Was M&A-Anwälte machen

"Man muss erstmal ver­gessen, Anwalt zu sein"

von Dr. Franziska KringLesedauer: 5 Minuten

Viel Arbeit, wenig Schlaf, großer Zeitdruck, aber dafür hohe Einstiegsgehälter: So stellen sich viele den Job als M&A-Anwalt vor. Drei Anwälte erzählen, was an den Vorurteilen dran ist – und wieso gerade Frauen große Chancen im M&A haben. 

" Leider kommt es im Transaktionsgeschäft vor, dass es auch im Juli draußen dunkel wird, bevor man nach Hause geht – gerade in den ersten drei, vier Berufsjahren. Aber man lernt jeden Tag Neues; auch nach 20 Jahren bin ich immer noch ein großer Fan meines Berufes", sagt Arqis-Partner Dr. Jörn-Christian Schulze, der den Fokusbereich "Transactions" leitet. Dieser umfasst vor allem die Bereiche Private Equity, Mergers & Acquisitions (M&A) sowie Venture-Transaktionen.  

Kanzleien locken den Nachwuchs mit hohen Einstiegsgehältern – aber erwarten auch den entsprechenden Einsatz. Der Druck bei den M&A-Anwältinnen und Anwälten ist groß. Die Mandanten erwarten, dass ihr Deal so schnell wie möglich über die Ziellinie gebracht wird. 

Anwältinnen und Anwälte im Bereich M&A beschäftigen sich mit gesellschaftsrechtlichen Fragen sowie sämtlichen Facetten von Unternehmensübernahmen und Fusionen, erklärt Dr. Philipp Osteroth, der seit Anfang des Jahres Partner bei Greenberg Traurig in Berlin ist. Transaktionen machen den größten Teil der Mandatsarbeit aus. "In der Praxis bedeutet das, dass ich weniger zu allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Fragestellungen berate, sondern vor allem die Transaktion strukturiere und steuere – letztlich also viel Projektmanagement", sagt Osteroth. 

Anzeige

"Unsere Ausbildung ignoriert die Einwertung wirtschaftlicher Risiken" 

Das sieht Schulze ähnlich. "Als Transaktionsanwalt muss man erstmal vergessen, Anwalt zu sein", sagt er. Wichtig sei es, kaufmännisch zu denken. "Im Transaktionsgeschäft ist man nur erfolgreich, wenn man immer das eine Ziel im Blick hat: das Closing des Deals. Man muss lernen, juristische Nicklichkeiten zu ignorieren. Das ist nicht einfach, denn unsere Ausbildung ignoriert die Einwertung wirtschaftlicher Risiken komplett", so Schulze. 

Bis zum Closing, also dem Moment, in dem die Unternehmensanteile tatsächlich übergehen, vergehen – je nach Größe der Transaktion – allerdings Monate oder sogar Jahre, erklärt Dr. Barbara Mayer, ehemalige geschäftsführende Partnerin von Friedrich Graf von Westphalen (FGvW), die zum 1. August 2022 als Partnerin zu Advant Beiten gewechselt ist. "Bei einer Transaktion haben wir auf Verkäuferseite über 200 Aktionäre vertreten – es gab dann zwar 17 Repräsentanten, aber das war dennoch ein enormer Koordinationsaufwand. Deshalb waren wir froh, stolz und erleichtert, als alle 200 unterschrieben hatten", sagt sie.  

Mayer berät im sogenannten Mid-Cap-Bereich, das heißt bei mittelgroßen Transaktionen bis zu einem Volumen von 200 Millionen Euro. 

Das Zielunternehmen genau überprüfen 

Am Anfang eines Deals wird typischerweise ein Letter of Intent ausgehandelt, also eine Absichtserklärung, die der Käufer gegenüber dem Zielunternehmen abgibt. Dieses beinhaltet zudem einen groben Zeitplan – und teilweise auch eine Exklusivitätsvereinbarung, denn der Käufer nimmt schon zu dem Zeitpunkt Geld in die Hand, wenn er Anwälte und Wirtschaftsprüfer mit der Due-Diligence-Prüfung beauftragt. Zu diesem Zeitpunkt hat der Kaufinteressent bereits einige Informationen zum Zielunternehmen erhalten und beide Seiten haben sich über die Kaufpreisvorstellungen ausgetauscht.  

Bei der Due Diligence, übersetzt in etwa “erforderliche Sorgfalt”, geht es für den Käufer darum, herauszufinden, ob das Zielunternehmen seinen Vorstellungen entspricht. Welchen Wert hat das Unternehmen tatsächlich? Gibt es verborgene Mängel?  

Grob lässt sich zwischen der legal und der tax and financial due diligence unterscheiden, welche Steuerberater und Wirtschaftsprüfer übernehmen. Die rechtliche due diligence obliegt den Anwältinnen und Anwälten.  

Der M&A-Anwalt als Koordinator 

Der M&A-Partner ist regelmäßig der "Kopf der Krake", so Schulze, das heißt der Koordinator. Er verteilt die Aufgaben innerhalb der Kanzlei: Die Arbeitsrechtlerinnen und Arbeitsrechtler betrachten beispielsweise die Arbeitsverträge, die Kollegen und Kolleginnen aus dem IP-Bereich die Patente und Marken, die aus dem Öffentlichen Recht prüfen baurechtliche und sonstige öffentlich-rechtliche Genehmigungen.  

Am Ende fasst der Koordinator alle Teilbereiche in einem gemeinsamen Due-Diligence-Bericht zusammen, der an den Mandanten geschickt wird. Wenn der Mandant das Unternehmen kaufen will, beginnen die Vertragsverhandlungen – und im besten Falle steht am Ende der Abschluss des Unternehmenskaufvertrages. 

Je nach Größenordnung der Transaktion ist danach die Anmeldung bei den Kartellbehörden erforderlich – das übernehmen die Kartellrechtlerinnen und Kartellrechtler. 

"M&A geht nur im Team" 

Wichtig für die Arbeit an solchen Transaktionen ist deshalb vor allem auch Teamfähigkeit, daran lässt Schulze keinen Zweifel: "Sie können vielleicht bei einem Testament oder einer Scheidung allein beraten – aber niemals bei einer M&A-Transaktion. M&A geht nur im Team", sagt Schulze. 

Dabei darf man sich auch nicht aus der Ruhe bringen lassen – denn kaum eine Transaktion verläuft am Ende so, wie sie anfangs geplant war. Deshalb ist es wichtig, "gut organisiert zu sein, die Fäden in der Hand zu behalten und nicht nervös zu werden, wenn es überall brennt", sagt Mayer. "Man muss immer priorisieren und sich selbst gut organisieren". 

Und sie hat noch einen auf den ersten Blick vielleicht ungewöhnlichen Tipp parat: Viel mit Verhandlungstechniken beschäftigen – und interkulturell interessiert sein. Mit großer Wahrscheinlichkeit gerate man an Verhandlungspartner aus anderen Kulturkreisen, etwa Indien, China oder den USA. "Und es ist wichtig, zu begreifen, wie dort Verhandlungen geführt werden", sagt Mayer. 

"Unglaubliche Chancen für Frauen" 

Wichtig sei außerdem "eine leicht penible Art", so Osteroth. Denn: "Bei unserer Tätigkeit kommt es häufig auf Kleinigkeiten an – und die erkennt man nur, wenn man sich mit der Materie genau auseinandersetzt". Und genau das erwartet der Mandant, schließlich zahlt er auch dafür – und zwar Stundensätze bis zu 500 Euro. 

Wenn eine Deadline naht, kann das auch mal bedeuten, dass eine Videokonferenz um 22 Uhr beginnt und bis weit nach Mitternacht dauert und man am nächsten Morgen dennoch früh im Büro sein muss. Mit dem Druck muss man umgehen können – und wollen.  

Osteroth, Mayer und Schulze wollen das – betonen aber gleichzeitig, dass junge Leute eine intrinsische Motivation brauchen. "Das Geld allein macht genau einen Monat glücklich, danach ist das vorbei. Man muss einfach Spaß am M&A haben", sagt Schulze.  

Er hofft, dass künftig mehr Frauen im M&A-Geschäft landen – die Kanzleien würden sie mit offenen Armen empfangen. "Wir sind eine männerdominierte Branche, das bietet unglaubliche Chancen für Frauen". 

Auf Jobsuche? Besuche jetzt den Stellenmarkt von LTO-Karriere.

Thema:

Kanzlei

Verwandte Themen:
  • Kanzlei
  • Anwaltsberuf
  • Frauenquote

Teilen

Ähnliche Artikel

Newsletter