2/2: Offene WLANs: Ein Raum, in dem sich keiner verantworten muss?
Eng verknüpft mit dem Kampf gegen illegale Downloads ist die Haftung für offene WLAN-Zugänge. Dass diese in Deutschland nicht so verbreitet sind wie in anderen Ländern, liegt an der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH). "Sommer unseres Lebens" heißt das Urteil, mit dem die Karlsruher Richter Anschlussinhaber dazu verpflichteten, ihren WLAN-Anschluss angemessen vor Urheberrechtsverletzungen durch Dritte zu sichern.
Andernfalls wird für illegale Downloads verschuldensunabhängig gehaftet (Urt. v. 12.05.2010, Az. I ZR 121/08). Was der BGH für die Sicherung privater WLAN-Anschlüsse festgestellt hat, haben untere Gerichte später auch auf öffentliche Zugänge ausgedehnt.
Diese Rechtsprechung wollen die Oppositionsparteien und die FDP mit einer Gesetzesänderung entschärfen. Die CDU äußert sich nicht zu der Frage.
Bereits im Juni stand das Thema auf der Tagesordnung des Bundestags. Die SPD hatte einen Entschließungsantrag vorgelegt, die Linken einen fertigen Gesetzentwurf. Beide Parteien wollten erreichen, dass die Haftungsregeln des Telemediengesetzes (TMG) für Telekommunikationsanbieter auch für Anbieter von öffentlichen WLAN-Zugängen gelten. Nach § 8 TMG sind Telekommunikationsanbieter in der Regel nicht für fremde Informationen verantwortlich, die sie übermitteln oder zu denen sie den Zugang vermitteln. Die Regierungsfraktionen lehnten das Anliegen jedoch ab.
Schwartmann hält nichts von solchen Haftungsbeschränkungen: "Das würde dazu führen, dass niemand mehr für Rechtsverstöße im Internet verantwortlich ist. Man schafft einen Raum, wo Nutzer gezielt Rechtsverletzungen begehen können, ohne dass sich irgendeiner verantworten muss." Die Folge wären viele Opfer und viele anonyme Täter und das nur aus dem Wunsch, immer und überall online zu sein.
Sein Münsteraner Kollege spricht sich dagegen dafür aus, WLAN-Anbieter gesetzlich als Access-Provider einzustufen und ihnen damit die gleichen Haftungsprivilegierungen zukommen zu lassen. Wie man illegalen Filesharern dann auf die Spur kommen kann, sei eine Folgefrage. "Da müsste man über entsprechend Auskunftsansprüche nachdenken."
Goethe-Groschen statt verkürzter Schutzfristen?
Ein weiteres Thema, welches die Piraten beschäftigt, ist die Schutzfrist für Urheberrechte. Diese sei mit derzeit 70 Jahren ab dem Tod des Urhebers zu lang und führe den Sinn des Urheberrechts, nämlich den Urheber zu schützen, ad absurdum. Kein Urheber habe persönlich etwas davon, wenn sein Werk bis weit nach seinem Tod geschützt ist.
Die Partei will die Dauer des Urheberrechts deshalb auf höchstens zehn Jahre nach dem Tod des Urhebers begrenzen. Bei bestimmten Werkarten sollen die Fristen bereits ab der Veröffentlichung laufen, etwa bei Filmen (50 Jahre nach Veröffentlichung) und Software (20 Jahre nach Veröffentlichung). Ähnliches – wenngleich weniger konkret – fordern die Linken.
Schwartmann sieht keinen Grund dafür, an der Länge der Schutzfristen zu rütteln. "Das geistige Eigentum wird damit ja schon schlechter behandelt als das körperliche Eigentum, weil es flüchtiger ist." 70 Jahre – das entspreche einem Menschenleben und damit sei man bisher ganz gut klargekommen. Einer Sozialisierung des Eigentums, sei es des geistigen oder des körperlichen, stehe er zurückhaltend gegenüber.
Hoeren hält den "Goethe-Groschen" für eine gute Idee: Danach soll die Schutzfrist weiter 70 Jahre betragen, während der letzten 20 Jahre sollen die Erträge jedoch einem Fonds zugunsten junger Künstler zugutekommen.
Stiftungsmodelle statt Leistungsschutzrecht?
Zu guter Letzt noch ein Blick auf die Standpunkte der Parteien zum Leistungsschutzrecht für Presseverleger. Anfang März verabschiedete der Bundestag das Gesetz, zum 1. August trat es in Kraft.
Gegen Ende der Beratungen schaffte es noch eine Ausnahme für "Snippets" in den Gesetzentwurf. Danach fallen kleinste Textausschnitte nicht unter das ausschließliche Recht der Verleger, Presseerzeugnisse zu gewerblichen Zwecken öffentlich zugänglich zu machen. "Diese Formulierung ist unglaublich schlecht", sagt Hoeren. "Ich möchte nicht als Richter darüber entscheiden müssen, was 'kleinste' Textausschnitte sind."
SPD, Grüne und Linke würden das Leistungsschutzrecht am liebsten gleich wieder abschaffen. Es berge die Gefahr, online verfügbare Informationen und die Medienvielfalt einzuschränken, so die Grünen, die stattdessen eine Debatte über Stiftungsmodelle und die Rolle des Bürgerjournalismus führen wollen. Auch die SPD will nach einem besseren Vorschlag suchen. Gefunden hat sie bisher wohl noch keinen.
Stiftungsmodelle hält Schwartmann für verfassungsrechtlich schwierig. Die Staatsfreiheit der Medien sei gefährdet, wenn der Staat über die Entscheidung der Mittelzuwendung in die Freiheit und Unabhängigkeit der Medien eingreifen könnte. Hoeren meint, man sollte zumindest einmal darüber nachdenken, wenngleich auch hier wieder die Verteilungsgerechtigkeit zum Problem werden könnte.
Wahlprogramme – Teil 7: Mindestlohn als Betondecke zum Keller
Claudia Kornmeier, Wahlprogramme – Teil 8: . In: Legal Tribune Online, 17.09.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9571 (abgerufen am: 01.11.2024 )
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