2/2: Notwendiges Instrument parlamentarischer Kontrolle
Das ministerielle Weisungsrecht gegenüber Staatsanwälten ist aber keineswegs nur noch ein historisches Überbleibsel. Es dient heute auch nicht mehr dem Zweck, den Einfluss der Exekutive auf das Strafverfahren zu sichern.
Es handelt sich vielmehr um ein notwendiges Instrument der parlamentarischen Kontrolle der Exekutive – dieser gehört, das wurde in der aktuellen Diskussion gern vergessen, auch die Staatsanwaltschaft an.
Die parlamentarische, dem grundgesetzlichen Demokratieprinzip erwachsende Überwachungspflicht setzt zwingend eine ununterbrochene Verantwortungs- und Kontrollkette von jedem einzelnen Beamten bis zum Parlament voraus. Im Falle der Bundesanwaltschaft reicht sie von dem einzelnen Bundesanwalt über den GBA und den Justizminister bis zur Bundeskanzlerin.
Soll dem Justizminister die politische Verantwortung für die Handlungen der Bundesanwälte auferlegt werden, ist dies nur möglich, wenn dieser auch ein Weisungsrecht gegenüber den Beamten der Bundesanwaltschaft hat.
Jedenfalls in Fällen, in denen eine Staatsanwaltschaft zu rechtswidrigen Ermittlungsmaßnahmen greift oder es aus sachfremden Erwägungen unterlässt, ein Ermittlungsverfahren einzuleiten, wäre sonst zu besorgen, dass niemand die politische Verantwortung für diese exekutiven Handlungen übernimmt. Die Tatbestände der Strafvereitlung im Amt (§ 258a StGB) bzw. Verfolgung Unschuldiger (§ 344 StGB) bieten hierfür zwar eine gewisse rechtliche Handhabe, nichtsdestoweniger muss in einem demokratischen Rechtsstaat stets sichergestellt sein, dass auch die politische Verantwortung für derartige Exzesse eindeutig bestimmbar ist. Nicht zuletzt der im Fall Mollath eingesetzte Untersuchungsausschuss des Bayerischen Landtages weist auf diese Notwendigkeit hin.
Staatsanwälte dem Parlament unterstellen?
Richter wiederum unterliegen nur deshalb keiner ministeriellen Weisung und mithin keiner parlamentarischen Kontrolle, weil sie die "Dritte Gewalt" im Staat darstellen. Es entspricht der Natur der Judikative, dass sie unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen ist. Exekutive Weisungsrechte gegenüber der Judikative wären in keiner Weise mit dem Grundsatz der Gewaltentrennung zu vereinbaren.
Doch selbst wenn man die Staatsanwaltschaft durch eine Verfassungsänderung der Judikative zuordnen würde, bestünde weiterhin ein Kontrolldefizit. Denn das gerichtliche Verfahren ist grundsätzlich öffentlich und mündlich. Dadurch ist eine unmittelbare Kontrolle der rechtsprechenden Gewalt durch das Volk gewährleistet. Das staatsanwaltliche Ermittlungsverfahren dagegen ist ein im Großen und Ganzen geheimes Verfahren, das unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet.
Die Abschaffung des ministeriellen Weisungsrechts gegenüber Staatsanwälten hätte insofern zur Folge, dass sie als Behörde in ihrer Tätigkeit von jeglicher Kontrolle und Verantwortlichkeit freigestellt würde.
Denkbar wäre zwar, allein an einem ministeriellen Weisungsrecht gegenüber dem Generalbundesanwalt als Behördenleiter, bzw. in den Ländern gegenüber Generalstaatsanwälten festzuhalten. Doch würde ein solcher Schritt nicht den von einer Abschaffung des Weisungsrechts erwünschten Erfolg bringen. Solange die Staatsanwaltschaft weiterhin eine hierarchische Behörde darstellt, hätte dies nur zur Folge, dass die ministerielle Weisung – wie schon heute üblich – den Umweg über den Behördenleiter nimmt.
Insofern könnte eine Abschaffung des ministeriellen Weisungsrechts allenfalls erwogen werden, wenn der Generalbundesanwalt bzw. die Generalstaatsanwälte unmittelbar dem Parlament gegenüber verantwortlich wären. Dass eine solche Vermischung von Politik und Verwaltung eine Verbesserung gegenüber der gegenwärtigen Situation darstellen würde, darf man allerdings bezweifeln.
Der Autor Dipl.-Jur. George Andoor, Mag. iur., LL.Cert. ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Internationales Strafrecht bei Professor Dr. Frank Peter Schuster an der Universität Würzburg. Er promoviert derzeit zum Strafprozess- und Gerichtsverfassungsgesetz.
Abhängige Staatsanwälte: . In: Legal Tribune Online, 08.08.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16547 (abgerufen am: 19.11.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag