OLG Frankfurt zum zweiten Börsengang der Telekom: "Viele Anleger sterben, bevor sie Geld bekommen"

Interview mit Andreas Tilp

03.07.2013

2/2: "Das KapMuG muss weg"

LTO: Das KapMuG hat da nicht geholfen? Es ist ja – gerade mit Blick auf den Telekom-Prozess – mit dem Anspruch erlassen worden, geschädigten Anlegern die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen zu erleichtern.

Tilp: Nein, im Gegenteil. Nach der Praxis im normalen Zivilverfahrensrecht hätten sich die Gerichte ein, zwei Verfahren genommen und diese durchentschieden. In der Regel sind Zivilverfahren nach fünf Jahren beendet.

Das KapMuG muss weg. Es ist nichts weiter als ein Feigenblatt für die Bundesregierung, die eine europäische Sammelklage verhindern will, und damit vorgibt, dass wir in Deutschland einen kollektiven Rechtsschutz haben.

LTO: Warum hat das KapMuG nichts verbessert?

Tilp: Die Akzeptanz bei den Landgerichten, die ja über den Vorlagebeschluss entscheiden, ist nicht besonders groß. Das liegt an der Geschäftsverteilung. Die Richter müssen eine bestimmte Anzahl von Verfahren pro Jahr erledigen – ein KapMuG-Verfahren zieht sich aber.

Beim OLG ist das Problem, dass es zwar einen KapMuG-Senat gibt. Der ist aber noch für viele andere Zivilsachen zuständig. Die KapMuG-Verfahren müssten da Vorrang haben.

LTO: Hätten sich die deutschen Anleger besser der Sammelklage in den USA anschließen sollen?

Tilp: Nein. Der US Supreme Court hat zwar erst 2010 entschieden, dass Anleger nur dort klagen können, wo sie Aktien gekauft haben. Aber auch vorher wäre das Risiko groß gewesen, dass die Klagen nicht zugelassen werden. In der Zwischenzeit wären dann die Fristen für eine Prospekthaftungsklage in Deutschland verstrichen gewesen.

"Ich bleibe zuversichtlich, dass wir beide Verfahren gewinnen werden"

LTO: Sie vertreten in beiden Telekom-Verfahren den Musterkläger. Wie wird jemand zum Musterkläger?

Tilp: Das Landgericht bestimmt in seinem Vorlagebeschluss, wer Musterkläger ist. Dabei richtet es sich danach, wer die höchsten Verluste erlitten hat. Nach der Änderung des KapMuG geht es auch darum, ob eine Kanzlei mit solchen Verfahren Erfahrung hat.

LTO: Sie sind nicht der einzige Anwalt auf Seiten der Kläger. Im Verfahren um den Dritten Börsengang waren es über 900. Wie funktioniert da die Zusammenarbeit? Geht man gemeinsam vor, übernimmt ein Anwalt so etwas wie die Führung oder verfolgt jeder seine eigene Strategie?

Tilp: Führend tätig ist der Prozessvertreter des Musterklägers. Alle anderen Kläger sind nur beigeladen, sie dürfen sich zwar zur Sache äußern, sich aber nicht in Widerspruch zum Musterkläger setzen.

Von den über 900 Anwälten war übrigens keine Handvoll tatsächlich aktiv tätig. Anders wäre das auch gar nicht möglich gewesen. Stellen Sie sich vor, jeder Anwalt hätte nur einen Schriftsatz geschrieben und auf einen erwidert – das wäre überhaupt nicht zu bewältigen gewesen.

LTO: Im Verfahren um den Dritten Börsengang haben Sie bereits Rechtsbeschwerde eingelegt. Werden Sie das auch dieses Mal tun? Und wie bewerten Sie die Erfolgsaussichten in den beiden Verfahren?

Tilp: Wir werden erneut in die Rechtsbeschwerde zum BGH für unsere Kläger gehen. Ich bleibe zuversichtlich, dass wir beide Verfahren am Ende des Tages gewinnen werden.

LTO: Herr Tilp, vielen Dank für das Gespräch.

Andreas Tilp ist Gründer der Tübinger Kanzlei TILP Rechtsanwaltsgesellschaft mbH. Er vertritt in den Verfahren um den zweiten und dritten Börsengang der Deutschen Telekom jeweils den Musterkläger.

Das Interview führte Claudia Kornmeier.

Zitiervorschlag

OLG Frankfurt zum zweiten Börsengang der Telekom: . In: Legal Tribune Online, 03.07.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9069 (abgerufen am: 21.11.2024 )

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