Wer meint, nur im Sommer gibt es wegen Grillpartys, Musiklärm und Sonnenbäder halbnackter Frauen Ärger an der Gartengrenze, der irrt. Auch bei Schneeriesel und Eisgraupel kann es mitunter laut und konfliktreich zugehen. Nicht alles, was nervt, löst aber gleich einen Anspruch auf Schadensersatz oder Unterlassung aus, meint Herbert Grziwotz.
Mittlerweile schneit und friert es nicht nur im bayerischen Wald, sondern auch am Niederrhein. Da fliegen die Schneebälle nicht nur auf den Schulhöfen, sondern auch gerne mal in Nachbars Gärten. Fensterscheiben gehen zu Bruch, Verletzungen werden davon getragen. Es herrscht Winterkrieg.
Ob Schneebälle kindliche Lebensäußerungen sind, die Nachbarn ebenso wie Kinderlärm hinnehmen müssen, hängt davon ab, ob sich vereinzelte Geschosse über die Grundstücksgrenze verirren oder gezielt "feindliches Feuer" eröffnet wird. Ist letzteres der Fall, kann der betroffene Grundstückseigentümer vom Nachbar verlangen, dass er seine Kinder anweist, das Feuer einzustellen.
Begabte Menschen haben es sogar schon geschafft, winterliche Kunstwerke im Nachbarkrieg einzusetzen: ein Schneemann, der demonstrativ dem Nachbarn sein Hinterteil hin reckt oder die Zunge herausstreckt. Solche "Frustschneemänner" können eine stellvertretende Beleidigung sein.
Auch wenn ein Schneemann, anders als Gartenzwerge, nicht im Inneren des Hauses und damit außer Sichtweite des Nachbarn aufgestellt werden kann, kann er doch so positioniert werden, dass er keine Beleidigung in Richtung Nachbarhaus "ausspricht". Soviel kann der betroffene Nachbar vom Eiskünstler verlangen.
Überbleibsel aus der Neujahrsnacht
Auch Mitte Januar sind die Reste der Silvesternacht noch auf den Gehwegen und in manch einem Garten zu sehen. Pappüberbleibsel der Feuerwerksraketen mischen sich mit Schneematsch. Wenn es besonders schief gelaufen ist, dann ist ein Böller nicht nur im Garten nebenan gelandet, sondern gleich auf der Terrasse des Nachbarn explodieret und hat dort die teure Gartenskulptur zerstört.
Schadensersatz ist in diesem Fall das Wenigste, das der erboste Nachbar fordert. Regelmäßig wird er dem unfähigen Feuerwerker auf Dauer das Handwerk legen und für die kommenden Jahre ein Raketenverbot durchsetzen wollen. Grundsätzlich kann man tatsächlich Einwirkungen auf das eigene Grundstück auch vorbeugend im Wege der Unterlassungsklage abwehren. Es genügt nicht, wenn eine Gefahr potentiell droht. Der Unterlassungsanspruch entsteht erst in dem Augenblick, in dem sich auf dem Nachbargrundstück objektiv eine konkrete Gefahrenquelle bildet, gegen die ein Einschreiten geboten ist.
Dies ist nicht bereits dann der Fall, wenn der Nachbar eine Feuerwerksrakete an Silvester in den Himmel schießt. Der Schadensverlauf ist nicht absehbar, sondern zufällig, und kann deshalb nicht im Vorhinein an Tagen zwischen Weihnachten und Silvester per Gerichtsbeschluss untersagt werden. Der Unterlassungsanspruch entsteht erst, wenn die Rakete auf das Nachbargrundstück fliegt und dort Schaden anrichtet.
Dann kann der der Rakete ausgesetzte Nachbar aber nicht mehr rechtzeitig gerichtlichen Schutz erlangen (Bundesgerichtshof, Urt. v. 18.09.2009, Az. V ZR 75/08). Ihm steht dann nur noch ein Geldausgleich für den erlittenen Schaden zu, unabhängig von einem Verschulden. Kann der Nachbar nachweisen, von wem die auf seinem Grundstück gelandeten Raketen stammen, kann er außerdem deren Entfernung verlangen, auch wenn sie keinen Schaden angerichtet haben. Ob das Neue Jahr dann gut beginnt, dürfte höchst fraglich sein. Es steht zu befürchten, dass sich der Nachbar beim sommerlichen Grillen in seinem Garten daran erinnern wird.
Der Autor Prof. Dr. Dr. Herbert Grziwotz ist Notar in Regen und Zwiesel und Autor mehrerer Bücher zum Nachbarrecht.
Herbert Grziwotz, Winterkrieg: . In: Legal Tribune Online, 18.01.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7996 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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