2/2: Erste Urteile zugunsten der Reisenden
Im Februar sind nun die ersten Urteile zu dieser kontrovers diskutierten Thematik ergangen. Nach Ansicht des Amtsgerichts (AG) Hannover, bei dem derzeit etwa 700 Fälle gegen die TUI anhängig sind, stellt die massenhafte Krankmeldung der Crewmitglieder keinen außergewöhnlichen Umstand dar.
Diese Auffassung ist zutreffend und zu begrüßen. Die Frage, ob die Erkrankung eines Crewmitgliedes einen außergewöhnlichen Umstand darstellen kann, wurde bereits von einigen Gerichten entschieden.
So hatte etwa das Landgericht (LG) Darmstadt festgestellt, dass die Erkrankung eines Mitarbeiters allein in der Risikosphäre des Luftfahrtunternehmens liegt und daher keinen außergewöhnlichen Umstand darstellen könne (Urt. v. 06.04.2011, Az. 7 S 122/10). Die Krankmeldung sei dem betrieblichen Risiko zuzurechnen. Komme es durch die Erkrankung eines Mitarbeiters zu Ausfällen der planmäßigen Flüge, so stehe dies allein im Verantwortungsbereich der Fluggesellschaft. Nichts anderes gelte auch für andere Arbeitgeber, die stets mit einem krankheitsbedingten Ausfall ihrer Mitarbeiter rechnen müssten, wodurch der Betriebsablauf erheblich gestört werden kann.
Ebenso handelt es sich bei dem krankheitsbedingten Ausfall eines Mitarbeiters nicht um ein externes Ereignis: Vielmehr ist es dem Flugbetrieb immanent, da dies stets zur betrieblichen Sphäre eines Arbeitgebers gehört (vgl. LG Düsseldorf, Urt. v. 24.08. 2014, Az.: 22 S 31/14).
Etwas anderes wäre wohl nur anzunehmen, wenn die Erkrankung von einem Dritten ausgehen würde. Dies wäre etwa der Fall, wenn die massenhafte Erkrankung des Personals das Ergebnis eines terroristischen Anschlages wäre.
Auch massenhafte Krankmeldungen sind kein Streik
Die Streitfrage im Falle der zahlreichen Klagen gegen TUI kann auch nicht mit der BGH-Rechtsprechung zum Streik als außergewöhnlichen Umstand verglichen werden. Denn bei einem Streik werden die Mitarbeiter von einem Dritten, meist der Gewerkschaft, kollektiv mobilisiert und organisiert. Die Gewerkschaft gehört aber nicht zum Lager des Arbeitgebers oder dessen betrieblichen Risikosphäre, weshalb man hierbei annehmen könne, dass das Ereignis, also der Streik, von außen auf die Flugplanung einwirke.
An der Auffassung, die massenhaften Krankmeldungen dem Risiko der Airline zuzuordnen, dürfte sich auch nichts durch den Umstand ändern, dass es bei der Krankwelle bei TUI um zahlreiche Krankmeldungen von Mitarbeitern handelt - und nicht wie in den aufgeführten Urteilen nur um einzelne Mitarbeiter. Denn die betriebliche Risikosphäre ist immer noch dieselbe.
Die Gerichte haben deutlich herausgearbeitet, dass sowohl Grund als auch Art der Erkrankung keine Rolle für deren Zurechenbarkeit darstellen. Dafür spricht schon, dass die Fluggastrechte-VO vor allem das Schutzniveau und die Verbraucherrechte der Fluggäste schützen will. TUI dürfte es schwer fallen, ihr betriebliches Risiko auf die zahlreichen Fluggäste des vergangenen Herbstes abzuwälzen.
Der Autor Marcus Scholz ist Rechtsanwalt bei Haas und Partner in Bochum. Er berät Klienten zum Fluggastrecht.
Krankwelle bei TUI: . In: Legal Tribune Online, 02.03.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22243 (abgerufen am: 05.11.2024 )
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