2/2: "Filesharing wird klassisch nicht in offenen WLANs betrieben"
LTO: Wenn die Haftungsprivilegierung tatsächlich schon heute für die Anbieter von WLAN-Zugängen gilt, braucht es dann überhaupt noch eine Gesetzesänderung, wie sie die Oppositionsparteien und die FDP im Wahlkampf gefordert haben und die später im Koalitionsvertrag vereinbart wurde?
Mantz: Eine gesetzliche Klarstellung wäre hilfreich, um Unsicherheiten zu beseitigen und den Ausbau von offenen WLANs zu fördern.
LTO: Aus der Perspektive der Rechteinhaber ist die Verbreitung offener WLANs keine so gute Entwicklung – je mehr offene WLANs es gibt, desto schwieriger wird es wohl werden, Rechteverletzer ausfindig zu machen und zur Verantwortung zu ziehen. Kann und muss man dem entgegensteuern?
Mantz: Rechteverletzungen über offene WLANs sind bisher nicht in nennenswertem Umfang bekannt geworden. Außerdem geht der Gesetzgeber ausdrücklich von der Möglichkeit einer anonymen Nutzung des Internets aus. Gerade bei Privatanschlüssen werden Rechteverletzungen durch Abmahnungen auch aktiv verfolgt.
Sassenberg: Filesharing wird klassisch nicht in offenen WLANs betrieben. Da hat der Nutzer zu Hause an seinem DSL- oder Kabelanschluss eine deutlich höhere Bandbreite, die das Runterladen attraktiver macht. Offene WLANs sind in der Regel weniger attraktiv.
"TKG-Informationspflichten passen nicht auf WLAN-Anbieter"
LTO: Sie sagten vorhin, dass es neben der Frage der Haftung auch Verpflichtungen nach dem TKG zu beachten gäbe. Wovor haben WLAN-Anbieter da Angst?
Sassenberg: Hotels oder Cafés mit WLAN werden zum gewerblichen Anbieter von öffentlichen Telekommunikationsdiensten. Dies hat verschiedene regulatorische Pflichten zur Folge. Die Anbieter müssen sich etwa bei der Bundesnetzagentur melden und datenschutzrechtliche Spezialvorschriften berücksichtigen. Auch müssen sie zum Beispiel Regeln zur Aufbewahrungsdauer von Verkehrsdaten beachten. Außerdem muss ein Sicherheitsbeauftragter bestellt und ein Sicherheitskonzept aufgestellt werden, um die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten. Das WLAN ist nämlich durch technische und organisatorische Maßnahmen vor unberechtigten Zugriffen und Störungen abzusichern. Kurz, es bestehen ganz viele – im Ergebnis aber kleine – Verpflichtungen, die ein Café oder ein Hotel erst einmal überfordern können.
Zudem passen viele Pflichten nicht auf WLAN-Anbieter, wie beispielsweise die Informationspflichten bei Vertragsschluss gegenüber dem Kunden. Es ist aus unserer Sicht bei WLANs zum Beispiel in der Regel nicht sinnvoll, auf die "Dauer bis zur Bereitstellung des Anschlusses" hinzuweisen, da bei WLANs ein Anschluss nicht extra zur Verfügung gestellt wird.
Auf europäischer Ebene gibt es Bestrebungen, das mit der Verordnung über Maßnahmen zum europäischen Binnenmarkt der elektronischen Kommunikation und zur Verwirklichung des vernetzten Kontinents zu ändern. Bisher ist das nur ein Entwurf, der vorsieht, dass WLANs künftig im Hinblick auf die regulatorischen Pflichten privilegiert werden. Wer einen WLAN-Zugang nur "nebenbei" und nicht als eigentlichen Kern seiner Geschäftstätigkeit anbietet, würde danach nicht mehr als Telekommunikationsanbieter für die Öffentlichkeit gelten. Solche Anbieter müssten dann im Wesentlichen nur noch die bereichsspezifischen Datenschutzverpflichtungen einhalten.
LTO: Werden diese Regulierungsvorschriften denn in der Praxis eingehalten?
Sassenberg: Nein, die Regeln sind gerade kleineren Anbietern weitgehend unbekannt.
Mantz: Viele Kleinanbieter wenden sich außerdem an einen großen Telekommunikationsanbieter, der die Vorschriften kennt und sich um deren Einhaltung kümmert. Die Frage ist aber, ob das tatsächlich notwendig ist.
Sassenberg: Gerade bei größeren Hotel und Café-Ketten handelt es sich regelmäßig um Angebote größerer Provider. Kleine Cafés haben hingegen häufig eine selbst gebastelte Lösung und wissen von den Regelungen nichts.
LTO: Und ist das schlimm?
Mantz: Die regulatorischen Bestimmungen haben unterschiedliche Ziele. Die Meldung soll der Bundesnetzagentur insbesondere eine Überwachung des Markts ermöglichen. Das Sicherheitskonzept schützt einerseits im Interesse der Öffentlichkeit vor Störungen und andererseits die personenbezogenen Daten. Die Kundenschutzvorschriften sorgen für Transparenz gegenüber dem Kunden. Fernmeldegeheimnis und Datenschutz stellen den ordnungsgemäßen Umgang mit Bestands- und Verkehrsdaten sicher.
Die Regeln, die teilweise als Hemmschuh angesehen werden, sind daher sinnvoll und sollten von allen Telekommunikationsanbietern, auch von WLAN-Anbietern, beachtet werden. Insbesondere kann bei offenen und unverschlüsselten WLANs auf Fernmeldegeheimnis und Datenschutz nicht verzichtet werden. Lediglich die umfassenden Kundenschutzbestimmungen passen bei WLANs teilweise nicht. Generell alle Pflichten aus dem TKG als unnötig und überflüssig anzusehen, ginge aber zu weit.
LTO: Vielen Dank für das Gespräch.
Dr. jur. Dipl.-Inf. Reto Mantz ist Richter beim Landgericht Frankfurt.
Dr. Thomas Sassenberg, LL.M. ist Rechtsanwalt bei KPMG Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Frankfurt und Fachanwalt für Medien- und Urheberrecht.
Ihr gemeinsames Buch "WLAN und Recht – Aufbau und Betrieb von Internet-Hotspots" ist im Mai 2014 in erster Auflage im Erich Schmidt Verlag erschienen.
Das Interview führte Claudia Kornmeier.
Offene WLANs: . In: Legal Tribune Online, 16.05.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/11996 (abgerufen am: 02.11.2024 )
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