85 Prozent der Täter kamen von Militär oder Polizei
Die Täter konnten in über der Hälfte aller Fälle nicht ermittelt werden; wo dies gelang, entstammten sie mit großer Mehrheit (65 Prozent) dem Militär, zum zweitgrößten Teil der Polizei (20 Prozent). Nicht nur für Olalia ist klar, dass die Regierung der Philippinen den Taten zu lasch nachgeht. Auch internationale Beobachter wie Hans Gaabeek, der Vizepräsident der European Democratic Lawyers (EDL), oder Thomas Schmidt, der Generalsekretär der European Association of Lawyers for Democracy and World Human Rights (ELDH), bestätigen, dass es nur in wenigen Fällen zu Konsequenzen kam, die zudem oft den Eindruck von Bauernopfern erweckten. Wo im Einzelfall die Grenze zwischen inkompetenter Verfolgung, stillschweigender Duldung oder gar ausdrücklicher Anordnung der Verbrechen verläuft, lasse sich kaum mit Bestimmtheit sagen.
Mit dem "Tag des bedrohten Anwalts" am 23. Januar wollen die Vereinigungen von Schmidt und Gaasbeek sowie weitere Beteiligte ein Bewusstsein wecken für die teils katastrophalen Bedingungen, unter denen ihre Kollegen in anderen Ländern arbeiten müssen. Ab 14 Uhr findet eine Kundgebung vor der philippinischen Botschaft in Berlin, ab 12 Uhr eine vor dem philippinischen Konsulat in Essen statt.
In früheren Jahren standen Kolumbien, die Türkei oder Spanien im Fokus der Aktion, für das laufende Jahr waren auch (Weiß-)Russland und Honduras im Gespräch. Den Ausschlag für die Philippinen gab die bereits seit Jahrzehnten schlechte und unter der seit 2010 amtierenden Regierung von Benigno Aquino III. trotz gegenteiliger Versprechen sogar noch weiter verschlechterte Lage im Land.
Anwälte als Widerstandswall gegen das Unrecht
Der Fokus speziell auf Anwälte hat neben einem gewissen berufsständisch vermittelten Zusammenhalt durchaus auch strategische Gründe: In Nationen, die irgendwo zwischen Rechts- und Unrechtsstaat umhertaumeln, ist es gerade eine funktionierende Justiz und sind es mutige Anwälte, die den Ausschlag in Richtung Rechtsstaat geben können. Gelingt es umgekehrt, die Juristen mundtot zu machen, ist damit oft der letzte Widerstand gegen die Durchsetzung auch des größten Unrechts überwunden.
Und nicht alle sind mit Olalias stoischer Entschlossenheit gesegnet: Gerade unter den jungen Juristen des Landes werde es schwerer, Begeisterung für Menschenrechte zu wecken, sagt er. Sie wollen ihre Kanzlei nicht im Sarg verlassen. Auch das ist verständlich.
Was die Möglichkeiten grundlegender Veränderung betrifft, herrscht bei den Organisatoren des Tags des bedrohten Anwalts eher Zurückhaltung als Optimismus: Man müsse eben der stete Tropfen sein und hoffen, dass der Stein schon irgendwann nachgebe. Im Kleinen ist Olalia sich jedoch sicher, dass die Kritik durch Regierungen und NGOs auch heute schon Früchte trägt. "Die Morde in unserem Land hören deshalb nicht auf – aber sie werden auch nicht ganz so leichtfertig begangen. Es hilft, wenn die Verantwortlichen wissen, dass sie beobachtet werden. Ohne die internationale Aufmerksamkeit hätte es vielleicht hunderte weitere Tote gegeben, vielleicht tausende."
Constantin Baron van Lijnden, Tag des bedrohten Anwalts 2015: . In: Legal Tribune Online, 22.01.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14459 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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