Die am letzten Freitag in Kraft getretenen Änderungen im Aufenthaltsrecht koppeln die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis strenger an den Besuch von Deutschkursen. Der Integration von Migranten dient diese Neuerung nicht - im Gegenteil: Sie schafft Bürokratie und verschlechtert das Klima gegenüber den Betroffenen, statt die wahren Probleme zu lösen, meint Tillmann Löhr.
Die Integrationskurse für Migranten nach dem Aufenthaltsgesetz (AufenthG) wurden 2005 eingeführt. Ihr Ziel ist insbesondere das Bestehen der Deutschprüfung B1. Das ist die dritte von sechs Niveaustufen nach dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen.
Um dieses Ziel zu erreichen, erhalten die Lernenden 600 Stunden Sprachunterricht. Diese können bei besonderem Förderbedarf auf 900 Stunden anwachsen. Wer den Abschlusstest nicht besteht, kann weitere 300 Stunden draufsatteln.
Hinzu kommt ein so genannter Orientierungskurs. In ihm werden in 45 Stunden Grundlagen der deutschen Rechts- und Gesellschaftsordnung vermittelt.
Keine generelle Pflicht zum Besuchen der Kurse
Einen Anspruch auf Zulassung zum Kurs haben Migranten, die im Rahmen des Familiennachzugs kommen, Asylberechtigte oder anerkannte Flüchtlinge, langfristig Aufenthaltsberechtige nach EU-Recht sowie solche, die aus bestimmten politischen oder humanitären Gründen aufge-nommen wurden (§ 44 Abs. 1 AufenthG).
Zum anderen erlaubt § 44 Abs. 4 AufenthG die Zulassung weiterer Teilnehmer, wenn sie einen Aufenthaltstitel haben oder EU-Bürger sind. Sie haben zwar keinen Anspruch, doch wenn neben den Anspruchsberechtigten noch Kursplätze übrig sind, können sie im Wege des Ermessens zugelassen werden.
Zuletzt verpflichtet § 44a AufenthG einige Migranten zur Teilnahme. Das betrifft solche Personen, die sich nicht mindestens auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen können. Ebenfalls betroffen sind nachziehende Ehegatten, wenn sie nicht das Sprachniveau B 1 erfüllen. Außerdem sind Inhaber eines humanitären Titels nach § 23 Abs. 2 AufenthG erfasst sowie Migranten, die Hartz-IV-Leistungen beziehen und bei denen die Teilnahme Bestandteil der Eingliederungsvereinbarung ist. Schließlich können über eine Generalklausel besonders integrationsbedürftige Personen verpflichtet werden.
Ausländerbehörden müssen ordnungsgemäße Teilnahme prüfen
Was geschieht nun, wenn ein Migrant verpflichtet wurde, aber dieser Pflicht nicht nachkommt? Sozialrechtlich können den Betroffenen, sofern es sich um SGB II-Bezieher handelt, die Leistungen gekürzt werden. Aufenthaltsrechtlich ordnete § 8 Abs. 3 AufenthG schon vor der jüngsten Änderung an: Die ordnungsgemäße Teilnahme am Kurs muss bei der Entscheidung über die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis berücksichtigt werden.
Hier setzt die erste Änderung an. § 8 Abs. 3 AufenthG schreibt den Ausländerbehörden nun ausdrücklich vor, dass sie prüfen sollen, ob der Betroffene ordnungsgemäß am Integrationskurs teilgenommen hat.
Während diese Neuregelung nur klarstellenden Charakter hat, ist die zweite praxisrelevant: Wenn ein verpflichteter Migrant nicht erfolgreich am Kurs teilnimmt - also den Test nicht besteht - soll seine Aufenthaltserlaubnis nun jeweils nur noch um ein Jahr verlängert werden.
Neuregelungen bürokratisch und überzogen
Überflüssig ist die neu eingefügte Pflicht der Behörde, die ordnungsgemäße Teilnahme zu prüfen. Hier wurde eine methodische Banalität in Recht gegossen: Es ist Aufgabe des Rechtsanwenders, den Sachverhalt zu prüfen.
Schädlich ist die Regelung, dass bei Nichtbestehen jeweils nur um ein Jahr verlängert werden darf. Bislang wurde meist drei Jahre verlängert. Nun werden die Betroffenen jährlich zur Behörde zitiert. Das bindet die Kräfte der Verwaltung, ohne Fortschritte zu erzeugen.
Zumdem gibt es Personen, die sich Mühe geben, aber trotz engagierter Teilnahme den Test nicht schaffen, etwa alte, bildungsferne oder stark in Erwerbsarbeit eingebundene Migranten. Sie mögen noch so engagiert lernen und scheitern trotzdem. Für viele kann es schon ein Erfolg sein, wenn sie eine der ersten beiden Stufen - A 1 oder A 2 - bestehen. Dennoch werden sie nun in steter aufenthaltsrechtlicher Unsicherheit gehalten.
Realitätsferne Diskussion auf dem Rücken der Betroffenen
Die Änderungen sind allein vor dem Hintergrund der politischen Debatte des vergangenen Herbstes 2010 verständlich. Der damalige Innenminister Thomas De Maiziére hielt ein entschiedeneres Vorgehen gegen so genannte Integrationsverweigerer für erforderlich. Er schätzte deren Anteil auf zehn bis 15 Prozent.
Belastbare Angaben, wie diese Zahlen zustande kamen, folgten nie. Zwar bezog sich de Mazière auf Kursabbrüche - doch ob und wie viele davon auf gute Gründe wie Schwangerschaft, Kinderbetreuung oder die Aufnahme einer Arbeit zurückgingen, wurde nie geklärt.
Was blieb, war der Eindruck, dass es zahlreiche Migranten gibt, die sich den Kursen verweigerten - eine grobe Verzerrung der Tatsachen: Allein im September 2010 warteten rund 9.000 Migranten auf einen Kursplatz, die zwar keinen Anspruch, aber die Zulassung nach Ermessen beantragt hatten. Jedoch waren die Kurse im Bundeshaushalt unterfinanziert, und so gab es zu wenige Plätze. Während also Tausende vergeblich auf Sprachunterricht warteten, jagte die die Regierungskoalition fiktive Integrationsverweigerer durch die Debatte.
So wurde das Migrationsrecht ein weiteres Mal wider besseres Wissen für Stimmungsmache auf Kosten von Migranten genutzt - das Ergebnis ist nun eine teils überflüssige, teils bürokratische und desintegrativ wirkende Regelung.
Der Autor Dr. Tillmann Löhr ist Jurist und arbeitet als Referent bei der SPD-Bundestagsfraktion. Er ist Verfasser zahlreicher Veröffentlichungen zum Migrationsrecht und Menschenrechtschutz in Deutschland und Europa. Im Beitrag äußert er seine persönliche Auffassung.
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Verschärfung bei Integrationskursen: . In: Legal Tribune Online, 04.07.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/3652 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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