Die Überarbeitung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes steht kurz vor dem Abschluss. Doch die neuen Regelungen zu Equal Pay und Höchstüberlassungsdauer sind vor allem eines: Mogelpackungen, meint Thomas Leister.
Anfang Juni 2016 hat die Große Koalition nach langen Vorarbeiten und heftiger Kritik ihren Gesetzentwurf für eine schärfere Regulierung und Bekämpfung des Missbrauchs von Zeitarbeit und Werkverträgen beschlossen. Erstmals wird die von der Rechtsprechung entwickelte Differenzierung zwischen abhängiger und selbstständiger Tätigkeit gesetzlich festgelegt. Dass die Ziele hiermit wirklich erreicht werden, ist allerdings zweifelhaft.
Wichtigste Neuerung im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) ist die gesetzliche Regelung zum Grundsatz Equal Pay – also gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Damit sollen Zeitarbeitsnehmer künftig nach spätestens neun Monaten den gleichen Lohn wie die Stammbelegschaft erhalten. Gilt für das Arbeitsverhältnis ein (Branchen-) Zuschlagstarifvertrag, besteht der Anspruch auf Equal Pay allerdings erst nach einer Einsatzdauer von 15 Monaten.
Arbeitgebern beschert dies neben höheren Gehaltskosten mehr Verwaltungsaufwand. Zeitarbeitsunternehmen drohen gar gravierende Konsequenzen bis hin zum Entzug der Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung, falls Equal Pay nicht richtig berechnet wird.
Dauerhafter Einsatz von Zeitarbeitnehmern bleibt möglich
Ein weiterer wichtiger Baustein ist die Einführung einer Überlassungshöchstdauer von 18 Monaten. Demnach müssen Zeitarbeitnehmer nach diesem Zeitraum übernommen werden, wenn sie weiterhin im gleichen Entleihbetrieb arbeiten sollen. Die Dauer der Überlassung kann durch Abweichungen im Tarifvertrag oder eine entsprechende Betriebsvereinbarung verändert werden, zum Teil allerdings nur auf bis zu 24 Monate.
Durch diese Überlassungshöchstdauer werden Zeitarbeitnehmer jedoch nicht geschützt, ganz im Gegenteil: Kurz vor Erreichen der Überlassungshöchstdauer kann der Einsatz des Zeitarbeitnehmers beendet und ein anderer Zeitarbeitnehmer auf demselben Arbeitsplatz eingesetzt werden. Aufgrund der personen- und nicht arbeitsplatzbezogenen Betrachtung kann daher ein und derselbe Arbeitsplatz dauerhaft mit Zeitarbeitnehmern besetzt werden.
Für Zeitarbeitsunternehmen steigen Aufwand und Rechtsunsicherheit, weil sie für jeden einzelnen Kunden prüfen müssen, ob und ggf. wie er einer Tarifbindung unterliegt. Die vermeintlich zur Stärkung der Zeitarbeitnehmer aufgenommene Kombination aus arbeitnehmerbezogener Höchstüberlassungsdauer und Equal Pay wird in der Praxis dazu führen, dass Zeitarbeitnehmer unter den vorgesehenen Höchstgrenzen eingesetzt werden.
Unklare Regeln für Zeitarbeit und Werkverträge
Der Einsatz entliehener Arbeitnehmer als Streikbrecher wird, wie im ersten Entwurf vorgesehen, verboten, sofern der Betrieb des Entleihers unmittelbar durch einen Arbeitskampf betroffen ist. Zeitarbeitnehmer dürfen während eines Streiks künftig nur dann eingesetzt werden, wenn der Entleiher sicherstellt, dass Zeitarbeitnehmer keine Tätigkeiten übernehmen, die bisher von Arbeitnehmern erledigt wurden, die sich im Arbeitskampf befinden. Diese Streikbruchregelung ist ein Zugeständnis an die Gewerkschaften - und verfassungsrechtlich unter dem Gesichtspunkt des unzulässigen Eingriffs in die Kampfparität alles andere als unumstritten.
Zusätzlich wird der Abschluss von Werk- bzw. Dienstverträgen für Unternehmen deutlich riskanter als bisher. Wurde ein Werkvertrag nachträglich als verdeckte Arbeitnehmerüberlassung qualifiziert, kam kein Arbeitsverhältnis mit dem vermeintlichen Entleiher zustande, wenn der vermeintliche Verleiher eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis vorgehalten hat.
Mit der Neuregelung soll diese vorsorgliche Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis unzulässig sein. Jeglichen Vertragskonstruktionen, die von den Parteien zwar als Werkvertrag bezeichnet, tatsächlich aber als Arbeitsverträge oder Arbeitnehmerüberlassungsverträge "gelebt" werden, soll hiermit ein Riegel vorgeschoben werden.
Neue Mitteilungspflichten gegenüber dem Betriebsrat
Darüber hinaus sieht der Entwurf Unterrichtungspflichten des Entleihers gegenüber dem Betriebsrat vor, die ins Betriebsverfassungsgesetz aufgenommen werden sollen. Der Betriebsrat ist insbesondere über den zeitlichen Umfang des Einsatzes, den Einsatzort und die Arbeitsaufgaben von Fremdpersonal zu unterrichten. Es handelt sich lediglich um Unterrichtungspflichten, aber gerade nicht – wie von Gewerkschaften und Betriebsräten gefordert – um ein echtes Mitbestimmungsrecht.
Letztlich soll es bei der Abgrenzung von abhängiger Beschäftigung zu Dienst- und Werkverträgen auf eine "wertende Gesamtbetrachtung" ankommen – also so wi Behörden und Gerichte es bereits jetzt machen. Die Definition des Arbeitnehmers, die in einem neuen § 611a BGB formuliert werden soll, wird daher die Rechtssicherheit nicht erhöhen. Zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit bleibt ein Balanceakt.
Ob der Gesetzesentwurf zum 1. Januar 2017 oder zum 1. Juli 2017 in Kraft treten wird, ist derzeit offen. Am wenigsten werden von den Neuregelungen dieser Reform wohl die Zeitarbeitnehmer profitieren.
Dr. Thomas Leister, MBA, ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner im Münchener Büro von Osborne Clarke.
Arbeitnehmerüberlassung und Werkverträge: . In: Legal Tribune Online, 22.06.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19763 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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