Trends im Bestattungsrecht: Die Lie­b­lings-Oma am Ring­finger

von Torsten Barthel, LL.M.

08.09.2011

Die Zeiten, zu denen das Friedhofs- und Bestattungsrecht ein scheinbar ödes Randgebiet war, sind endgültig vorbei: Ob die "Urne zu Hause", Weltraumbestattung, Sargdiscounter, oder gar Totenasche als zu Diamant gepresstes Schmuckstück - heute scheint beinahe alles möglich. Mit den aktuellen Trends befasst sich am Donnerstag eine Fachtagung in Speyer. Von Torsten Barthel.

Früher gab es im Friedhofs- und Bestattungsrecht unumstößliche Regeln, die für die Ewigkeit gemacht schienen: Erd- und Feuerbestattung, Bestattungszwang, Friedhofszwang, deutsche Friedhofsgärtnermeister, und das Ganze solide finanziert durch das gesetzliche Sterbegeld. Vieles davon ist inzwischen Vergangenheit oder wird gerade auf den Prüfstand gestellt. Das sind die Folgen gravierender gesellschaftlicher Veränderungen, die sich auch in unserer Bestattungskultur niederschlagen.

Nicht zu Unrecht befassen sich daher die "Speyerer Friedhofstage" am Donnerstag auch mit dem "postmortalen Würdeschutz". Die Einstellungen zum Tod wandeln sich, der "Markt" reagiert und kreiert neue Bestattungsformen, die von immer mehr Bestattern und Angehörigen praktiziert werden.

Beispielhaft zu nennen sind die Schweizer Alpenbestattung, die Binnen-See-Bestattung in den Niederlanden, die Weltraum- oder All-Bestattung oder mittlerweile sogar die Diamantbestattung. Dabei wird der amorphe Kohlenstoff der Totenasche zu einem synthetischen Diamanten gepresst; dieser kann dann beliebig eingefärbt und als persönliches Schmuckstück verarbeitet werden.

Gefriertrocknungsbestattung seit 2005 in Niedersachsen erlaubt

Die Grenzziehung zwischen diesen neuen Bestattungsformen ist häufig sehr schwierig. Es wird heftig diskutiert und gestritten, was angemessen ist, was würdevoll und was schlicht und einfach neue Kundengruppen erschließen hilft. Die Kirchen vertreten eine betont pietätsbewusst-konservative Linie. Sie fürchten um Einfluss und Sonderrechte. Der Gesetzgeber jedoch testet manchmal offensiv Neues aus: Im Niedersächsischen Bestattungsgesetz zum Beispiel ist seit dem Jahr 2005 – weltweit einmalig – die in Schweden erfundene kryonische oder biblische Bestattung (zu Deutsch: Gefriertrocknungsbestattung, also die beschleunigte Zersetzung des Leichnams durch Tiefsttemperaturen*) als eine zulässige Bestattungsform verankert.

"Religionsfreiheit und Friedhofsrecht" – so heißt ein weiterer, sehr interessanter Beitrag auf der Speyerer Fachtagung, der der zunehmenden religiösen Vielfalt geschuldet ist: Immer öfter werden Bürger mit Migrationshintergrund, die oder deren Verwandte nach Deutschland eingewandert sind, auch hier bestattet. Da es sich in vielen Ballungsräumen um türkeistämmige Muslime handelt, gebietet die grundrechtlich verbürgte Religionsfreiheit, dass die Einhaltung der muslimischen Riten gewahrt bleibt.

Ein weiterer Trend ist die zunehmende Vielfalt an Bestattungsformen. Dies gilt auch für Menschen jüdischen Glaubens. Sowohl die Bestattungsgesetze mit ihren Ausnahmeregelungen als auch die "geräuschlose" Praxis der zuständigen Behörden geben wenig Anlass zu Beanstandungen.

EU-Recht befeuert Wettbewerb mit ausländischen Bestattern

Auch wenn es ihn noch gibt, den klassischen Gemeindefriedhof mit seinen eintönigen Reihen- und Wahlgräbern zum Einheitspreis – es genügt ein Blick in die monatliche Fachzeitschrift "Friedhofskultur" um zu sehen, wie stark der Trend hin zu mehr Vielfalt geht: Im Luxussegment erlebt die Familiengruft zu Investitionskosten von 50.000 Euro und mehr einen Aufschwung, angebotene Bauplätze auf dem Friedhof sind schnell "ausverkauft". Im unteren "Sozialsegment" erfreuen sich als Folge der Auflösung traditioneller Familienverbünde anonyme Bestattungsplätze in der Urnengemeinschaftsanlage und "Discount-Einäscherungen" steigender Nachfrage: "Warum nach dem Tode mehr Gewese als im früheren bedeutungslosen Leben?" so lautet hier die Devise.

Dazwischen liegt die bürgerlich-moderne Mitte: Rechtlich ohne Weiteres zulässig, pietätvoll, bezahlbar, pflegeleicht, ökologisch korrekt und zeitgemäß erscheint vielen eine Natur-, Wald- oder Baumbestattung. Immer mehr private Investoren ("Friedwald", "Ruheforst"), aber auch gemeindliche Träger, vermarkten erfolgreich derartige Angebote, bei denen die Urnen der Familie unter einem Baum beigesetzt werden, den man sich zuvor ausgesucht hat. Relativ neu sind so genannte Kolumbarien, zum Beispiel in Berlin oder Hamburg): Dabei handelt es sich um sehr große Urnenstelenanlagen in eigens gebauten oder umgebauten Gebäuden, in denen jeweils hunderte und in Zukunft tausende Urnen untergebracht werden können.

Da eine Leiche als "Sache" der Warenverkehrsfreiheit des EU-Rechts unterliegt, ist ihre Ausfuhr rechtlich unproblematisch. Damit stehen Krematorien im Ausland offen, und der deutsche Bestattungspflichtige kann sich frei entscheiden, ob er vom liberaleren Recht anderer Länder Gebrauch macht und etwa in Polen oder Tschechien den Toten einäschern und in der Slowakei die Urne mit der Asche beisetzen lassen möchte. Auch können ausländische Dienstleister nach der EU-Dienstleistungsrichtlinie legal auf deutschen Friedhöfen tätig werden. Dies hat zu einem stärken Wettbewerb geführt, der den Kunden die eine oder andere Einsparmöglichkeit bringt.

Weil das EU-Recht immer stärkeren Einfluss auf das deutsche Verwaltungsrecht nimmt, kann man wohl eine weitere und zunehmende Liberalisierung und Privatisierung von Bestattungsleistungen – im Spannungsfeld zu Tradition und Pietät – erwarten. Sicher ist, dass "die Lieblings-Oma am Ringfinger" jedenfalls momentan noch nicht der Megatrend ist.

Torsten F. Barthel, LL.M., ist Rechtsanwalt in Berlin und spezialisiert auf das Friedhofs- und Bestattungsrecht. Er hat Kommentare zu mehreren Bestattungsgesetzen verfasst.

* Anmerkung der Redaktion: Der Einschub wurde aus sachlichen Gründen nachträglich korrigiert.

 

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Zitiervorschlag

Torsten Barthel, Trends im Bestattungsrecht: . In: Legal Tribune Online, 08.09.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/4235 (abgerufen am: 20.11.2024 )

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