Social-Media-Plattformen sind kein rechtsfreier Raum. Ein Schweizer Gericht hat einen Nutzer nun wegen eines Likes strafrechtlich verurteilt. Den Fall, die deutsche Rechtslage und damit einhergehende Probleme erläutert Stephan Dittl.
Nicht erst seitdem Bundesjustizminister Heiko Maas für die Einführung eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken (NetzDG) wirbt stellen persönlichkeitsrechtverletzende Inhalte auf Facebook, Twitter & Co ein Problem dar: Manche Beiträge erfüllen sogar Strafrechtstatbestände wie Beleidigung, Verleumdung oder Volksverhetzung.
Gerade weil Social-Media-Plattformen die Verbreitung von Beiträgen anderer durch Funktionen wie "Teilen", "Gefällt mir" (Like) oder "Kommentieren" fördern, besteht die Gefahr, dass sich das Ausmaß der Beeinträchtigung des Betroffenen potenziert: Wenn er gegen den Verfasser des Ausgangsbeitrags vorgeht, ist es angesichts der viralen Verbreitung häufig schon zu spät. Das wirft die Frage auf, ob auch die Weiterverbreiter Konsequenzen zu befürchten haben.
Das Bezirksgericht Zürich hat diese Frage kürzlich bejaht und einen Facebook-Nutzer wegen des Likens eines ehrverletzenden Beitrags zu einer Geldstrafe verurteilt. Der Nutzer habe hierdurch die ehrverletzenden Inhalte befürwortet und sich zu eigen gemacht, heißt es in der Pressemitteilung zum Urteil. Daher sei es nicht ausschlaggebend, dass der Beitrag nicht von dem Nutzer selbst stamme.
Der Facebook-Nutzer hat gegen dieses Urteil Berufung eingelegt. Es bleibt also abzuwarten, ob das Urteil Bestand haben wird. Im Rahmen des Berufungsverfahrens könnte dem Nutzer allerdings zum Verhängnis werden, dass er laut einem Bericht des Tages-Anzeigers vor Gericht ausgesagt hat, er befürworte den Inhalt des Beitrags und wollte diesen mit dem Like bewusst weiterverbreiten. Dieses Geständnis dürfte gerade in einem strafrechtlichen Verfahren eher selten sein.
Liken oder Teilen – ein wichtiger Unterschied
Ein solches strafrechtliches Verfahren hat es in Deutschland noch nicht gegeben. Zivilrechtliche Entscheidungen existieren jedoch bereits:
So hatte das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt in einem einstweiligen Verfügungsverfahren die Funktion des Teilens zu bewerten. Es entschied, dass sich der Nutzer den geteilten Beitrag gerade nicht zu eigen mache und die bloße Weiterverbreitung irrelevant sei; anders könne der Fall liegen, wenn sich der Nutzer beispielsweise durch die Verwendung der Like-Funktion mit dem Beitrag identifiziere (Urt. v. 26.11.2015, Az. 16 U 64/15).
Das OLG Dresden hat sich erst kürzlich der Auffassung des OLG Frankfurt angeschlossen und ebenfalls zwischen Teilen und Like unterschieden (Urt. v. 07.02.2017, Az. 4 U 1419/16).
Das Landgericht (LG) Hamburg hat dagegen in einem wettbewerbsrechtlichen Verfahren entschieden, dass es sich bei der Funktion des Gefällt-mir-Knopfes lediglich um eine unverbindliche Gefallensäußerung handele. Über die Motive und Hintergründe des Nutzers erfahre man nämlich nichts, dafür seien gerade die Kommentierungs-Funktionen vorgesehen (Urt. v. 10.01.2013, Az. 327 O 438/11).
So wird deutlich, dass eine pauschale Einordnung der verschiedenen Interaktionsmöglichkeiten auf Social-Media-Plattformen nicht möglich ist. Vielmehr ist es stets erforderlich, unter Berücksichtigung der technischen Funktionsweise und des jeweiligen Zusammenhangs zu bewerten, was der Nutzer zum Ausdruck bringen wollte. Das folgt schon aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts: Zum Schutz der Meinungsfreiheit müssen Gerichte danach bei der Auslegung einer Äußerung immer deren Kontext heranziehen.
Social Media und die Verbreitung von Beiträgen anderer: . In: Legal Tribune Online, 10.06.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23154 (abgerufen am: 06.11.2024 )
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