Das Bundesjustizministerium will gesetzlich normieren, dass Journalisten Dienstgeheimnisse veröffentlichen dürfen, ohne dass Ermittlungen wegen des Verdachts der Beihilfe zum Geheimnisverrat gegen sie eingeleitet werden. Klingt gut, klingt nach Pressefreiheit – und klingt verdächtig bekannt. Was dahinter steckt und warum Anwälte und Richter den Entwurf ablehnen, erklärt Martin W. Huff.
Mit seinem Cicero-Urteil vom 27. Februar 2007 (Az. 1 BvR 538/06 u.a.) hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die Rechte von Journalisten deutlich gestärkt. Anlass des Rechtsstreits war ein Artikel des Journalisten Bruno Schirra, der für einen Artikel im "Cicero" aus einem vertraulichen BKA-Papier über einen Terroristen zitiert hatte. Die Verfassungsbeschwerde des Chefredakteurs gegen die daraufhin erfolgte Durchsuchung der Redaktionsräume der Monatszeitschrift war erfolgreich. Die Karlsruher Richter entschieden, dass die bloße Veröffentlichung eines Dienstgeheimnisses im Sinne des § 353b StGB durch einen Journalisten nicht ausreicht, um wegen des Verdachts der Beihilfe zum Geheimnisverrat gegen ihn zu ermitteln.
Jetzt möchte Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger die Feststellungen des BVerfG in Gesetzesform gießen. Sie hat daher den Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Pressefreiheit im Straf- und Strafprozessrecht (PrStG) vorgelegt. Doch gerade bei Juristen stößt die Initiative der Justizministerin auf Ablehnung.
Der Gesetzentwurf sieht die Schaffung eines § 353b Abs. 3a Strafgesetzbuch (StGB) und eine Änderung des § 97 Abs. 5 S. 2 Strafprozessordnung (StPO) vor. Danach soll im Strafgesetzbuch formuliert werden: "Beihilfehandlungen einer in § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 StPO genannten Person sind nicht rechtswidrig, wenn sie sich auf die Entgegennahme, Auswertung oder Veröffentlichung des Geheimnisses oder des Gegenstands oder der Nachricht, zu deren Geheimhaltung eine besondere Verpflichtung besteht, beschränken".
Für die Beschlagnahme von Gegenständen bei Journalisten soll die Schwelle angehoben werden, die strafprozessrechtliche Vorschrift soll einen "dringenden Verdacht der Beteiligung" voraussetzen.
Rechtssicherheit vs. Symbolcharakter
Das Ministerium, so der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesjustizministerium Dr. Max Stadler auf einer Veranstaltung vor Journalisten und Medienanwälten, vertritt die Auffassung, dass die Entscheidung des BVerfG zum Schutz der Pressefreiheit nicht ausreicht. Denn selbst wenn es sich um Leitentscheidungen des BVerfG handelt, führen diese nicht zu absoluter Rechtssicherheit.
Diese sei nur durch eine Gesetzesänderung gewährleistet, die den Streitfall der Beihilfe ausdrücklich zu Gunsten der Journalisten regelt. "Wir müssen hier im Sinne der Pressefreiheit klarstellen, dass die Beihilfe nicht gegeben ist, egal, ob sie nach der Vollendung oder Beendigung der Tat vorliegen kann", meint Stadler.
Aber während das Bündnis der Medienverbände und –unternehmen sowohl von Journalisten- als auch auf Verlegerseite die geplante Neuregelung begrüßt, lehnt der Strafrechtsausschuss der Bundesrechtsanwaltskammer den Gesetzentwurf ab. So seien Sonderregelungen für Journalisten nicht erforderlich, gerade was einen Ausbau der strafprozessualen Möglichkeiten betrifft. Jede weitere Privilegierung von Medienangehörigen, so der Ausschuss, würde das verfassungsrechtliche Gefüge, in dem sich die Pressefreiheit befindet, zum Nachteil des Interesses an einer effektiven Strafverfolgung sowie zum Nachteil der Persönlichkeitsrechte des Beschuldigten beeinträchtigen oder sogar aus der Balance bringen, kommentieren die führenden deutschen Strafverteidiger das Vorhaben.
Ähnlich sieht es auch der Deutsche Richterbund in seiner Stellungnahme. Denn schon das geltende Recht – in der Auslegung des Bundesverfassungsgerichts – trage dem Ausgleich der verschiedenen Interessen hinreichend Rechnung. Die von Leutheusser-Schnarrenberger vorgeschlagene Regelung habe "letztlich nur Symbolcharakter" und könne in Zukunft mehr Fragen aufwerfen als bisher. So etwa bei dem Merkmal, in welcher Eigenschaft jemandem Geheimnisse bekannt werden als.
Ermittlungsverfahren schon jetzt kaum vorstellbar – es ist alles geklärt
Die Bedenken von Bundesrechtsanwaltskammer und Deutschem Richterbund sind sehr nachvollziehbar. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts sind Streitfragen, die es bis dahin gab, geklärt. Es ist kaum vorstellbar, dass jetzt ein Staatsanwalt ein Ermittlungsverfahren gegen Journalisten einleitet, die vertrauliche Dokumente veröffentlichen. Darauf werden auch schon die Generalstaatsanwälte als Aufsichtsbehörden achten.
Verfahren wird es nur geben – und dies zu Recht -, wenn Journalisten sich aktiv an einem Verstoß gegen § 353b StGB beteiligten, etwa in Form der Anstiftung, Mittäterschaft und der Beihilfe. Die bloße Veröffentlichung ist auf jeden Fall nicht strafbar. Entgegen der Auffassung der Medienverbände behindert die bisherige Rechtslage den aktiven investigativen Journalismus nicht.
Der Bundesrat hat in seiner Sitzung vom 15. Oktober 2010 von einer Stellungnahme abgesehen, nachdem der Rechtsausschuss sich zuvor noch mit ähnlichen Gründen wie die Juristenverbände gegen das Vorhaben ausgesprochen hatte.
Jetzt wird mit Spannung erwartet, wie die Diskussionen im Deutschen Bundestag verlaufen werden. Bei allem ist zu hoffen, dass es Ermittlungsverfahren wie im Fall Schirra und Cicero nicht mehr geben wird.
Der Autor Martin W. Huff ist Rechtsanwalt und Journalist in Leverkusen sowie Lehrbeauftragter für Medienrecht an der Fachhochschule Köln.
Martin W. Huff, Stärkung der Pressefreiheit: . In: Legal Tribune Online, 12.11.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/1921 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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