Der Tech-Konzern Meta nahm Leistungen der Deutschen Telekom in Anspruch, wollte hierfür jedoch nicht zahlen. Das LG Köln ging von einem konkludent angenommen Vertragsangebot aus – und befeuert damit die sogenannte Fair-share-Debatte.
Im Streit mit dem Facebook-Mutterkonzern Meta um Nutzungsentgelte hat sich die Deutsche Telekom vor Gericht durchgesetzt. Das Kölner Landgericht (LG) urteilte am Dienstag, dass der Tech-Riese Meta dem deutschen Netzbetreiber Telekom rund 20 Millionen Euro zahlen muss (Urt. v. 15.05.2024, Az. 33 O 178/23).
Meta hatte die Telekom jahrelang für den Transport von Daten bezahlt, indem Internetnutzer über das Telekom-Netz Zugriff auf die Online-Dienste von Facebook, Instagram und Whatsapp bekommen haben. 2021 stellte Meta diese Zahlungen ein. Daraufhin zog die Telekom vor Gericht, während sie weiterhin die Leistungen erbrachte.
Rechtlich interessant ist in diesem Fall die Anspruchsgrundlage: Die Telekom hat einen vertraglichen Anspruch nach §§ 611 Abs. 1, 612 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) geltend gemacht, obwohl Meta ausdrücklich erklärte, keinen Vertrag schließen zu wollen. In der Literatur und höchstricherlichen Rechtsprechung ist allerdings der Grundsatz "protestatio facto contraria non valet" überwiegend anerkannt: Danach ist eine ausdrückliche Erklärung, die im Widerspruch zum tatsächlichen Verhalten steht, unbeachtlich, sodass eine konkludente Vertragsannahme vorliegt. Davon ging das LG Köln hier aus: Meta könne nicht einerseits die Kündigung erklären und andererseits die Leistung weiter in Anspruch nehmen. Eine solche Kündigung stehe im Widerspruch zu dem tatsächlichen Verhalten, so die Kammer.
Der Grundsatz "protestatio facto contraria non valet" lebt daher nach Ansicht des LG Köln weiter – ungeachtet kritischer Stimmen aus der Zivilrechtswissenschaft, die solche Fälle bereicherungsrechtlich (über § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB) lösen wollen.
Meta prüft Rechtsmittel, weil es um eine teure Grundsatzfrage geht
Die Klage habe "vollumfänglich Erfolg" gehabt, sagte eine Gerichtssprecherin nach dem Urteil. Meta teilte mit, dass man die Forderungen der Telekom weiterhin für haltlos halte und weitere rechtliche Schritte prüfe. Sollte Meta wie erwartet in Berufung gehen, würde der Fall vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf und danach möglicherweise vor dem Bundesgerichtshof ausgefochten werden. Der Rechtsstreit könnte sich also noch lange hinziehen.
Der finanzielle Betrag, den der Milliardenkonzern Telekom einfordert, ist in diesem Prozess eher sekundär. Viel wichtiger ist der Telekom die gerichtliche Feststellung, dass sie als Netzbetreiberin einen grundsätzlichen Zahlungsanspruch hat. "Es zeigt, dass Netzbetreibern in Europa sehr wohl eine Bezahlung von großen Internetkonzernen für den Datentransport verlangen dürfen", sagte eine Telekom-Sprecherin und maß dem Richterspruch eine Signalwirkung bei.
Hinter dem Urteil steht die "Fair share"-Debatte
Das Urteil aus Köln könnte der im größeren Rahmen geführte Diskussion Auftrieb geben, dass Technologieunternehmen ihren fairen Anteil ("fair share") an den Kosten von Übertragungsnetzen übernehmen sollten. Für so eine Zahlungsverpflichtung setzen sich die europäischen Telekommunikationskonzerne seit Langem ein, eine entsprechende Regelung ist rechtspolitisch aber noch nicht in der Mache. Deshalb sind Gerichtsurteile wie dieses umso wichtiger für die Netzanbieter.
Die Netzbetreiber verweisen auf die hohen Kosten ihrer Übertragungsnetze, mit deren Nutzung die "Big Techs" – dazu zählen etwa Meta, Google oder Amazon – ihre Geschäfte machten und dabei viel Geld verdienten, ohne den Anbietern der Infrastruktur etwas davon abzugeben. Die US-Technologieriesen argumentieren hingegen, dass die Nachfrage von Privatleuten nach Internetverträgen nur ihretwegen so hoch sei und davon auch die Netzbetreiber profitierten. Sie wollen sich finanziell nicht in die Pflicht nehmen lassen. Die europäische Politik hat die heimischen Telekommunikationskonzerne in der "fair share"-Debatte bislang nicht entschieden unterstützt.
Eine Telekom-Sprecherin wertete das Urteil als Nachweis für ein Problem, das vom Markt allein nicht mehr zu lösen sei. "Es kann nicht sein, dass europäische Netzbetreiber künftig stets vor Gericht ziehen müssen, um die Bezahlung einer werthaltigen Leistung durchzusetzen." Das Verfahren unterstreiche daher den dringenden Handlungsbedarf in Brüssel, eine rasche Beilegung von Streitigkeiten regulatorisch zu gewährleisten. Sie betonte, dass "Big Tech"-Unternehmen nun mal für den Großteil des Datenverkehrs in Europas Netzen verantwortlich seien.
dpa/kj/LTO-Redaktion
LG Köln entscheidet zu einer Grundsatzfrage: . In: Legal Tribune Online, 15.05.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/54547 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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