Kurz vor der Sommerpause erhitzt der Verkauf von Kampfpanzern nach Saudi-Arabien die Gemüter im Berlin. Überraschenderweise weiß auch der Bundestag nicht offiziell, ob die Aktion überhaupt genehmigt wurde. Dass die Regierung trotzdem weiterhin auf die Geheimhaltung des Beschlusses im Bundessicherheitsrat pocht, ist verfassungsrechtlich kaum haltbar. Von Sebastian Roßner.
Der Bundessicherheitsrat steht selten im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses, und wenn, dann meist im Zusammenhang mit umstrittenen Rüstungsexporten.
Entstanden ist das Gremium im Zusammenhang mit der Wiederbewaffnung der Bundesrepublik Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg: Durch Kabinettsbeschluss vom 6. Oktober 1955 wurde der Bundesverteidigungsrat geschaffen. Seine Aufgabe lag in der politischen Koordinierung der mit der Landesverteidigung verbundenen Aufgaben auf Regierungsebene.
Am 7. Juni 1968 dann wurde der Bundesverteidigungsrat in Bundessicherheitsrat umbenannt - wohl als Ausdruck der vom neuen Bundeskanzler Willy Brandt eingeleiteten Entspannungspolitik und nicht zufällig an demselben Tag, an dem die Bundesregierung beschloss, dem Kernwaffensperrvertrag beizutreten.
Seit neunziger Jahren Rüstungsexporte Hauptthema für Bundessicherheitsrat
Von Anfang an gehörten dem Gremium der Bundeskanzler als Vorsitzender, der Außen-, der Verteidigungs, der Finanz-, der Innen- und der Wirtschaftsminister als ständige Mitglieder an. 1985 traten der Justizminister, 1998 unter der rot-grünen Bundesregierung dann noch der Chef des Bundeskanzleramtes und der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung hinzu.
Diese Erweiterung des Mitgliederkreises signalisierte auch, dass sich der Tätigkeitsschwerpunkt des Bundessicherheitsrates verlagert hatte: Standen in den ersten Jahren die Probleme rund um den Aufbau der Bundeswehr und später dann Fragen der allgemeinen Sicherheits- und Verteidigungspolitik im Zentrum, rückten spätestens ab den neunziger Jahren die Rüstungsexporte in den Mittelpunkt. Der Aufstieg des Entwicklungshilfeministers zu einem ständigen Mitglied des Bundessicherheitsrates markiert dabei den politischen Willen, Rüstungsexporte auch von der Menschenrechtslage in dem Empfängerland abhängig zu machen.
Als ständiger Ausschuss der Bundesregierung ist der Bundessicherheitsrat weder in der Verfassung, in sonstigen Gesetzen, noch in der Geschäftsordnung der Bundesregierung (GO BReg) erwähnt. Vielmehr wurde das Gremium kraft der Organisationskompetenz der Bundesregierung eingerichtet.
Was "geheim" ist, entscheidet der Bundeskanzler
Was gilt nun für die Genehmigung der Ausfuhr von Kriegswaffen? Zunächst konstituiert Art. 26 Abs. 2 Grundgesetz (GG) eine Zuständigkeit der Bundesregierung. Das Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen (KrWaffKontrG) lässt davon eine Abweichung zu, über deren Verfassungsmäßigkeit allerdings gestritten wird: Gemäß § 4 Abs. 2 KrWaffKontrG in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Erste Verordnung zur Durchführung des KrWaffKontrG ist regelmäßig das Bundeswirtschaftsministerium für eine Ausfuhrgenehmigung zuständig. Für den Verkauf der Leopard 2-Kampfpanzer an Saudi-Arabien müsste also Philipp Rösler grünes Licht geben.
Der Bundessicherheitsrat kann dagegen lediglich Empfehlungen aussprechen, nicht aber selbständig Entscheidungen treffen. Allerdings wird er in politisch schwierigen Rüstungsexportentscheidungen regelmäßig eingeschaltet und fasst dann mit einer Empfehlung den faktisch maßgeblichen Beschluss. Denn die Abstimmung in diesem Gremium signalisiert dem fachlich zuständigen Minister die Bereitschaft des Kanzlers und der Ressortkollegen, die Entscheidung mitzutragen. Die Bedeutung von Beschlüssen des Bundessicherheitsrates rührt also aus dem politischen Gewicht seiner Mitglieder und nicht aus seinen rechtlich fixierten Kompetenzen.
Die Sitzungen dieses Gremiums sind insgesamt als geheim eingestuft. Dies betrifft neben der Tagesordnung, dem Abstimmungsverhalten der einzelnen Mitglieder und den Beschlüssen sogar die Sitzungstermine. Verstöße gegen die Geheimhaltungspflicht können nach §§ 203; 335b Strafgesetzbuch strafrechtlich verfolgt werden. Allerdings kann der Bundeskanzler Veröffentlichungen zulassen, § 22 Abs. 3 S. 2 GO BReg.
Die Einstufung als "geheim" ist also von der politischen Einschätzung des Regierungschefs abhängig. Ob es angesichts der durchgesickerten Informationen über das Waffengeschäft mit den Saudis für das Regierungslager noch opportun ist, sich einfach hinter der angeordneten Geheimheit zu verstecken, kann man dabei mit Fug und Recht bezweifeln.
BVerfG: Informationsanspruch des Parlaments kann begrenzt sein
Die über den Einzelfall hinaus entscheidende Frage ist aber, ob der Bundestag einen rechtlich durchsetzbaren Informationsanspruch gegenüber der Bundesregierung hat. Immerhin gehört die Kontrolle der Regierung zu den wesentlichen Aufgaben des Parlaments. Dafür steht dem Bundestag eine Reihe von Instrumenten zu Verfügung, angefangen mit dem Recht nach Art. 43 GG, Mitglieder der Bundesregierung zur Anwesenheit bei Plenar- und Ausschusssitzungen zu verpflichten, über das Recht zur Einsetzung von Untersuchungsausschüssen nach Art. 44 GG und den Großen und den Kleinen Anfragen nach §§ 100 ff. Geschäftsordnung des Bundestages (GO BT), bis hin zu einer Befragung der Bundesregierung, § 106 Abs. 2 GO BT.
Dem Informationsanspruch des Bundestages sind aber Grenzen gesetzt, die sich auf zwei Gründe zurückführen lassen.Zunächst kann eine Begrenzung des Anspruchs aus dem Gewaltenteilungsprinzip folgen, das in Art. 20 Abs. 2 S. 2 und Abs. 3 GG enthalten ist. Danach hat die Regierung als Teil der ausführenden Gewalt gegenüber dem Parlament als Kern der Legislative einen Bereich exekutiver Eigenverantwortung, zu dem nach Art. 26 Abs. 2 GG auch die Genehmigung von Rüstungsexporten gehört.
Dies bedingt einen Bereich der Beratung und Willensbildung innerhalb der Regierung, der nicht durch das Parlament ausforschbar ist. Wie das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 17. Juni 2009 (Az. 2 BvE 3/07) formuliert, darf es nicht zu einem "Mitregieren Dritter bei Entscheidungen" kommen, "die in der alleinigen Kompetenz der Regierung liegen." Damit scheidet ein Informationsanspruch des Parlaments in der Regel aus, solange die fragliche Regierungsentscheidung noch nicht getroffen ist, sondern noch vorbereitet wird.
Vertrauliche Informationen anderer Staaten wären Grund für Geheimhaltung
Wesentlich stärker ist das Recht des Bundestages auf Unterrichtung, wenn es sich um abgeschlossene Vorgänge handelt. Hier setzt der Grundsatz der Gewaltenteilung nur Grenzen, wenn eine Information des Parlaments derartige Vorwirkungen auf künftige Entscheidungen der Regierung entwickeln würde, dass diese in ihrer selbständigen Funktion beeinträchtigt wäre.
Daneben kann eine Begrenzung des parlamentarischen Informationsrechts auch aus dem Staatswohl folgen, das durch ein Bekanntwerden bestimmter Informationen in Gefahr geraten könnte. Allerdings ist das Wohl des Staates durch die Verfassung nicht allein der Bundesregierung, sondern ebenso dem Bundestag anvertraut. Die Bundesregierung kann sich also gegenüber dem Bundestag grundsätzlich nicht auf das Staatswohl berufen, falls der Bundestag seinerseits geeignete Maßnahmen zu Geheimhaltung der Informationen trifft.
Was heißt das für den Leopardenexport nach Saudi-Arabien? In erster Linie: Eine allumfassende Geheimhaltung gegenüber dem Bundestag ist verfassungsrechtlich nicht statthaft. Dem Bundestag dürfen ohne eine verfassungsrechtlich tragfähige Begründung Informationen nicht vorenthalten werden, die er für die politische Kontrolle der Regierung benötigt. Eine solche Begründung muss auf die Umstände des Einzelfalles eingehen.
So sind zwar die Beratungen und das Abstimmungsverhalten im Bundessicherheitsrat wohl vor Ausforschung durch den Bundestag sicher. Die Entscheidung über den Export selber aber kann kaum in verfassungsgemäßer Weise vor dem Parlament geheimgehalten werden. Gleiches gilt auch für die Begründung der Entscheidung. Allerdings kann eine Information des Bundestages vom Ergreifen geeigneter Maßnahmen zum Geheimschutz abhängig gemacht werden, falls daran ein begründetes Interesse des Staates gegeben ist. Dieses könnte etwa in Vertraulichkeit von Informationen bestehen, die Deutschland von seiten befreundeter Staaten, etwa der von Israel oder den USA, übermittelt worden sind.
Der Autor Dr. Sebastian Roßner ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Rechtstheorie und Rechtssoziologie an der Heinreich-Heine-Universität Düsseldorf.
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Sebastian Roßner, Streit über Panzer-Deal: . In: Legal Tribune Online, 12.07.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/3723 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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