Nachdem der Palandt Palandt bleibt: Wer war eigent­lich Otto Lieb­mann?

von Jonas Höltig

18.12.2017

2/2: Abruptes Ende einer steilen Karriere

Die DJZ wurde fortan von Carl Schmitt ("Der Führer schützt das Recht vor dem schlimmsten Missbrauch, wenn er im Augenblick der Gefahr kraft seines Führertums als oberster Gerichtsherr unmittelbar Recht schafft.", Schmitt, DJZ 1934, 9465, (946)) herausgegeben und "kämpfte" fortan, wie es Hitlers Rechtsanwalt Hans Frank 1936 in der Zeitschrift beschrieb, "im Inland, aber auch im Ausland, für das Verständnis der nationalsozialistischen Rechtsidee."

Und ab 1938 gab schließlich der seit fünf Jahren immer wichtiger werdende, nationalistische Jurist Otto Palandt den Beck'schen Kurzkommentar zum BGB heraus – unter "Berücksichtigung der nationalsozialistischen Rechts- und Lebensauffassung". Karl Wilhelm Liebmann dagegen schied am 30. Juni 1934 aus dem Verlag aus und wurde arbeitslos.

Nicht nur Liebmanns erfolgreiche verlegerische Tätigkeit fand ein jähes Ende. Auch sein Name wurde aus den von ihm begründeten Werken getilgt, sein Vermögen nach und nach konfisziert. Der einst so anerkannte Jurist und Verleger starb 1942 gesellschaftlich völlig isoliert, bei seinem Begräbnis in Berlin waren neben seinem Weggefährten Prof. Dr. Leo Rosenberg nur seine beiden Töchter anwesend. Rosenberg war selber Jude, ein Großteil seiner Familie fiel dem NS-Regime zum Opfer – ein Schicksal, das die Töchter Liebmanns nur kurz nach der Beerdigung ihres Vaters teilten.

Liebmann in völlige Vergessenheit geraten

Liebmanns Sohn Karl Wilhelm entfloh dem nationalsozialistischen Terror nach einer Internierung im KZ Sachsenhausen nach Ecuador und machte nach dem Krieg Wiedergutmachungsansprüche gegen Beck geltend. Damit blieb in Deutschland niemand übrig, der Liebmanns Erbe verteidigte. Und die Rechtswissenschaft nimmt sich dieser Aufgabe bis heute nicht an; sie ignoriert seine wissenschaftliche Bedeutung, aber auch sein tragisches Schicksal.

Der Beck-Verlag arbeitet die Geschichte des Palandt nur unzureichend auf. Daran wird sich auch mit einem "deutlichen Hinweis zur Person und seiner Verwicklung in das NS-Unrechtssystem" nichts ändern. Zwar ist dem Verlag zugute zu halten, dass der Historiker Stefan Rebenich im hauseigenen Buch zum 250-jährigen Verlagsjubiläum durchaus die nationalsozialistische Vergangenheit des Unternehmens kritisch beleuchtet und auch Otto Liebmanns Biographie skizziert. Doch auf der Internetseite des Verlags heißt es weiterhin: "Schon in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden […] mit dem BGB-Kommentar Palandt (Erstauflage 1938) [...] Standardwerke gegründet, die bis heute prägend für das Erscheinungsbild des Verlages in der Öffentlichkeit sind."

Wäre Liebmann, der "Vater des Palandt", nun der bessere Namensgeber für den BGB-Kommentar? Natürlich: Die anfängliche Bewunderung der nationalistischen Bewegungen in der Weimarer Republik wirft Schatten auf seine Biographie. Allerdings ist der Palandt in Wahrheit Liebmanns Idee und erst aus dessen Lebenswerk heraus entstanden.

Jedenfalls reicht es nicht aus, eine "Gedenkseite", gleichsam einem "Stolperstein", zu schaffen, die ohnehin nur ein Bruchteil der Leser lesen wird, so richtig und wichtig diese Idee auch ist. Entscheidend ist, dass die jetzige Namensgebung den Falschen ehrt und den Richtigen marginalisiert. "Der" Palandt wird Liebmann solange aus dem Bewusstsein drängen, wie er Palandt heißt.

Jonas Höltig ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Arbeits-, Sozial- und Wirtschaftsrecht – Abteilung I der Universität Münster.

Zitiervorschlag

Nachdem der Palandt Palandt bleibt: . In: Legal Tribune Online, 18.12.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/26073 (abgerufen am: 07.11.2024 )

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