Ob Bitcoins & Co. es irgendwann zu einer gängigen Währung schaffen, ist umstritten. Konstantin Filbinger jedenfalls meint, dass das deutsche Recht trotz seiner Besonderheiten dem Bezahlen mit virtuellen Kryptoguthaben nicht entgegensteht.
Über Kryptowährungen wird derzeit viel geredet, viel geschrieben, vor allem aber viel schwadroniert: Vages ist möglich, Konkretes ist tödlich. Diese reichliche Abstraktheit hilft aber nicht weiter. Das deckt sich – zumindest scheinbar - in diesem Kontext mit einem Strukturprinzip des deutschen Privatrechts.
Denn das Trennungs- und Abstraktionsprinzip zieht auf den ersten Blick unnötige Schwierigkeiten im rechtsdogmatischen Umgang mit Kryptowährungen nach sich. Ob das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) bei Überweisungen von Kryptoguthaben zum dogmatischen Spagat gezwungen wird oder gar einer Reform bedarf, soll dieser Beitrag klären.
Deutschland: Trennung ist Trumpf
Auf den ersten Blick scheint eines klar zu sein: Ob eine aus Deutschland abgehende Kryptoüberweisung wirksam ist, richtet sich nach deutschem Recht. Schließlich geht es der Sache nach um die Übertragung einer solchen - und da ist nach internationalem Privatrecht stets der Belegenheitsort der Sache entscheidend, die sogenannte Lex rei sitae.
Im deutschen Recht gilt dabei: Einheit ist schlecht, Trennung ist Trumpf. Die Wirksamkeit eines Versprechens, eine Leistung zu erbringen, und die Übertragung einer Vermögensposition sind separat voneinander zu beurteilen. Und Juristen deutscher Prägung sind besonders stolz darauf, schließlich erweisen sich Verständnis und Anwendung des Trennungs- und Abstraktionsprinzips vom ersten Semester bis zur Rente als juristische Königsdisziplin. Sie sind der Punkt, an dem sich abstrakt und konkret die (Kompetenz-)Spreu vom Weizen trennt.
Denn die Aufspaltung von Verfügung und Verpflichtung ist kontraintuitiv, eine vermeintlich natürliche Einheit wird künstlich getrennt. Der Grund dafür liegt in der dogmatisch konsistenteren Konstruktion bedingter Rechtsübertragungen oder des gutgläubigen Erwerbs: Kraft Trennung und Abstraktion funktionieren Letztgenannter, Eigentumsvorbehalt und Closing Condition schlicht besser.
Virtuelle Welt: Einheit ist König
In der virtuellen Welt scheint das im Ausland übliche Einheitsprinzip den deutschen Trennungsgrundsatz indes vom Thron zu stoßen. Warum? Weil sich virtuelle Guthaben weder als per Abtretung übertragbare Forderung oder Recht noch als nach den §§ 929 ff. BGB bewegliche Sache einordnen lassen.
Kann eine wirksame Kryptoüberweisung nach deutschem Recht überhaupt gelingen? Oder versagen vielmehr die traditionellen Strukturprinzipien des deutschen Rechts im Zeitalter von Coin und Cloud? So manchem wird wohl schon beim bloßen Gedanken schwindelig, sich vor dem Hintergrund des digitalen Wandels vom heißgeliebten Eigentümer-Besitzer-Verhältnis verabschieden zu müssen. Sollten wir in Zukunft einen wirksamen Schuldvertrag für den Rechtsübergang genügen lassen, so wie es etwa unsere französischen Nachbarn tun?
Zwei Fälle, beide lösbar
Bei genauerem Hinsehen merkt man allerdings: Alles halb so wild. Das BGB ist nicht nur technologieneutral, auch ein grundlegendes Update ist entbehrlich. Ein Beispiel:
Wenn A und B sich darauf einigen, dass A dem B Kryptowährungsguthaben gegen Übereignung einer Sache überweist und die jeweils versprochenen Leistungen erfolgen, gibt es kein Problem. Die wechselseitigen Ansprüche erlöschen durch Erfüllung, § 362 BGB. Denn A hat den versprochenen Leistungserfolg real erbracht. Gerade deshalb, weil weder Forderung noch Sache übertragen werden, beschränkt sich die Erfolgsbedeutung darauf, dass die Guthabensgutschrift auf dem Kryptokonto (sogenannter Public Key) des B ankommt.
Ob A zum Zeitpunkt der Leistungshandlung, also der Überweisung, infolge eines Vollrausches vorübergehend geschäftsunfähig ist, spielt keine Rolle: Er muss schließlich keine Willenserklärung abgeben. Hierin offenbart sich im Übrigen ein Unterschied zur klassischen Banküberweisung, in deren Rahmen die (Un-)Wirksamkeit der Anweisung rechtliche Relevanz hat. Zweites Beispiel:
Nehmen wir an, es existiere kein Schuldvertrag zwischen A und B. Nun verschafft B sich, etwa durch Hacking, Kenntnis von As privatem Kontoschlüssel (sogenannter Private Key) und tätigt damit im Anschluss eine Überweisung an sein eigenes Kryptokonto. Auch hier erweisen sich die rechtstheoretischen Herausforderungen als überschaubar: A hat einen Anspruch gegen B auf Herausgabe des Erlangten nach Eingriffskondiktion (§ 812 I 1 2.Alt. BGB). Denn B hat ohne Rechtsgrund einen vermögenswerten Vorteil ("etwas") von A in sonstiger Weise (also nicht durch Leistung) und zu dessen Lasten erlangt.
Rechtlich steht Kryptoüberweisungen nichts im Wege
Bereicherungs- und allgemeines Schuldrecht sind also bestens ausgestattet, um zahlreiche Fallgestaltungen zu lösen – und zwar auch dann, wenn keine rechtsgeschäftliche Übertragung einer Rechtsposition stattfindet, sondern nur ein Wechsel in der faktischen Herrschaft über virtuelles Guthaben in Rede steht.
Das deutsche Zivilrecht verfügt damit über ein ausreichendes Instrumentarium zur sachgerechten Behandlung von Kryptoüberweisungen. Eine Überarbeitung zum BGB 2.0 ist nicht nötig, insbesondere muss das Trennungs- und Abstraktionsprinzip sich in diesem Zusammenhang weder auflösen noch Verrenkungen erleiden.
Virtuelle Guthaben, deren Verwahrung und Übertragung, bieten jedoch einen bunten Strauß zahlreicher neuartiger Fallgestaltungen, die eine passgenaue Einbettung in die deutsche Zivilrechtsdogmatik und auch das Kollisionsrecht erfordern.
Der Autor Konstantin Filbinger ist Rechtsanwalt bei Theopark Rechtsanwälte Steuerberater in Nürnberg.
Übertragung von Kryptowährungsguthaben: . In: Legal Tribune Online, 17.02.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/27085 (abgerufen am: 06.11.2024 )
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