Die DFL muss sich grundsätzlich an den Kosten für Polizeieinsätze bei sogenannten Hochrisikospielen der Bundesliga beteiligen. Das OVG Bremen gab der Freien Hansestadt Bremen Recht. Der Ligaverband kündigte Revision an.
Für die Deutsche-Fußball Liga (DFL) könnte es nach einem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Bremen (OVG) künftig teuer werden. Der Ligaverband wird sich fortan insbesondere bei sogenannten Risikospielen nicht mehr um eine Beteiligung an Kosten für den Polizeiaufwand drücken können.
Gegenstand des Rechtsstreits zwischen Land und DFL war ein Gebührenbescheid für den Polizeieinsatz anlässlich des brisanten Nordderbys zwischen dem SV Werder Bremen und dem Hamburger SV am 19. April 2015 in Höhe von 425.718 Euro. Die Hansestadt Bremen hatte nach der Partie dem Ligaverband diese Summe für Mehrkosten der Polizei in Rechnung gestellt. "Wir sehen nicht ein, dass die enormen Polizeikosten, die mit der Durchführung der Bundesliga verbunden sind, allein vom Steuerzahler getragen werden", argumentierte seinerzeit Bremens SPD-Innensenator Ulrich Mäurer.
Die DFL weigerte sich jedoch, die Gebühren zu zahlen und ging gegen den Bescheid vor. Der Fußball sei nicht Verursacher von Gewalt, und eine bloße Umverteilung von Kosten führe nicht zur notwendigen Reduzierung der Polizeieinsätze, erklärte der Verband. Außerdem liege das Gewaltmonopol beim Staat, dieser müsse für die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit sorgen. "Hierfür zahlen zu müssen, entspricht nicht unserer Rechtsauffassung", so DFL-Präsident Dr. Reinhard Rauball nach der mündlichen Verhandlung Anfang Februar.
Gericht: Polizeieinsatz im besonderen Interesse der DFL
Nachdem zunächst das VG Bremen der Klage der Fußballliga im Mai 2017 stattgegeben und den Gebührenbescheid aufgehoben hatte, gab das OVG nun der Stadt Bremen Recht (Urt. v. 01.02.2018, Az. 2 LC 139/17). Die maßgebliche Vorschrift des § 4 Abs. 4 des Bremischen Gebühren- und Beitragsgesetzes, auf die der Bescheid des Freistaats Bremen gestützt ist, sei verfassungsgemäß und mit der Finanzverfassung des Grundgesetzes vereinbar, so das Gericht. Eine Kostenbeteiligung sei nicht allein deshalb ausgeschlossen, weil die Sicherheit Kernaufgabe des Staates sei und diese Kernaufgabe durch Steuern zu finanzieren sei.
Allerdings habe der Gesetzgeber einen weiten Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum, für welche Leistungen er Gebühren erheben will, wenn diese individuell zurechenbar sind, so das Gericht. Die Erhebung einer Gebühr für den Einsatz zusätzlicher Polizeikräfte knüpfe im konkreten Fall "an die besondere Verantwortlichkeit der DFL" an. Schließlich seien die Spiele auch aufgrund der Sicherheitsleistungen der Polizei wirtschaftlich erfolgreich. Die DFL habe somit an einer "störungsfreien Durchführung der Veranstaltung" ein besonderes Interesse, urteilten die Bremer Richter.
Bremens Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) zeigte sich über das Urteil erfreut: "Das ist ein wichtiger Etappensieg – nicht nur für Bremen, sondern für alle Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Das OVG hat sich heute sehr gründlich und umfassend geäußert und die Klage der DFL in allen Punkten abgewiesen", heißt es in einer Erklärung.
Revision zum BVerwG angekündigt
Unterdessen kündigte die DFL an, Revision gegen das Urteil einzulegen: "Die rechtliche Wertung des OVG ist aus Sicht der DFL bei allem Respekt unzutreffend," erklärte DFL-Präsident Rauball: "Es ist für uns weiterhin nicht nachvollziehbar, dass der Fußball für die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit, die eine Kernaufgabe des Staates ist und der Allgemeinheit zugutekommt, verantwortlich sein soll," so Rauball in einer Pressemitteilung der DFL.
Rückendeckung erhält der Ligaverband von der Marburger Staats- und Verwaltungsrechtlerin Prof. Dr. Monika Böhm, die sich bereits seit vielen Jahren mit der Thematik beschäftigt: "Gegen die Bremer Norm sprechen grundlegende verfassungsrechtliche Bedenken. Die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit ist öffentliche Aufgabe und muss deshalb aus Steuermitteln finanziert werden", sagte die Juraprofessorin gegenüber LTO. Außerdem sei § 4 Abs. 4 des Bremischen Gebühren- und Beitragsgesetzes "in mehrfacher Hinsicht zu unbestimmt". Und: Die DFL habe keinen Einfluss auf die konkrete Durchführung des Spiels und könne deshalb nicht als Veranstalterin angesehen werden, so Böhm.
Die DFL weigert sich seit Jahren beharrlich, sich an den Kosten für Polizeieinsätze zu beteiligen. Seit 2015 verschickt das Land Bremen regelmäßig Gebührenbescheide an den Liga-Dachverband. Nach Angaben der Bremer Senatsverwaltung hatte der Vertreter der Innenbehörde, Prof. Dr. Joachim Wieland von der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer, im aktuellen Verfahren vor dem OVG dargelegt, dass sogenannte Rotspiele in der Bundesliga jährlich hohe Einsatzkosten und Tausende von Überstunden für die Polizei verursachen, während die DFL als Veranstalterin mit dem Sportereignis enorme Gewinne einfahre.
Nächstes Hochrisikospiel steht vor der Tür
Bremens Innensenator freute sich am Mittwoch auch darüber, dass "die im Vorfeld häufig geäußerte Behauptung, Werder Bremen und nicht die DFL sei in erster Linie als Veranstalter zu werten", vom OVG nicht bestätigt wurde. Es sei "übliche Rechtsprechung", so Mäurer, "dass Schulden im Falle von mehreren Schuldnern bei demjenigen zu holen sind, der am solventesten ist. Dies ist eindeutig die DFL". Deswegen seien alle bisherigen Gebührenbescheide an die DFL und nicht an den Mitveranstalter Werder Bremen gegangen.
Die Folgen des Urteils vom Mittwoch könnten für die DFL äußerst unangenehm werden: Der Innensenator rechnet damit, "dass jetzt allen gegenteiligen Bekundungen zum Trotz auch andere Länder nachziehen werden. Außerdem gehen wir davon aus, dass sich in den nächsten Tagen auch bereits die ersten Rechnungshöfe der anderen Länder bei uns melden werden," heißt es in einer Erklärung der Senatsverwaltung.
Das nächste Hochrisikospiel steht Bremen übrigens unmittelbar bevor: Kommenden Samstag kommt erneut der HSV zu Besuch. Das Spiel ist sportlich brisant. Beide Mannschaften kämpfen um den Klassenerhalt in der höchsten deutschen Spielklasse. Die Bremer Polizeikräfte sind alarmiert: „Uns steht ein großer Kräfteeinsatz bevor, mit deutlich mehr Personal als sonst, erläutert die Pressesprecherin der Bremer Polizei, Franka Haedke gegenüber LTO. Ausschließlich mit Bremer Polizisten wird das Spiel nicht zu schultern sein. „Wir haben die Bundespolizei und andere auswärtige Kräfte, wie die niedersächsische Reiterstaffel, angefordert“, so Haedke.
Hasso Suliak, OVG urteilt gegen DFL: . In: Legal Tribune Online, 21.02.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/27141 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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