Der fliegende Gerichtsstand im UWG bei Delikten im Internet ist abgeschafft. Das bekräftigte das OLG Düsseldorf – und stellt sich damit gegen das LG Düsseldorf, das noch im Januar mit einem Beschluss für Aufsehen gesorgt hatte.
Gegen Wettbewerbsverstöße im Internet und in anderen Telemedien kann nicht mehr bundesweit im Rahmen des "fliegenden Gerichtsstands" vorgegangen werden. Dies entschied der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Düsseldorf in einem am Donnerstag veröffentlichten Beschluss (v. 16.12.2021, Az. I-20 W 11/21). Das OLG widersprach damit dem Landgericht (LG) Düsseldorf, das noch im Januar mit einer gegenteiligen Entscheidung für Aufsehen gesorgt hatte.
Lange Zeit konnten sich Kläger im Wettbewerbsrecht bei bestimmten Angelegenheiten den Gerichtsstand aussuchen. Wenn es um beanstandete Werbung im Internet ging, galt bis Anfang Dezember 2020 das Gericht als zuständig, "in dessen Bezirk die Handlung begangen" wurde (§ 14 Abs.2 UWG a.F.) Bei Wettbewerbsverstößen im Internet, also z.B auf Online-Marktplätzen oder Online-Shops, wurde dann üblicherweise angenommen, dass die Handlung bundesweit begangen wird, weil die entsprechenden Inhalte über das Internet an Internetnutzer bundesweit gerichtet sind.
Ein Unternehmen, das einen UWG-Verstoß geltend machte, konnte somit an jedem Gericht klagen, in dessen Bezirk das angegriffene Verhalten stattgefunden hat. Bei einer Werbung im Internet waren damit praktisch alle Landgerichte in Deutschland zuständig. Da diese Regelung indes u.a. dazu führte, dass Kläger in einer Angelegenheit mehrere Gerichte austesteten und sich dann für das für sie günstigste entschieden, reagierte Ende 2020 der Gesetzgeber.
UWG-Reform 2020
Im Rahmen einer Reform des Gesetzes zur Bekämpfung des Unlauteren Wettbewerbs (UWG) , bei der es v.a. darum ging, das Geschäft mit missbräuchlichen Abmahnungen einzudämmen, wurde die maßgebliche Regelung in § 14 UWG, der u.a. die örtliche Zuständigkeit der Gerichte regelt, geändert. Seit dem 2.Dezember vergangenen Jahres ist bei allen Verstößen im Internet oder im Online-Handel ("im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien") nur noch das Gericht am Sitz des Beklagten zuständig. Damit ist der fliegende Gerichtsstand zwar nicht gänzlich abgeschafft, gilt aber für viele UWG-Verstöße nicht mehr.
Wenige Wochen nach Inkrafttreten der neuen Regelung überraschte indes das LG Düsseldorf mit einer Entscheidung (Beschl. v. 15.1.2020, Az.38 O 3/21): Das Gericht bejahte in einem Verfahren seine örtliche Zuständigkeit nicht nur hinsichtlich der auch in seinem Gerichtsbezirk erfolgten TV- und Print-Werbung, sondern auch hinsichtlich der Werbung im Internet und auf YouTube, also auch für unlauteres Handeln "im elektronischen Geschäftsverkehr und in Telemedien", obwohl die Antragsgegnerin in dem Verfahren ihren Sitz nicht im Gerichtsbezirk Düsseldorf, sondern in Rheinland-Pfalz hatte.
Dem LG zufolge erfasse der neue § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG nicht jedes unlautere Handeln im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien, sondern lediglich Fälle, in denen internetspezifische Wettbewerbsverstöße geltend gemacht würden. Den "fliegenden Gerichtsstand" sah es in seinem Verfahren weiterhin als gegeben an und erklärte sich für zuständig.
OLG: "Kein Raum für einschränkende Auslegung"
Gegen diese Rechtsansicht wandte sich nun jedoch der Wettbewerbssenat des OLG Düsseldorf mit deutlichen Worten. Für eine einschränkende Lesart der neuen Vorschrift, wie sie das LG vorgenommen habe, sei "kein Raum", erklärten die Richter.
Der Wortlaut des geänderten § 14 UWG enthalte die vom LG vorgenommene Einschränkung nicht. Diese lasse sich auch nicht mit Sinn und Zweck der Regelung rechtfertigen, so das OLG. Hintergrund der Änderung der Vorschrift über die örtliche Zuständigkeit durch den Gesetzgeber Ende 2020 seien "angenommene Unzuträglichkeiten" gewesen. Die Misstände, die der Gesetzgeber habe beenden wollen, beträfen allgemein die Verfolgung von im Internet begangenen Verstößen. "Einschränkungen auf bestimmte im Internet begangene Verstöße ergeben sich hieraus dagegen nicht", heißt es in dem OLG-Beschluss.
Inwieweit die vom Gesetzgeber vorgenommene Abschaffung des Fliegenden Gerichtsstands bei Wettbewerbsverstößen im Internet sinnvoll ist, wird kontrovers diskutiert. Das BMJV hatte seinerzeit die Gesetzesänderung auch mit dem Argument angestoßen, dass der fliegende Gerichtsstand einen Anreiz zum Missbrauch schaffe. Der Kläger könne sich ein Gericht aussuchen, das weit entfernt vom Sitz des Gegners liege oder das in seinem Sinne entscheide.
Befürworter der alten Rechtslage hatten die Gesetzesänderung hingegen bedauert, weil sich durch den fliegenden Gerichtsstand eine Konzentration wettbewerbsrechtlicher Verfahren bei einigen spezialisierten Landgerichten entwickelt hatte. Sie befürchten nun, dass die Expertise und Erfahrung dieser Gerichte verloren geht.
OLG Düsseldorf korrigiert umstrittene LG-Entscheidung: . In: Legal Tribune Online, 18.02.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/44306 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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