2/2 AfD-Fraktion muss Gelder zurückerstatten
Einen Ausweg aus der Zwickmühle weist die Rechtsprechung des BVerfG. Das Gericht hatte zu entscheiden, ob die Öffentlichkeitsarbeit der damaligen Bundesregierung kurz vor den Bundestags-wahlen von 1976 verfassungswidrig war. Es stellte in seiner Entscheidung (Urteil vom 2. März 1977, 2 BvE 1/76) zunächst fest, dass die Öffentlichkeitsarbeit von Staatsorganen erlaubt und notwendig sei, jedoch nicht in Wahlkampfwerbung übergehen dürfe. Für die Abgrenzung zwischen beidem hat der Senat zwei Kriterien entwickelt: Inhaltlich müsse Öffentlichkeitsarbeit sachlich-informierend bleiben und dürfe nicht parteiergreifend und plakativ werben. In zeitlicher Hinsicht verpflichtet das Gericht alle Staatsorgane zu äußerster Zurückhaltung kurz vor dem Wahltermin, also während der heißen Phase des Wahlkampfes. In dieser engbegrenzten Periode könne sogar eine ansonsten gestattete sachliche Information wegen der Nähe zum Wahltermin verboten sein.
Das vom BVerfG entwickelte zeitliche Kriterium gilt ungemindert auch für die Fraktionen. Innerhalb von zwei Wochen vor den Bundestagswahlen ist jedenfalls äußerste Zurückhaltung in der Öffentlichkeitsarbeit auch der Fraktionen geboten. Von Zurückhaltung kann bei den AfD-Videoplakaten aber keine Rede sein. Das Kriterium der Sachlichkeit von Öffentlichkeitsarbeit kann in der vom BVerfG entwickelten Form für die Fraktionen dagegen nur mit Abstrichen gelten wegen ihrer besonderen inhaltlichen und personellen Nähe zur Partei. Dies erkennt § 1 Abs. 3 S. 4 FraktG BW mit der Entbindung der Fraktionen vom Gebot politischer Neutralität auch ausdrücklich an.
Dem Gesetz lässt sich aber weiter entnehmen, dass die Fraktionen sich bei ihrer Öffentlichkeitsarbeit auf Themen beschränken müssen, die mit ihrer parlamentarischen Arbeit zusammenhängen, § 1 Abs. 3 S. 2 FraktG BW. Das Bezugsfeld der Öffentlichkeitsarbeit ist also das Parlament, dem die jeweilige Fraktion angehört und damit auch dessen Aufgabenbereich. Dass die AfD-Videos hauptsächlich Bundespolitiker aufs Korn nehmen und auf Themen anspielen, für die, wie für die Atompolitik oder das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG), der Bund zuständig ist, macht auch in dieser Hinsicht sehr skeptisch. Da die Grenzen der zulässigen Öffentlichkeitsarbeit demnach gesprengt sind, wird die AfD-Fraktion die für die Videos verwendeten Mittel gem. § 4 Abs. 1 FraktG BW zurückerstatten müssen.
Parteiengesetz muss nachgebessert werden
Schwieriger ist es, zu beurteilen, ob die AfD parteienrechtlich verpflichtet ist, eine Strafe nach § 31c Parteiengesetz für rechtswidrig erlangte Spenden zu zahlen. Dafür spricht, dass es den Parteien verboten ist, von Fraktionen Spenden anzunehmen, § 25 Abs. 2 Nr. 1 PartG, und Wahlwerbung einen geldwerten Vorteil darstellt, den die AfD in diesem Fall auch ohne Pflicht zu einer Gegenleistung genossen hat. Insofern liegt eine unzulässige Spende vor.
Probleme stellen sich jedoch bei der Annahme der Spende durch die Partei. Eine Spende ist nach § 25 Abs. 1 S. 4 PartG nämlich erst dann durch die Partei erlangt, sobald sie in den Verfügungsbereich eines für Finanzangelegenheiten zuständigen Vorstandsmitglieds gelangt ist. Dies könnte hier allenfalls dadurch geschehen sein, dass ein solches Vorstandsmitglied zugleich als Mitglied der AfD-Fraktion im Landtag über die Verwendung von Fraktionsmitteln für die fraglichen Videoplakate mitbestimmt hat. Dieselbe Person würde dann den Inhalt der Spende mitbestimmen und dadurch zugleich für die Partei die Spende erlangen. Zwar sind mit Bernd Gögel und Jörg Meuthen je ein Mitglied des Landes- und des Bundesvorstands der Partei zugleich Fraktionsmitglieder, aber keiner von beiden ist nach der Landes- oder Bundessatzung der AfD für Finanzangelegenheiten zuständig. Da die AfD die fraglichen Videos also nicht als Spende erlangt hat, wird sie keine Strafe nach § 31c PartG für rechtswidrig erlangte Spenden zahlen müssen.
Rechtspolitisch zeigt der Fall, dass das PartG verbesserungsbedürftig ist. Denn in den Regeln darüber, wie Parteien eine Spende erlangen, bestehen Lücken, die den Parteien den straflosen Genuss unzulässiger Spenden erlaubt. Solange diese Lücken nicht geschlossen sind, wird für die Parteien die Versuchung manches Mal übermächtig werden, von verbotenen Früchten zu naschen.
Der Autor Dr. Sebastian Roßner ist Habilitand am Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Rechtstheorie und Rechtssoziologie an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.
Sebastian Roßner, Landesrechnungshof rügt AfD-Video: . In: Legal Tribune Online, 14.09.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/24519 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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