OVG zur Ermittlung von Scheinehen: 100 geheime Fragen

von Prof. Dr. Kirsten Wiese

13.12.2017

Die Bremer Behörden haben rund 100 Fragen, die sie zur Ermittlung von Scheinehen stellen: zu Geschenken, Zahnpasta – und was noch? Eine Bürgerrechtsorganisation wollte es genauer wissen. Kirsten Wiese erläutert das Verfahren vor dem OVG.

Was haben Sie ihrem Ehepartner zum letzten Geburtstag geschenkt? Was hat Ihr Ehepartner Ihnen geschenkt? Welche Zahnpasta benutzt Ihre Ehepartnerin? – Menschen aus binationalen Ehen, denen die deutschen Behörden unterstellen, dass sie die Ehe nur zu Aufenthaltszwecken geschlossen haben, werden von diesen zu manchmal sehr persönlichen Bereichen befragt.

Im Land Bremen will die Humanistische Union e.V., eine bundesweit tätige Bürgerrechtsorganisation, wissen, welche Fragen Ausländerbehörden für Ermittlungen verwenden, wenn sie den Anfangsverdacht einer Scheinehe haben. Im Internet sind viele der Fragen zu finden, die bei der Ermittlung von Scheinehen verwendet werden. Gleichwohl war und ist es der Humanistischen Union daran gelegen, offiziell Auskunft zu erhalten, um die öffentliche Diskussion über die Annahme von Scheinehen und dem Generalverdacht, dem sich viele binationale Ehen ausgesetzt sehen, zu fördern.

Die Humanistische Union klagte deshalb auf Einsichtnahme nach dem Bremer Informationsfreiheitsgesetz (BremIFG). Diese Klage wies das Oberverwaltungsgericht (OVG) Bremen in zweiter Instanz ab (Urt. v. 24.10.2017, AZ. 1 LB 17/17), jetzt liegen die Gründe vor.

Beziehung zum Zwecke des Aufenthalts

Nichtdeutsche erhalten nach § 27 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) ein Aufenthaltsrecht in Deutschland, wenn sie mit einem bzw. einer Deutschen oder - unter bestimmten Voraussetzungen - mit einem Ausländer mit Aufenthaltsrecht verheiratet oder verpartnert sind. Das gilt aber nicht, wenn die Partner die Ehe oder Lebenspartnerschaft "ausschließlich" zu dem Zweck geschlossen oder begründet haben, "dem Nachziehenden die Einreise in das und den Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen". Ein solches Handeln ist nach § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG mit bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe bedroht.

Von einer zum Aufenthalt berechtigenden Ehe wird nur ausgegangen "wenn die Ehepartner erkennbar in einer dauerhaften, durch enge Verbundenheit und gegenseitigen Beistand geprägten Beziehung zusammenleben oder zusammenleben wollen", so heißt es in Ziffer 27.1a.1.1.0 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz (AW-AufenthG). Bei Scheinehen vermuten die Behörden, dass eine solche Lebensgemeinschaft tatsächlich nicht besteht. 

Wenn der ausländische Partner zuvor illegal oder geduldet in Deutschland gelebt hat oder zwischen den binationalen Eheleuten ein großer Altersunterschied besteht, schöpfen manche Ausländerbehörden Scheinehenverdacht. Für die weiteren Ermittlungen in solchen Fällen sieht die AW-AufenthG ausdrücklich vor, dass die Eheleute getrennt voneinander  zu Umständen des persönlichen Kennenlernens, Umständen der Hochzeit, Familienverhältnisse des Ehegatten, gemeinsame Lebensplanung in Deutschland etc. " befragt werden können. Wenn die Ehepartner diese Frage nicht gleich beantworten, kann das als Indiz dafür gewertet werden, dass sie tatsächlich keine häusliche Lebensgemeinschaft führen. Bundesweit werden von Ausländerbehörden wie auch von den Visaabteilungen der deutschen Botschaften im Ausland in etwa dieselben Fragen zur Ermittlung von Scheinehen verwendet.

Wenig Fälle und viele Fragen

In Bremen existiert für die Ermittlung von Scheinehen beim Senator für Inneres ein Pool von circa 100 Fragen, aus dem das Bürger- und Ordnungsamtes Bremerhaven und das Migrationsamt Bremen Fragen auswählen können. In den vergangenen Jahren sind kaum Ermittlungsverfahren wegen Verdachts einer Scheinehe geführt worden: im Jahr 2014 waren es 14, im Jahr 2015 sieben, und nur eines im Jahr 2016, so die Antwort des Senats auf die Kleine Anfrage der CDU vom 21. März 2017 (Bremische Bürgerschaft, Drs. 19/992).

Häufiger ermittelten die Behörden wegen der möglicherweise falschen Anerkennung einer Vaterschaft zur Ermöglichung eines Aufenthaltstitels für Kind und Mutter. Die Behörden schließen aber nicht aus, in zukünftigen Ermittlungen die Fragen erneut zu verwenden. Lediglich elf Fragen, die die Bremer Datenschutzbeauftragte beanstandete, z.B. "Wer von Ihnen schläft auf der linken Seite des Bettes, wenn man davor steht?", dürfen nicht mehr verwendet werden.

Zitiervorschlag

Kirsten Wiese, OVG zur Ermittlung von Scheinehen: . In: Legal Tribune Online, 13.12.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/26009 (abgerufen am: 21.11.2024 )

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