Großen Spaß macht die Lektüre von "Vermächtnis – die Kohl-Protokolle" vielen Lesern schon jetzt nicht. Dabei bewerten sie oft nicht einmal den Inhalt, sondern vor allem die vielen Schwärzungen, die insbesondere in der E-Book-Variante das Lesevergnügen erheblich schmälern. Das wird nach einer Entscheidung des OLG Köln von Dienstag in Zukunft nur noch schlimmer werden.
Der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Köln hat das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts (LG) Köln nicht nur bestätigt, sondern ist mit dem Verbot weiterer Zitate, die die Vorinstanz noch für zulässig erachtet hatte, sogar noch darüber hinausgegangen (Az. 15 U 193/14). Die Richter blieben insgesamt bei der Einschätzung, die sie bereits in der mündlichen Verhandlung im März zum Ausdruck gebracht hatten.
Der frühere Kohl-Ghostwriter Heribert Schwan hatte gemeinsam mit Kohl im Auftrag des Random House Verlags mehrere Bände der Kohl-Memoiren geschrieben, wobei Kohl als Autor firmierte. Dazu hatte Schwan 2001 und 2002 über 630 Stunden an Interviews geführt. Während dieser Zeit hatte sich der Altkanzler im Zuge der damals aktuellen Spendenaffäre von vielen Weggefährten verraten gesehen.
Nach der beruflichen Trennung der beiden Co-Autoren schrieb Schwan aus den Protokollen das im November 2014 erschienene Buch und verwendete eine Vielzahl von Zitaten Kohls aus den damaligen Gesprächen. Etliche dieser Bemerkungen sollen nicht für die Öffentlichkeit bestimmt gewesen sein, jedenfalls wohl nicht zu Kohls Lebzeiten. Der Altkanzler zog vor Gericht. Mit seinem Versuch, die vollständige Veröffentlichung des Buches zu untersagen, war er vor dem Landgericht (LG) Köln zunächst gescheitert.
Gewonnen hatte Kohl hingegen bereits erstinstanzlich im einstweiligen Verfügungsverfahren vor dem LG Köln. Dieses hatte mit Urteil vom 13. November 2014 entschieden, dass Schwan und sein Co-Autor Tilman Jens sowie der ebenfalls beklagte Verlag Random House den Großteil der von Kohl beanstandeten Passagen nicht weiter verwenden dürfen und in künftigen Lieferungen des Buches schwärzen müssen.
"In rücksichtsloser Weise über Belange des Betroffenen hinweggesetzt"
Das OLG kam nun gleichfalls zu der Überzeugung, dass Schwan eine vertragliche Geheimhaltungspflicht traf und ihm die Veröffentlichung sämtlicher Zitate, die Gegenstand des Berufungsverfahrens waren, verboten war. Die Geheimhaltungspflicht sei konkludent verabredet worden und hätte Schwan hindern sollen, die auf den Tonbändern fixierten Äußerungen ohne Einverständnis Kohls zu veröffentlichen.
Aus den Verträgen ergebe sich, dass Kohl die Entscheidungshoheit über die Verwendung seiner Äußerungen als solche sowie den konkreten Inhalt und den Zeitpunkt der Veröffentlichung zustehen sollte. Schwan hingegen hätte als Ghostwriter lediglich eine dienende Funktion innegehabt. Zudem folge die Geheimhaltungspflicht aus der Zweckbindung der Tonbandaufzeichnungen als lediglich allgemeiner Stoffsammlung für die geplanten Memoiren, so die Kölner Richter. Mit der konkludenten Geheimhaltungsabrede habe Schwan auf sein diesbezügliches Recht auf freie Meinungsäußerung verzichtet.
Der Senat urteilte zudem, dass auch Co-Autor Tilman Jens und der Verlag die maßgeblichen Äußerungen nicht veröffentlichen dürfen. Ihnen gegenüber folge das Unterlassungsgebot nicht aus einer vertraglichen Bindung, sondern aus der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in Form der Vertraulichkeitssphäre und des Rechts am gesprochenen Wort.
Zum Schutz der Pressefreiheit sei zwar nicht jede Veröffentlichung rechtswidrig erlangter Informationen ausgeschlossen. "Ein absolutes Verwertungsverbot besteht aber dann, wenn Tonbandaufzeichnungen in wörtlicher Rede ungenehmigt weitergegeben werden sowie dann, wenn sich die Presse in rücksichtsloser Weise über die schützenswerten Belange des Betroffenen hinwegsetze", so das Gericht.
Mehrere weitere Verfahren sind noch offen
Das war in diesem Fall nach Einschätzung der Kölner Richter gegeben. Denn Jens und dem Verlag seien sowohl die konkreten Umstände bekannt gewesen, unter denen Schwan die vertraulich erfolgten Äußerungen des Klägers aufgenommen habe, als auch das spätere Zerwürfnis, welches eine weitere Zusammenarbeit beendet habe. Zudem seien sie an der Erstellung des Buches verantwortlich beteiligt gewesen.
Die Beteiligten hatten stets betont, bei der Entwicklung des Buchprojekts durchgängig als Team gewirkt zu haben. So hätten sie bei der Auswahl der Inhalte zusammengearbeitet, diese gemeinsam redigiert und die Texte ausgeformt. Diese Art der Informationsgewinnung und -verwertung stehe einer weiteren Verwendung und Veröffentlichung entgegen und rechtfertige es, die Verwendung der Äußerungen insgesamt zu untersagen.
Das einstweilige Verfügungsverfahren ist mit diesem Urteil auf die Berufung beider Parteien abgeschlossen, weitere Rechtsmittel sind nicht gegeben. Der Anwalt Kohls hat bereits angekündigt, zeitnah Klage in der Hauptsache zu erheben.
Nicht abgeschlossen ist darüber hinaus der Streit Kohls und Schwans um die Herausgabe der Tonbänder, auf denen Schwan die Interviews aufgezeichnet hatte. Dieses Verfahren liegt aktuell beim Bundesgerichtshof. Darüber hinaus hat Kohl bereits angekündigt, wegen der Verwendung der Zitate Schadensersatz in Millionenhöhe geltend machen zu wollen.
Tanja Podolski, OLG Köln zu Kohl-Protokollen: . In: Legal Tribune Online, 05.05.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/15443 (abgerufen am: 04.11.2024 )
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