2/2: Keine Ungleichbehandlung von Journalisten und Bürgern
Unabhängig davon muss man sich fragen, warum Medien (wie auch immer definiert) nicht der Strafbarkeit des Landesverrats unterfallen sollten, der normale Bürger aber schon? Dem läge der Gedanke zugrunde, dass nur die Medien (vermeintliche) Skandale öffentlich machen dürfen, der Bürger aber nicht.
Dies ist auch im Hinblick auf den Grundsatz der Transparenz der Informationsfreiheitgesetze (IFG) inkonsequent. Nicht nur Journalisten haben gegenüber dem Staat Auskunftsrechte (s. § 4 der meisten Landespressegesetze). Über das Bundes-IFG oder die mehrheitlich vorhandenen Landes-IFG kann auch der Bürger nahezu dieselben Informationen erhalten wie die Journalisten aus dem Presserecht.
Warum dann eine Ungleichbehandlung bei einer Veröffentlichung von Missständen? Über viele Themen, auch viele Missstände, berichten die Medien erst, wenn Betroffene diese über ihre Wege öffentlich gemacht und Aufmerksamkeit erregt haben.
Die Deutungshoheit darüber, was "Skandale" sind, darf nicht allein den Medien überlassen werden. Wenn man etwas ändern will, muss man die Straftatbestände der §§ 93 ff StGB ändern und genau definieren, was unter einem Staatsgeheimnis zu verstehen ist. Denn "publizistischen Landesverrat" abzuschaffen, wie es etwa der Deutsche Anwaltverein fordert, ist hingegen der falsche Weg.
Wo bleibt das Vertrauen in die Gerichte?
Der Staat muss es wieder schaffen, so schwierig das auch sein mag, geheim zu halten, was er für geheimhaltungsbedürftig hält. Denn ohne den Gesetzesverstoß im öffentlichen Dienst Beschäftigter, die unter Verletzung ihres Dienstgeheimnisses gäbe es die Diskussion so nicht. Die aktuellen Diskussionen legen auch andere Fragen nahe: Haben wir wirklich so wenig Vertrauen in unsere Gerichte? Selbst wenn der Generalbundesanwalt zu der Wertung gekommen wäre, dass die Veröffentlichungen von netzpolitik.org Staatsgeheimnisse waren und – eher schwer vorstellbar - ein schwerer Nachteil gegeben ist: Der Richter am Oberlandesgericht, zu dem eine solche Anklage gelangt, prüft sorgfältig, ob er diese überhaupt zur Hauptverhandlung zulässt. Er kann die Ermittlungsbehörden stoppen- In der Praxis geschieht das auch. Und notfalls muss ein Gericht dann klären, ob ein Staatsgeheimnis vorlag und worin der schwere Nachteil gelegen haben soll.
Dass dieser Weg über die Gerichte funktioniert, zeigt gerade das in den vergangenen Wochen gern zitierte Cicero-Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Die Karlsruher Richter hoben Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlüsse von Gerichten auf, weil es eindeutig keine Strafbarkeit bei den Journalisten sah, die ihnen zugespielte Dokumente veröffentlicht hatten.
Und netzpolitik.org? Hat auch Pflichten
Ein letzter Aspekt: Das Risiko, dass mindestens Strafanzeige gegen ihn erstattet wird, geht jeder ein, der etwas veröffentlicht, was als "geheim" eingestuft ist. Netzpolitik.org kann man durchaus den Vorwurf machen, nicht vorab Überlegungen angestellt zu haben, ob man nicht ein Staatsgeheimnis veröffentlicht.
Es hätte den Betreibern besser angestanden, sich vorher Rechtsrat einzuholen, als jetzt Gelder für die mögliche Verteidigung zu sammeln. Dass es eine solche Prüfung vor der Veröffentlichung gegeben hat, ist jedenfalls bisher nicht öffentlich bekannt geworden. Dies gehört aber zu den Grundpflichten eines jeden, der Informationen veröffentlicht, genauso wie etwa Urheberrechte zu beachten sind. Das gilt auch im Internet. Es täte allen Beteiligten in der sicherlich auch wetterbedingten Hitze des Gefechts gut, erst dann nach dem Gesetzgeber zu rufen, wenn wirklich Änderungsbedarf besteht. Bisher sieht es danach nicht aus.
Rechtsanwalt Martin W. Huff ist Rechtsanwalt in der Kanzlei LLR Legerlotz Laschet in Köln. Er war lange Jahre Redakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und Chefredakteur der Neuen Juristischen Wochenschrift. Er ist auch Lehrbeauftragter für Medienrecht an der Fachhochschule Köln und an der HTWG in Konstanz.
Martin W. Huff, Verrat von Staatsgeheimnissen: . In: Legal Tribune Online, 10.08.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16552 (abgerufen am: 05.11.2024 )
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