. Denn sie sind wegen ihres regelmäßigen Einkommens nicht auf Bafög oder Stipendien angewiesen, bei denen es auf die Einhaltung der Regelstudienzeit ankommt“, so Lucius-Thomas. Theoretisch können sich Jurastudierende also bis zur Prüfung so lange Zeit nehmen, wie sie wollen.  

Der Studienfachberater schätzt, dass ein Studium neben dem Beruf rund ein Drittel mehr Zeit braucht als ein herkömmlicher Studienverlauf, wenn man beständig dranbleibt. Die Studienfachberatung an der Bochumer Universität bietet ihren nebenberuflich Juratudierenden an, mit ihnen einen individuellen Studienverlaufsplan zu erstellen. „Wir überlegen gemeinsam, welche Veranstaltungen und Prüfungen abhängig von den Arbeitszeiten wann sinnvoll sind“, berichtet Lucius-Thomas. Auch ein Lehrplan wird erarbeitet, „damit der Arbeitsaufwand im Jurastudium für die Studierenden greifbarer wird“.  

Ohne den Arbeitgeber geht es selten

Darüber hinaus ist es wichtig, dass der Arbeitgeber mitspielt. Denn obwohl es bei den Vorlesungen im Jurastudium keine Anwesenheitspflicht mehr gibt, verlangen einige feste Termine von den Studierenden eine gewisse Flexibilität. Da sind zum einen die Fremdsprachenscheine: Die fachspezifischen Fremdsprachenkenntnisse können nur in Präsenzveranstaltungen erworben werden. Auch Tutorien und universitätseigene Repetitorien zur Examensvorbereitung finden oft an festen Terminen statt, die keine Rücksicht auf die Arbeitszeiten der nebenberuflich Studierenden nehmen.  

Lucius-Thomas’ Tipp: private Lerngruppen gründen, mit denen man die Zeiten selber abstimmen kann. Viele kommerzielle Repetitoren haben für ihre Teilnehmenden aufgrund von Corona übrigens Online-Angebote erarbeitet, die eine flexible Examensvorbereitung ermöglichen.  

Das Pflichtpraktikum kann ebenfalls nur in Anwesenheit erfolgen. Hier ist es laut Lucius-Thomas allerdings etwas einfacher geworden: „Bis vor Kurzem waren bis zur Anmeldung zum Staatsexamen zweimal sechs Wochen Praktikum vorgesehen. Dies wurde nun im Juristenausbildungsgesetz verändert zu dreimal vier Wochen Praktikum.“ Für die Praktikumsphasen kann man sich also zum Beispiel Urlaub vom regulären Job nehmen. Wer eine Ausbildung in einem rechtsnahen Beruf absolviert hat, kann sich diese Zeit als einen Praktikumsteil anrechnen lassen. „Details dazu sind mit den juristischen Prüfungsämtern zu klären“, so der Hinweis des Studienfachberaters.

Für die Aneignung der examensrelevanten Inhalte ist es hilfreich, wenn Dozentinnen und Dozenten ihre Vorlesungen gut aufbereiten und den Studierenden Begleitmaterial und Lesehinweise an die Hand geben. „Außerdem rate ich, sich mit anderen Kommilitonen zu vernetzen, die sich eventuell sogar in der gleichen Situation befinden“, sagt der Studienfachberater. „Dann kann man sich mit dem Besuch der Vorlesungen abwechseln und Notizen austauschen.“ Auch die Corona-Pandemie hat das orts- und zeitunabhängige Lernen einfacher gemacht: Viele Vorlesungen stehen heutzutage als Videos oder Podcasts online zur Verfügung. Geht es in Richtung Examensvorbereitung, sind nebenberuflich Studierende wiederum auf das Entgegenkommen ihrer Arbeitgeber angewiesen, die sie für die Zeit des Lernens zum Beispiel freistellen oder weniger arbeiten lassen.

Beim Referendariat wird’s schwierig

Nach dem Ersten Staatsexamen  steht das Referendariat für alle an, die es bis zum Volljuristen schaffen wollen. Die gute Nachricht: Ab dem 1. Januar 2023 sollen Referendariate in Teilzeit gemacht werden können. Die schlechte Nachricht: Dies ist nur möglich, wenn private Gründe dafür sprechen, etwa die notwendige Pflege von Angehörigen oder die Kinderbetreuung. Ein regulärer Job gehört nicht zu den Voraussetzungen, die ein Teilzeit-Referendariat erlauben. „Die einzigen beiden Möglichkeiten, die ich bei einem Referendariat sehe, sind: den Job zu kündigen oder ihn als Nebenjob so weit reduzieren, dass eine Teilnahme am Referendariat möglich ist“, sagt Rainer Derks, der am Oberlandesgericht Celle für Referendariatsangelegenheiten zuständig ist. Da sich die Regelungen für Nebentätigkeiten zu Umfang und Verdienst von Bundesland zu Bundesland teilweise erheblich unterscheiden, sollte man sich auf jeden Fall vorab mit dem Ausbildungsgericht in Verbindung setzen. Außerdem ist auch hier Flexibilität angesagt: In der Staatsanwaltsstation zum Beispiel muss man für Sitzungen verfügbar sein. Auch Arbeitsgruppen finden in Präsenz statt.  

Einfacher ist es da sicherlich, statt des Referendariats und des Zweiten Staatsexamens einen LL.M.-Abschluss anzustreben. Verschiedene deutsche Universitäten bieten Teilzeit-LL.M.-Studiengänge an, die sich speziell an Leute wenden, die neben dem Studium einem regulären Beruf nachgehen. An der Universität Saarland stehen zum Beispiel die LL.M.-Studiengänge „Informationstechnologie und Recht“ sowie „Wirtschaftsrecht für die Unternehmenspraxis“ bereit. Ersteres lässt sich als Vollzeitstudium innerhalb eines Jahres oder als Teilzeitstudium in zwei Jahren ausbildungs- oder berufsbegleitend absolvieren.  

„Interessierte für den Studiengang ,Wirtschaftsrecht für die Unternehmenspraxis’ können auch nur einzelne Module des Studiengangs belegen und damit Mikrozertifikate erwerben“, erklärt der Studiendekan für Rechtswissenschaften Prof. Dr. Marco Mansdörfer. Vielleicht interessant für diejenigen, die nach dem Ersten Examen noch eine kleine Spezialisierung für den Job draufsetzen wollen.

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