2/2: Die Sorgen der Präsidenten
In der Landesjustiz gibt es zwar deutlich mehr Konkurrentenklagen. Doch dort kann man sich mit landesinternen Abordnungen helfen und die entstandenen Lücken provisorisch füllen. Die blockierten Stellen an Bundesgerichten bleiben dagegen wirklich frei. Und da meist gleich die ganze Riege der für ein Gericht gewählten neuen Richter blockiert ist, sind die so entstehenden Lücken schnell sehr schmerzhaft.
Die Präsidenten und Präsidentinnen der fünf obersten Bundesgerichte bitten deshalb die Politik um Hilfe. Eine Maßnahme könnte sein, solche Konkurrentenklagen am Bundesverwaltungsgericht zu konzentrieren. Zum einen wäre der Rechtsweg auf eine Instanz verkürzt, was das Verfahren beschleunigen würde. Zum anderen könnte - weil immer die gleichen Richter zuständig wären - mit einheitlichem Maßstab und mehr Erfahrung entschieden werden. Derzeit bestimmt sich das zuständige Verwaltungsgericht nach dem Dienstort des klagenden Richters. Es können damit alle VGs in Deutschland mit solchen Klagen befasst sein.
Die Zuständigkeitskonzentration am BVerwG könnte dann auch für die ebenfalls zunehmenden Konkurrentenklagen um Vorsitzendenstellen an Bundesgerichten gelten. Diese sind zwar anders gelagert, denn mit der Auswahl der Vorsitzenden hat der Richterwahlausschuss nichts zu tun. Sie werden vielmehr von der Bundesregierung bestimmt, je nach Gericht auf Vorschlag des Justizministers oder der Sozialministerin. Die Entscheidung fällt dabei auf der Grundlage von Anlass-Beurteilungen der jeweiligen Gerichtspräsidenten. Es geht also um echte Bestenlauslese. Doch auch hier würde nach Auffassung der Präsidenten eine Konzentration der Klagen Sinn machen.
Am bekanntesten wurde die Klage des BGH-Richters Thomas Fischer gegen seine Beurteilung durch den damaligen BGH-Präsidenten Klaus Tolksdorf. Es gab letztlich keine gerichtliche Klärung. Vielmehr beendete die seinerzeitige Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) 2013 den Streit, indem sie die Beurteilung Tolksdorfs überging und Fischer einfach als Vorsitzenden vorschlug.
Derzeit sind an den Bundesgerichten fünf Vorsitzendenstellen durch Konkurrentenklagen blockiert, davon drei am Bundessozialgericht und je eine am Bundesfinanzhof und am Bundesgerichtshof.
Skepsis der Politik
Die Zuständigkeitskonzentration würde eine Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung erfordern. Justizminister Heiko Maas (SPD) hat sich die Idee zwar noch nicht zu eigen gemacht, will das Problem aber im Auge behalten.
In der Politik ist allerdings auch deutliche Skepsis gegen die zunehmenden Klagen im Zusammenhang mit den Richterwahlen zu spüren. Konkurrentenklagen gegen Entscheidungen des Richterwahlausschusses gelten als systemfremd. "Wir sollten uns überlegen, das Verfahren der Präsidialratsvoten zu überdenken", so Elisabeth Winkelmeier-Becker, die rechtspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestags-Fraktion, "wenn diese das Vehikel für Klagen gegen demokratische Entscheidungen bilden."
Im Richterwahlausschuss haben viele Angst, dass sie bald nur noch die Rankings der Präsidialräte umsetzen können, ohne eigene Entscheidungsbefugnis. Zum einen gibt es eine gewisse Skepsis gegenüber den Präsidialräten, deren Voten auch nicht immer frei von Interessen sein müssen. So stand im Fall Neskovic der Vorwurf im Raum, dieser sei vom BGH-Präsidialrat nicht wirklich wegen seiner fehlenden OLG-Erfahrung abgelehnt worden, sondern eher wegen seinen drogenpolitischen Positionen. Vor allem aber müsse der Ausschuss das Gesamtergebnis im Auge behalten: den Proporz der Regionen und Geschlechter sowie den weltanschaulichen und politischen Pluralismus der Bundesgerichte. Im Vorfeld der Sitzung des Richterwahlausschusses werden daher von den Unterhändlern der großen Parteien Pakete geschnürt, die dann am Wahltag mit großer Mehrheit durchgewählt werden.
In der Koalition wird derzeit auch eine Änderung des Richterwahlgesetzes diskutiert, die den Wahlakt begrifflich mehr betonen soll, um so den Zugriff von Gerichten zu erschweren. Die Positionen der Politiker sind mit dem Wunsch der Gerichtspräsidenten nach Beschleunigung allerdings durchaus vereinbar. Auch wenn die Paketbildung des Richterwahlausschusses allenfalls auf pure Willkür überprüfbar erscheint, so sollte doch auch der Ausschuss ein Interesse haben, dass solche - in der Regel erfolglose - Klagen schnell abgewickelt werden können und die Gerichte nicht übermäßig belasten. Klagen, die sich vor allem gegen die Voten der Präsidialräte wenden, können dagegen eher sinnvoll sein. Sie stellen aber die Auswahlmöglichkeit des Richterwahlausschusses nicht in Frage. Denn die gerichtliche Überprüfbarkeit der Voten macht sie für die Politik noch lange nicht verbindlich.
Christian Rath, Konkurrentenklagen und Richterwahlausschuss: . In: Legal Tribune Online, 05.03.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14863 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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