OLG Frankfurt zum zweiten Börsengang der Telekom: "Viele Anleger sterben, bevor sie Geld bekommen"

Interview mit Andreas Tilp

03.07.2013

Telekom-Anleger scheiterten am Mittwoch erneut mit einer Schadensersatzklage. Wie bereits im Verfahren um den dritten Börsengang konnten das OLG keine Prospektfehler entdecken. Eigentlich hätten die Richter eine Entscheidung des BGH abwarten sollen, meint  der Anwalt des Musterklägers, Andreas Tilp, im Interview. Für Sammelklagen sei das deutsche Zivilprozessrecht aber sowieso völlig ungeeignet.

LTO: Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt hat die Klagen von rund 150 Kleinaktionären abgewiesen, die sich beim zweiten Börsengang T-Aktien gekauft und später Kursverluste erlitten hatten (Urt. v. 03.07.2013, Az. 23 Kap 2/06). Haben Sie mit dieser Entscheidung gerechnet? Immerhin hat ja schon derselbe Senat (23. Zivilsenat) die Klagen gegen den Dritten Börsengang der Deutschen Telekom abgewiesen.

Tilp: Im Grunde ja. Interessant war nur noch die technische Frage, ob das OLG einen abschließenden Musterentscheid oder einen Versäumnismusterentscheid erlässt.

Wir haben in diesem Verfahren nämlich formell keinen Antrag gestellt. In einem normalen Prozess hätte deshalb ein Versäumnisurteil ergehen

müssen, gegen das wir dann Einspruch beim OLG eingelegt hätten. Es ist nicht ganz klar, ob das in einem Verfahren nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG) auch geht. In der Kommentarliteratur wird es für möglich gehalten, die Frankfurter Richter haben sich offensichtlich dagegen entschieden. Ich bin gespannt, wie die Gründe dafür aussehen.

"Die jetzige Durchführung des Verfahrens ist unnötig wie ein Kropf"

Andreas Tilp

LTO: Warum sind Sie so vorgegangen?

Tilp: Die Durchführung dieses zweiten Telekom-Verfahrens ist unnötig wie ein Kropf. Es geht nämlich  um Fragen, um die es auch in dem Verfahren zum dritten Börsengang geht. Deshalb hätte man abwarten sollen, wie der Bundesgerichtshof entscheidet – wir haben ja Rechtsbeschwerde eingelegt gegen die Entscheidung des OLG Frankfurt zum dritten Börsengang. Das OLG hat das Verfahren um den zweiten Börsengang dennoch weiterbetrieben. Das halten wir für unvernünftig. Um Zeit zu gewinnen, haben wir uns in die Säumnis geflüchtet. Das war der Weg, um für unsere Mandanten optimal zu kämpfen.

LTO: Im aktuellen Verfahren ging es um zehn Millionen Euro Schadensersatz. Worauf stützen Sie diese Ansprüche?

Tilp: Die Anleger sind mit unrichtigen Angaben im Börsenprospekt getäuscht worden. Zum einen sind die Immobilien der Telekom falsch bewertet worden. Zum anderen wurde verschwiegen, dass die Telekom zum ersten Börsengang   vorsätzliche Falschbilanzierung und Kapitalanlagebetrug begangen hat, wie das die Staatsanwaltschaft Bonn später dann ja auch festgestellt hat.

"Das deutsche Prozessrecht ist für Sammelklagen von Anlegern nicht geeignet"

LTO: Beklagte ist nicht nur die Telekom, sondern auch die Deutsche Bank, die Bundesrepublik und die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW). Wieso?

Tilp: Wer Beklagter ist, entscheidet das Landgericht in seinem Vorlagebeschluss. Beim dritten Börsengang war die Deutsche Bank Konsortialführer, die Bundesrepublik und die KfW waren Prospektverantwortliche. Es ist daher korrekt, dass diese neben der Telekom Beklagte sind. Ob das auch für das Verfahren um den Zweiten Börsengang korrekt war, ist nicht so klar.

Auf die Waffengleichheit in dem Verfahren hatte das übrigens verheerende Auswirkungen. Wir wollten etwa Einsicht nehmen in ein Gutachten des Bundesrechnungshofes. Das hat die Bundesregierung verhindert. Das Gleiche galt für Unterlagen zu dem Vergleich, den die Telekom in den USA mit Sammelklägern zum Dritten Börsengang geschlossen hat. Das ist eine Verletzung von Verfahrensrechten. Die Bundesrepublik hat da als Beklagte ihre Machtposition ausgenutzt.

LTO: Hat der Vergleich aus den USA irgendwelche Auswirkungen auf die Verfahren in Deutschland?

Tilp: Nein. All das zeigt aber, dass das deutsche Zivilprozessrecht überhaupt nicht geeignet ist, über Sammelklagen von Anlegern in adäquater Zeit zu entscheiden. Wir haben jetzt das 13. Jahr nach dem dritten Börsengang und die Anleger haben immer noch kein Geld bekommen. In den USA dagegen bereits im Jahr 2005.

Eine so lange Verfahrensdauer ist schlecht für den Standort Deutschland. Das sind ja fast schon italienische Verhältnisse. Die Anleger sterben, bevor sie Geld bekommen.

Zitiervorschlag

OLG Frankfurt zum zweiten Börsengang der Telekom: . In: Legal Tribune Online, 03.07.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9069 (abgerufen am: 22.11.2024 )

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