Oberleutnant Franco A. gab sich als Flüchtling aus; die Bundesanwaltschaft wirft ihm vor, Terroranschläge auf Politiker geplant zu haben. Heute begann vor dem OLG Frankfurt der Prozess gegen ihn. Felix W. Zimmermann mit den Hintergründen.
Um Anonymität ist Franco A. nicht bemüht. Als der unter Terrorverdacht stehende Oberleutnant der Bundeswehr heute vor dem OLG Frankfurt erscheint, umringt ihn eine Traube von Kamerateams und Reportern. Bereitwillig antwortet er, streitet die Terrorvorwürfe ab.
Die Geschichte des heute 32 Jahre alten Franco A. klingt derart bizarr, selbst in einem fiktiven Film könnte man fehlenden Realismus kritisieren: Ein scheinbarer Parade-Offizier der Bundeswehr mit besten Karriereaussichten, Teilnehmer eines deutsch-französischen Eliteprogramms, mit gefördertem Studium verfasst 2013 eine Masterarbeit mit klar rechtsextremistischen und antisemitischen Inhalten und Verschwörungstheorien. Unter anderem heißt es dort, durch gezielte Einwanderung sei ein "Genozid der Völker in Westeuropa" im Gange. Dabei ist A. selbst Sohn eines italienischen Einwanderers. Ein Gutachter bewertet die Arbeit als "pseudowissenschaftlich" und als "rassistischen Appell".
Dennoch darf A. bei der Bundeswehr bleiben, erhält nur eine Ermahnung. Er sei Opfer seines eigenen Intellekts geworden, Zweifel an seiner Werteordnung seien auszuschließen, lautet die erstaunliche Begründung. Ein Jahr später wird A. zum Oberleutnant befördert.
Plante Franco A. Terroranschläge - als syrischer Flüchtling?
Dann 2017 ein rätselhafter Vorfall in Wien. Eine Putzfrau findet auf einer Toilette eine dort in einem Schacht versteckte Schusswaffe. Die Polizei observiert und verhaftet den Mann, der sie aus dem Versteck holen will. Es ist der Oberleutnant der Bundeswehr, Franco A. Warum er die Waffe dort versteckte, ob er einen Anschlag in Wien plante, ist bis heute ungeklärt.
Und die Ermittler staunen weiter: Fingerabdrücke von Franco A. stimmen mit denen eines syrischen Flüchtlings überein. A. hat sich als syrischer Flüchtling "David Benjamin" bei den Behörden ausgegeben und wird trotz mangelhafter arabischer Sprachkenntnisse als solcher anerkannt. Dass er nur fließend französisch spricht, erklärt er mit französischen Vorverfahren. Er bezieht hiernach viele Monate staatliche Leistungen von mehreren tausend Euro.
In der heutigen Anklageverlesung wirft die Bundesanwaltschaft A. vor, er habe einen Terroranschlag – zum Beispiel mit der Waffe in Wien – begehen und hierfür sein zweites Ich, den Flüchtling David Benjamin, verantwortlich machen wollen. Damit habe er Hass gegen Muslime und einen Bewusstseinswandel gegenüber der deutschen Asylpolitik herbeiführen wollen. Das Ziel: Migration reduzieren oder bestenfalls stoppen.
Verfechter der Rechtsstaatlichkeit oder Rechtsextremist?
Franco As Verteidiger hingegen zeichnen heute von ihrem Mandanten das Bild eines Helden. Nach seinem Anwalt Moriz Schmitt-Fricke sei es A. allein darum gegangen, Mängel bei der Registrierung von Flüchtlingen aufzuzeigen. Er wollte Missstände aufdecken, um die Demokratie zu verbessern. Mit der Anklage werde ihr Mandant abgestraft, weil er es gewagt habe, der Regierung ihre Fehler vorzuhalten. Schmitt-Fricke zitiert sodann jede Menge O-Töne von verschiedenen Personen im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise. Er will seinen Mandanten als Verfechter der Rechtsstaatlichkeit darstellen. Doch die Geschichte eines Mannes, der Fehler im Asylverfahren aufdecken wollte, ist wenig glaubhaft. Etwa: Warum blieb er 15 Monate registriert, statt sich an Medien oder Behörden zu wenden, wenn es ihm doch um Aufklärung und Verbesserung des Systems gegangen sein will?
Sein zweiter Anwalt, Johannes Hock, hat heute die Aufgabe, eine Vielzahl von positiven Zitaten über Franco A. von Lehrern, Schulfreunden und Bundeswehrsoldaten vorzulesen, die den Mandaten im weltoffenen und überaus freundlichen Licht darstellen. Als fröhlich, weltoffen, nett und sehr lieb wird Franco A. beschrieben. Er habe keinen Ansatz von Aggressionsbereitschaft gezeigt und sei nie fremdenfeindlich gewesen.
Was die Verteidiger heute nicht erwähnen: Ermittler haben bei Franco A. Munition und Sprengsatzteile aus Bundeswehrbeständen gefunden, außerdem Hitlers "Mein Kampf" und jede Menge rechtsextreme Notizen, Sprachaufnahmen, und Chats mit anderen Bundeswehrsoldaten. In persönlichen Aufzeichnungen von A. heißt es unter anderem: "Hitler steht über allem", "Mein Glaube ist mein Deutschtum" und "Israel regiert die USA". Es brauche politisch wirksamere Handlungen, weil der Mensch "auch die größte Wahrheit nicht annehmen werde, wenn sie nicht mit einem auslösenden Event verbunden" sei.
Nach der Überzeugung des Generalbundesanwalts ergibt sich aus Aufzeichnungen von A, dass dieser Anschläge auf Politiker wie Claudia Roth oder Heiko Maas verüben wollte. Konkretere Tötungspläne habe es in Bezug auf die Chefin der Amadeu Antonio Stiftung gegeben. Hier hätten bereits Ausspähungen stattgefunden.
OLG Frankfurt sah erst keinen hinreichenden Tatverdacht
Doch der Prozess ist für die Bundesanwaltschaft kein Selbstläufer. So lehnte das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt zunächst die Eröffnung des Hauptverfahrens mangels hinreichendem Tatverdacht ab. Der Straftatbestand der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat (§ 89a StGB) sei restriktiv auszulegen. Ein fester Tatentschluss sei wegen der Vorverlagerung der Strafbarkeit in das Planungsstadium zwingend erforderlich. Gegen den festen Tatentschluss spreche aber, dass Franco A. die Tat trotz ausreichender Zeit, Mittel und Gelegenheiten nicht begangen habe. Nach der Gesamtschau der Umstände sei es deshalb überwiegend wahrscheinlich, dass er unsicher gewesen sei, ob er zur Tat schreiten solle.
Doch der Bundesgerichtshof (BGH) sah das auf eine Beschwerde des Generalbundesanwalts anders. Wegen der Komplexität der möglichen Tat seien viele Gründe denkbar, warum A. die Tat nicht ausführte. Es sei zu besorgen, dass das OLG unzutreffend eine Strafbarkeit für den Fall ablehnt, dass der Täter lediglich subjektiv die Zeit für die Tat noch nicht gekommen ansehe. Für den Tatbestand des § 89a StGB reiche es aber aus, dass der Täter zum "Ob" der Tat entschlossen ist und nur das "Wann" in Frage stehe. Für ersteres spreche etwa eine Notiz des Angeklagten, in der es heißt, dass "wir noch nicht handeln können, wie wir letztendlich wollen." Die Ausspähung der Arbeitsstätte eines potenziellen Opfers und die Beschaffung eines Zielfernrohrs deuteten darauf hin, dass sich A. bereits konkret mit einer möglichen Methode der Tatbegehung befasste und zu einem Anschlag "fest entschlossen" gewesen sein könnte.
Der 5. Strafsenat des OLG Frankfurt muss nun also ab heute entgegen seiner eigenen früheren Überzeugung verhandeln. Im ablehnenden Eröffnungsbeschluss hatte das Gericht noch explizit angemerkt, es sei nicht zu erwarten, dass eine Hauptverhandlung zu weiteren Erkenntnissen führen würde. Personell hat sich allerdings im Senat seitdem einiges geändert. So ist etwa der Vorsitzende Thomas Sagebiel, der zuletzt den Mordprozess Lübcke leitete, nun im Ruhestand. Neuer Vorsitzender ist Dr. Christoph Koller.
Franco A. ist kein Einzelfall
So irre die Geschichte von Franco A. klingt, die rechtsextremistische Gesinnung in der Bundeswehr ist kein Einzelfall. Eine umfassende Untersuchung führte zur Aufdeckung extremistischer Chatgruppen bei Sicherheitsdiensten der Bundesrepublik. A. selbst war etwa Mitglied einer Telegram-Gruppe, in der sich circa 50 Soldaten, Polizisten und Waffenhändler vernetzt haben. Unter ihnen ein damaliger Soldat der Eliteeinheit Kommando Spezialkräfte mit dem Codenamen "Hannibal". Die Teilnehmer bereiteten sich auf einen Zusammenbruch der Staatsordnung an einem "Tag X" vor. Die damalige Ministerin Ursula von der Leyen kam 2017 zu dem Schluss, in der Bundeswehr gäbe es Führungs- und Haltungsprobleme. Die Bedrohung durch Staatsfeinde in Uniform wurde damit politisch eingestanden.
Das OLG Frankfurt hat zunächst Termine bis in den August angesetzt. Im Fall einer Verurteilung drohen Franco A. bis zu 10 Jahre Haft.
Prozessbeginn gegen Franco A.: . In: Legal Tribune Online, 20.05.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/45022 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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