2/2: Eingreifen von Polizei und Staatsanwaltschaft beeindruckt Täter
Freudenberg sieht die Probleme in der Strafverfolgung aber ohnehin eher in der Praxis. Sie kritisiert, dass Stalking oft nicht als solches erkannt werde: "Notwendig wären Schulungen und eine intensivere Strafverfolgung." Die Staatsanwaltschaften bräuchten Sonderdezernate, um auch langwierige Fälle zu verfolgen. Aber auch Polizisten, Anwälte und Richter müssten sich entsprechend fortbilden und schnell eingreifen. Oft beeindruckt es die Täter, wenn sie von der Polizei angesprochen werden oder wenn die Staatsanwaltschaft eingeschaltet wird.
Im Fall von S. wurde dem Täter schon im Herbst 2010 gerichtlich untersagt, Kontakt zu ihr aufzunehmen. Er hielt sich nicht daran und kam schließlich wegen Verstoßes gegen das Gewaltschutzgesetz für vier Wochen in Ordnungsarrest. Trotzdem klingelte bei S. das Telefon. Der Mann rief sogar aus der Haftanstalt bei ihr an, schrieb weiterhin Briefe. "Da gibt es weiter Telefonanrufe, da funktioniert die Postkontrolle nicht – man fragt sich schon, wie ernst das genommen wird", kritisiert Anwältin Giencke. Sie betont, es sei wichtig, dass die Behörden frühzeitig eingreifen: "Ich habe das Gefühl, das Stalking wird sonst zu einer Art Gewohnheit für die Täter. Es gehört dann schon zum normalen Tagesablauf, morgens mal eben fünf SMS zu schreiben."
Beratungsstelle für Opfer – und Täter
Wolf Ortiz-Müller sagt es so: "Erst, wenn der Täter aufhört, hat das Opfer Ruhe." Er leitet "Stop Stalking", eine Beratungsstelle in Berlin. Hier können Stalking-Opfer erfahren, wie sie sich schützen können. Aber auch die Täter können sich an die Beratungsstelle wenden – und lernen, mit dem Stalking aufzuhören. "Stalker leiden oft unter einem niedrigen Selbstwertgefühl", erklärt Ortiz-Müller. "Viele haben ihre sozialen Kontakte vernachlässigt und sich völlig auf die Person, die sie stalken, kapriziert." Die Telefonnummer der Ex-Freundin löschen, sich für das Wochenende mit Freunden verabreden, im Notfall bei der Krisenberatung anrufen, anstatt eine E-Mail abzuschicken. "Stop Stalking" soll die Täter dazu bringen, ihr Verhalten zu beobachten und zu verändern, manchmal hilft eine Therapie.
Effektivere Strafverfolgung bleibt trotzdem wichtig. "Stalking berührt einen Kernbereich des Strafrechts, da geht es um Leben, körperliche Unversehrtheit, Freiheit, Würde", sagt Ortiz-Müller. "Deshalb ist das ja auch richtig, dass dieses Verhalten strafbar ist." Für die Opfer gilt allerdings: Hauptsache, es hört endlich auf.
Annelie Kaufmann, Reformvorschlag zu Stalking-Paragraph: . In: Legal Tribune Online, 14.06.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/12263 (abgerufen am: 01.11.2024 )
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