2/2 "Das BVerfG hält solche Äußerungen der Regierung für grundsätzlich zulässig"
LTO: Gegen die generelle Darstellung als verfassungsfeindlich kann die NPD also tatsächlich nichts tun? Gibt es denn, wenn einerseits ein Parteiverbot – seinerseits ebenfalls nur beim BVerfG – beantragt werden kann, die Partei aber andererseits keine Möglichkeit hat, feststellen zu lassen, dass es keinen Grund gibt, sie zu verbieten, nicht tatsächlich die von der NPD monierte Rechtsschutzlücke?
Roßner: Die Partei ist durchaus nicht rechtlos gestellt, hat aber auch bestimmte Dinge hinzunehmen. Das BVerfG hat sich auch schon mit dieser Frage beschäftigt. Zum Beispiel hat die NPD in den siebziger Jahren versucht, sich mit dem Organstreitverfahren gegen die Bezeichnung als verfassungsfeindlich durch den Bundesinnenminister zu wehren.
LTO: Es gibt also durchaus schon Rechtsprechung zu der Frage, ob die Partei als verfassungswidrig bezeichnet werden darf?
Roßner: Das BVerfG hat in der Tat damals festgestellt, dass solche Äußerungen der Regierung zulässig sind, solange sich nicht der Schluss aufdränge, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruhen oder ähnliches.
"Man kann schon darüber nachdenken, ob die Bezeichnung als verfassungswidrig rechtserheblich ist"
LTO: Aber dennoch ist doch nicht von der Hand zu weisen, dass die offizielle Bezeichnung der Partei als verfassungswidrig durchaus eine Beeinträchtigung für die NPD darstellen kann.
Roßner: Das ist in der Tat die interessanteste Frage dabei. Eine solche Behauptung setzt die Partei natürlich schon herab – und das Ganze mit Amt und Siegel versehen. Man kann darüber nachdenken, ob das nichtrechtserheblich ist und Eingriffscharakter trägt. Dann müsste ein Gesetz diesen Eingriff erlauben – und zwar mit guten Gründen im Einzelfall. Aber wie gesagt: Die Gerichte sehen das bisher nicht so.
LTO: Die Partei hat bereits angekündigt, wenn sie in Karlsruhe keinen Erfolg hat, vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg zu ziehen. Wagen Sie eine Prognose, wie ein solches Verfahren ausgehen könnte – auch vor dem Hintergrund, dass Sie ein Verbot der NPD für nicht Straßburg-fest halten?
Roßner: Ich bin mir relativ sicher, dass die NPD auch in Europa mit ihrem Anliegen scheitern wird. Ihr Rechtsstatus als solcher ist ungeschmälert; es ist kaum vorstellbar, dass der EGMR derart in innerdeutsche Angelegenheiten eingreifen würde. Es gibt weder ein Verfahren, innerhalb dessen die Partei ihr Anliegen geltend machen könnte, noch vor allem ein so starkes Interesse an der Feststellung, dass ein außergesetzliches Verfahren eröffnet werden müsste – da wird Straßburg nicht einschreiten.
LTO: Alles nur heiße Luft von den Rechten also?
Roßner: Die NPD möchte Druck machen, das ist eher ein politisches Manöver als ein rechtliches – wenn auch mit durchaus interessanten Rechtsfragen.
LTO: Herr Dr. Roßner, ich danke Ihnen für das Gespräch.
Dr. Sebastian Roßner ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Institut für deutsches und europäisches Parteienrecht an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.
Die Fragen stellte Pia Lorenz.
Sebastian Roßner, NPD will Verfassungstreue vom BVerfG feststellen lassen: . In: Legal Tribune Online, 13.11.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7535 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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