2/2: Vergleiche von Unternehmen schützen Manager nicht
Neu ist auch, dass Unternehmen durch Vergleiche mit US-Behörden zukünftig nicht mehr zugleich die Vorwürfe gegen ihre Mitarbeiter und/oder Mitglieder der Geschäftsleitung beilegen können. Damit verhindern die US-Behörden, dass Manager eine höhere Strafe für das Unternehmen akzeptieren, um selbst ungeschoren davon zu kommen. Dieses – jedenfalls aus Sicht der Anteilseigner – verständliche Ziel wird Manager und Unternehmen vor zahlreiche Folgeprobleme stellen. Vorstandsmitglieder und Geschäftsführer sind nämlich in einer janusköpfigen Rolle tätig.
Sie sollen gemäß den ihnen gesetzlich zugewiesenen Aufgaben eine möglichst niedrige Strafe für das Unternehmen aushandeln. Das mag jedoch erfordern, möglichst viel Verantwortung für das Fehlverhalten auf Einzelpersonen – z.B. sie selbst – abzuschieben. Dieser Interessenkonflikt ist auch rechtlich problematisch und könnte in bestimmten Fällen faktisch sogar dazu führen, dass Vorstandsmitglieder bzw. Geschäftsführer und Unternehmen sich bei laufenden Ermittlungen trennen müssen.
Greift die D&O-Versicherung?
Gefährlich ist für Manager auch die neue Leitlinie, dass die finanzielle Leistungsfähigkeit bei der Entscheidung, ob und in welcher Höhe US-Behörden gegen Einzelpersonen Schadensersatzforderungen festsetzen, künftig unbeachtlich sein soll. Bislang haben US-Behörden von Managern nur dann Schadensersatz gefordert, wenn sichergestellt war, dass sie die Forderung auch eintreiben konnten; etwa wenn eine Managerhaftpflichtversicherung eingriff.
Dies wird sich künftig ändern. Die Schadensersatzforderung soll nun auch Prangerwirkung haben. Yates formulierte es in ihrer Rede an der NYU drastisch: Die Schadensersatzsumme werde Teil des Lebenslaufs der Manager und sie während ihrer gesamten Karriere verfolgen.
Brisant wird dieser neue Ansatz im Zusammenspiel mit der bisherigen Vergleichspraxis der US-Behörden. Vergleiche erhalten meist unter anderem – wie ein Urteil – eine Sachverhaltsbeschreibung (Statement of Facts) sowie eine rechtliche Würdigung des Sachverhalts einschließlich der Feststellung, dass die Beschuldigten vorsätzlich gegen bestimmte US-Gesetze verstoßen haben. Ferner verpflichten sich die Beschuldigten, den tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen nicht öffentlich zu widersprechen.
Damit wollen die US-Behörden verhindern, dass die Beschuldigten die gegen sie erhobenen Vorwürfe nach Vergleichsschluss weiterhin bestreiten und behaupten, sie hätten das Schuldanerkenntnis nur unterzeichnet, um durch die Kooperation einen Strafrabatt zu erhalten. Managerhaftpflichtversicherungen greifen jedoch in der Regel nicht bei vorsätzlichen Pflichtverletzungen. Bei der Verhandlung und Formulierung des Vergleichs ist daher für Manager höchste Vorsicht geboten.
Darf das Unternehmen die Strafe des Managers übernehmen?
Die Fokussierung auf Einzelpersonen erhält für Vorstandsmitglieder von deutschen Aktiengesellschaften durch eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs aus dem Juli des vergangenen Jahres besondere Brisanz. Die Übernahme einer gegen ein Vorstandsmitglied verhängten Geldstrafe, Geldbuße oder Geldauflage durch die Aktiengesellschaft unterliegt danach engen Grenzen.
Der Aufsichtsrat muss prüfen, ob in der Handlung, die Gegenstand des Ermittlungs- oder Strafverfahrens ist, zugleich eine Pflichtverletzung gegenüber der Gesellschaft liegt. Ist dies der Fall, darf er einer Übernahme der Sanktion durch das Unternehmen nicht zustimmen. Erforderlich ist dann vielmehr ein Beschluss der Hauptversammlung.
Die Luft wird also dünner. Nachdem in den vergangenen Jahren vor allem hohe Geldstrafen gegen Unternehmen für Schlagzeilen gesorgt haben, wollen die US-Behörden bei Wirtschaftsdelikten nun Managern persönlich an den Kragen. Winterkorn und seinen Kollegen dürften angesichts der Vorliebe von US-Behörden, Exempel zu statuieren, harte Zeiten bevorstehen.
Der Autor Dr. Tobias de Raet ist Rechtsanwalt und Senior Associate bei Hengeler Mueller. Er verbringt derzeit ein einjähriges Secondment bei der US-Kanzlei Davis Polk & Wardwell LLP in New York.
US-Justizministerium nimmt Manager ins Visier: . In: Legal Tribune Online, 15.10.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17224 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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