Am 1. Mai tritt die Reform der Flensburger Verkehrssünderdatei in Kraft. Verstöße gegen Verkehrsvorschriften werden dann nur noch mit Punkten geahndet, wenn sie auch für die Verkehrssicherheit von Bedeutung sind. Dafür ist man die Fahrerlaubnis nun auch schon mit 8 Punkten los. Adolf Rebler über die Umwandlung des Verkehrszentralregisters in ein Fahreignungsregister.
Wer mit einem Pkw, einem Motorrad oder gar einem Lkw oder einem Bus am Straßenverkehr teilnimmt, lebt bekanntermaßen gefährlich und kann leicht auch zur Gefahr für andere werden. Um diese Gefahren des modernen Straßenverkehrs möglichst zu minimieren, soll eine Fahrerlaubnis nur bekommen (und auch behalten) dürfen, wer sich als geeignet und befähigt dazu erweist, § 2 Abs. 4 Straßenverkehrsgesetz (StVG), §§ 11, 15 Fahrerlaubnisverordnung (FeV).
Die Fähigkeit, ein Kraftfahrzeug zu führen, weist man in der Regel durch eine Fahrprüfung nach (§ 15 FeV), die Eignung wird – mit Ausnahme eines Gesundheitschecks bei Lkw- und Busfahrern (§ 11 Abs. 9 FeV, Anlage 5 zur FeV) – zunächst unterstellt. Die körperliche Eignung beurteilt sich nach Anlage 4 zur FeV – Eignung und bedingte Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen. Für die Prüfung der ebenso wichtigen charakterlichen Eignung dient das am 1. Mai 1974 – damals noch als Verwaltungsvorschrift – eingeführte Punktsystem. 9.045.000 Personen waren 2013 im Verkehrszentralregister registriert – davon 7.144.000 mit Punkten.
Nach genau 40 Jahren hat das "Mehrfachtäter-Punktsystem" in seiner bisherigen Form ausgedient. Es macht Platz für ein moderneres "Fahreignungs-Bewertungssystem" (FAER), das laut Bundesverkehrsministerium für mehr Verkehrssicherheit steht und mehr Einfachheit, Gerechtigkeit und Transparenz verspricht. Die Gesetzesvorlage dazu kam noch von Ex-Verkehrsminister Peter Ramsauer, der das neue System mit einem "Punkte-Tacho in Ampelform" verglich, der dem Delinquenten den erreichten Bedrohungsstand deutlich vor Augen führen soll.
Punkte-Tacho: Von grün bis schwarz
Vier Stufen sieht dieser Tacho vor: Im "grünen Bereich" bewegt sich, wer 1 bis 3 Punkte hat. Er bekommt lediglich eine Vormerkung im Fahreignungsregister, ohne dass ihm weitere Konsequenzen drohen. Wer in den "gelben Bereich" (4 und 5 Punkte) vorstößt, bekommt eine Ermahnung mit dem Hinweis, dass die Möglichkeit besteht, (freiwillig) ein Fahreignungsseminar zu besuchen. Mit der Teilnahme an diesem Seminar, das das alte Aufbauseminar ablöst, aus einem verkehrspädagogischen und einem verkehrspsychologischen Teil besteht und rund 400 Euro kosten soll, kann der Verkehrssünder einen Punkt tilgen – aber nur einmal innerhalb von fünf Jahren.
Gefährlich rot wird es bei 6 und 7 Punkten: Dann ergeht eine Verwarnung. Der freiwillige Besuch eines Fahreignungsseminars dient nur mehr der eigenen Bewusstseinsbildung, Punkte können damit nicht mehr getilgt werden. "Schwarz" sieht der Betroffene nun schon bei 8 – statt wie bisher 18 – Punkten. Dann ist die Fahrerlaubnis weg.
All diese Stufen sind zwingend zu durchlaufen. Erreicht beispielsweise jemand einen Stand von 6 oder 8 Punkten, ohne vorher ermahnt worden zu sein, verringert sich sein Konto auf 5 Punkte. Erreicht oder überschreitet er 8 Punkte, ohne vorher verwarnt worden zu sein, reduziert sich der Punktestand auf 7 Punkte.
Ist die Fahrerlaubnis erst einmal weg, ist der Betroffene für sechs Monate gesperrt. Erst wenn er nach dieser Zeit ein positives Fahreignungsgutachten vorlegen kann, bekommt er seine Fahrerlaubnis zurück. Erst dann – und nicht wie bisher schon bei der Entziehung – werden die Punkte im Register gelöscht (§ 4 Abs. 3 StVG n.F.).
Stärkerer Bezug zur Verkehrssicherheit
Kritisiert worden war am alten System vor allem, dass es keinen unmittelbaren Bezug zur Verkehrssicherheit mehr hatte. Mit 40 Euro und einem Punkt bedroht war etwa die Einfahrt in eine Umweltzone ohne entsprechende Plakette. Punkte brachten auch Straftaten ein wie Beleidigung oder Urkundefälschung im Straßenverkehr.
Ab dem 1. Mai 2014 müssen nun zwei Voraussetzungen vorliegen, damit es zu einer Eintragung ins Fahreignungs-Register kommt: Zum einen muss die Geldbuße die neue Eintragungsgrenze von 60 Euro erreichen, zum anderen muss es sich um eine Ordnungswidrigkeit handeln, die in der Anlage 13 zur FeV aufgelistet ist. Auch für Straftaten genügt es nicht mehr, dass sie bloß im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs stehen; sie müssen vielmehr auch in die Anlage zur FeV aufgenommen worden sein und geeignet sein, direkt die Verkehrssicherheit zu beeinträchtigen.
Für schwere Verkehrsverstöße wie Geschwindigkeitsüberschreitungen von mehr als 16 Stundenkilometer innerorts gibt es nun nach Nr. 3.2 der Anlage 13 zur FeV 1 Punkt (statt wie bisher 1 bis 4), für "besonders verkehrssicherheitsbeeinträchtigende Ordnungswidrigkeiten" wie Alkoholverstöße fallen 2 (statt 3 bis 4) Punkte an und für Straftaten wie fahrlässige Tötung (§ 222 StGB) oder Nötigung (§ 240 StGB) 3 Punkte.
Nicht mehr nachvollziehbar im alten System waren auch die Bestimmungen über die Tilgung. Eine alte Eintragung wurde nicht mehr gelöscht, wenn ein neuer Verstoß vor Ablauf der Tilgungsfrist begangen und innerhalb eines Jahres eingetragen wurde. Die Tilgung jeder Eintragung erfolgt nun streng nach Ablauf der für sie jeweils geltenden Frist, auch wenn zwischenzeitlich ein weiterer Verkehrsverstoß begangen wurde. Diese Frist wird nun allerdings für Ordnungswidrigkeiten, die mit 2 Punkten bewertet werden, von zwei auf fünf Jahre erhöht (§ 29 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2b StVG n.F.).
Was geschieht mit den alten Punkten?
Zur Überführung in das neue System müssen die vorhandenen Punktestände umgerechnet werden. Punkte für Delikte, die nach neuem Recht nicht eingetragen würden, werden komplett gelöscht (§ 65 Abs. 3 StVG n.F.). Punkte für Verkehrsverstöße, die auch nach der Reform noch bleiben, werden nach folgendem Schema eingetragen:
- 1 bis 3 alte Punkte = 1 neuer Punkt
- 4 bis 5 alte Punkte = 2 neue Punkte
- 6 bis 7 alte Punkte = 3 neue Punkte
- 8 bis 10 alte Punkte = 4 neue Punkte
- 11 bis 13 alte Punkte = 5 neue Punkte
- 14 bis 15 alte Punkte = 6 neue Punkte
- 16 bis 17 alte Punkte = 7 neue Punkte
- 18 und mehr alte Punkte = 8 neue Punkte.
Billiger wird es mit der Reform allerdings nicht werden: Statt Punkten wird nun meist ein höheres Bußgeld fällig. Das Bundesverkehrsministerium spricht dabei von "einer kompensatorischen Anhebung des Regelsatzes". So wurde beispielsweise das Bußgeld für das Fahren in Umweltzonen ohne entsprechende Plakette von 40 auf 80 Euro erhöht.
Der Autor Dr. Adolf Rebler ist Regierungsamtsrat der Regierung der Oberpfalz in Regensburg. Er ist Verfasser zahlreicher Veröffentlichungen insbesondere zum Verkehrsrecht.
Adolf Rebler, Punktereform: . In: Legal Tribune Online, 01.05.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/11833 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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