Grüne Spitzenpolitiker als Hobbits - die baden-württembergische AfD-Fraktion müsste sich zwei Wochen vor der Bundestagswahl eigentlich öffentlich zurückhalten. Nun prüfen die Landtagspräsidentin und der Landesrechnungshof den Fall.
Anton Hofreiter, Cem Özdemir und Winfried Kretschmann werden sich mit diesem Bild nicht unbedingt identifizieren wollen: Auf einem Videoschirm, bestens sichtbar aufgehängt an einem der Verkehrsknotenpunkte der schwäbischen Metropole Stuttgart, erscheinen sie als Hobbits, daneben der Slogan "Keine Autos, keine Kraftwerke, kein Fleisch". Ärger als die drei grünen Spitzen-Hobbits hat es aber Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) erwischt. Er übernimmt unter der Überschrift "Willkommen in Mordor" die wenig schmeichelhafte Rolle des Gollum. "Mehr Zensur, mehr Multikulti, mehr Kriminalität" wird ihm als Motto zur Seite gestellt.
Satire mittels Verlagerung des politischen Geschehens in die phantastische Welt von Tolkien, so könnte man meinen. Urheberin der Videoplakate aber ist die Fraktion der AfD im baden-württembergischen Landtag, die sich selbst nicht als satirische Kraft wahrnimmt. Also einfach nur Wahlkampf, geführt mittels Veralberung des politischen Gegners? Das aber wäre ein Problem, denn Wahlkampf dürfen die Fraktionen gerade nicht finanzieren.
Fraktionen werden aus Steuermitteln alimentiert, deren Gebrauch den Wettbewerb unter den politi-schen Parteien nicht verzerren darf, so das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) (Urteil vom 19.05.1982 - 2 BvR 630/81). Daher verbietet § 3 Abs. 2 Fraktionsgesetz Baden-Württemberg (FraktG BW) die Verwendung von Fraktionsmitteln zugunsten der Parteien. Zugleich erlaubt § 1 Abs. 3 FraktG BW den Fraktionen jedoch ausdrücklich eine eigenständige Öffentlichkeitsarbeit. Dies bringt die Fraktionen und die Stellen, welche die Mittelverwendung kontrollieren, in die schwierige Lage, zwischen der erlaubten Öffentlichkeitsarbeit der Fraktionen und der unerlaubten Verwendung von Fraktionsmitteln zugunsten der Parteien unterscheiden zu müssen. Vor diesem Problem stehen nicht allein die Baden-Württemberger, sondern alle deutschen Parlamentsfraktionen. Überall gilt, dass die Mittel von Fraktionen und Parteien zu trennen sind, für den Bund ergibt sich das etwa aus §§ 47 Abs. 3, 50 Abs. 4 Abgeordnetengesetz.
Fraktionsmittel sind eine verlockende Geldquelle
Dieses Trennungsgebot gewinnt noch an Schärfe, weil die staatliche Finanzierung der Parteien nach der Rechtsprechung des BVerfG in der Höhe limitiert ist, gegenwärtig auf insgesamt etwa 160 Millionen Euro, § 18 Abs. 2 Parteiengesetz (PartG). Für die Fraktionsfinanzierung bestehen solche verfassungsrechtlichen Obergrenzen nicht. Allein die Fraktionen im Bundestag durften daher 2015 über insgesamt etwa 84,5 Millionen Euro verfügen. Die Landtagsfraktionen in Stuttgart konnten 2015/16 etwa 6,7 Millionen Euro als Einnahmen verzeichnen. Nimmt man die Finanzierung der übrigen Landes- und Kommunalparlamente zusammen, wird deutlich, dass die Fraktionsmittel in Wahlkampfzeiten für die Parteien eine verlockende Geldquelle darstellen.
Die Frage, ob die Videos der AfD-Fraktion eine Verwendung von Mitteln zugunsten der Partei waren oder erlaubte Öffentlichkeitsarbeit, ist auch deshalb nicht leicht zu beantworten, weil Fraktionen in der öffentlichen Wahrnehmung Teil ihrer Parteien sind und als deren parlamentarischer Arm fungieren. Die Information der Öffentlichkeit durch eine Fraktion ist daher immer stark politisch gefärbt und unterstützt normalerweise die Linie der eigenen Partei, die ihrerseits auch durch die Fraktion inhaltlich mit festgelegt wird. Wenn also jede publizistische Schützenhilfe einer Fraktion für ihre Partei gegen das Verbot einer Verwendung von Fraktionsmitteln für Parteiaufgaben verstieße, wäre das Recht der Fraktionen auf eine eigene Öffentlichkeitsarbeit gegenstandslos.
Sebastian Roßner, Landesrechnungshof rügt AfD-Video: . In: Legal Tribune Online, 14.09.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/24519 (abgerufen am: 07.11.2024 )
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