2/2: Der umgekehrte Ansatz
Das Vorhaben gut, die Idee aber etwas ungeschickt umgesetzt findet Prof. Dr. Christian Waldhoff von der Humboldt-Universität Berlin. Beide Gesetzesinitiativen stellten eine Stärkung der "wehrhaften Demokratie" dar. Doch mit der Möglichkeit, nach mehreren Jahren die Aufhebung dieses Ausschlusses zu beantragen, gebe der Staat "das Geschehen aus der Hand". Hingegen könne sich die antragstellende Partei dann alle paar Jahre "der Bühne des Bundesverfassungsgerichts bedienen". Würde man diese Regelung "umdrehen", bliebe die "Verfahrensherrschaft" dagegen beim Staat.
Damit d'accord geht sein Kollege Prof. Dr. Christoph Möllers von der Berliner Humboldt-Universität, wie auch Waldhoff Prozessbevollmächtigter des Bundesrats im gescheiterten NPD-Verbotsverfahren. Er regte an, den Ausschluss von vornherein zu begrenzen und dann auf Betreiben des Staates verlängern zu lassen. Ein anderer Grund dafür sei auch das Interesse des Staates, verfassungsfeindliche Parteien überwachen zu wollen. Dazu müsse er aber zu dem Zeitpunkt, an dem ausgeschlossene Parteien entsprechend den Gesetzentwürfen die Aufhebung des Ausschlusses beantragen, seine V-Leute aus dieser Partei bereits seit längerem zurückgezogen haben, was unpraktikabel sei.
Von den Gesetzentwürfen nicht überzeugt zeigte sich der Dresdner Rechtsanwalt und Ex-MdL der Grünen Johannes Lichdi. Er äußerte Zweifel an der Erforderlichkeit des Ausschlusses extremistischer Parteien von der staatlichen Finanzierung. Schließlich wäre auch eine allgemeine Abschaffung oder Absenkung der Parteienfinanzierung möglich. Zudem befürchtet er, dass der Gesetzgeber "der Urteilskraft der Bürger und der Offenheit des politischen Willensbildungsprozesses sein Misstrauen erklären" würde, wenn er das Vorhaben verabschiedete. Dies würde der Glaubwürdigkeit der Demokratie schweren Schaden zufügen. "Eine von Staats wegen gelenkte Demokratie, in der bestimmte Ansichten bevorzugt oder benachteiligt werden, widerspricht fundamental dem freiheitlichen Geist des Grundgesetzes", argumentierte Lichdi, der während seiner politischen Karriere unter anderem als Mitglied des sächsischen NSU-Untersuchungsausschusses "Neonazistische Terrornetzwerke in Sacken" tätig war.
Gelder streichen nur eine Notlösung?
Die Debatte um eine mögliche Streichung staatlicher Gelder für Parteien entbrannte mit dem NPD-Urteil des BVerfG im Januar dieses Jahres. Die Karlsruher Richter entschieden, dass die rechtsextreme Partei durchaus planvoll und intensiv verfassungsfeindliche Ziele verfolge, diese mangels Einflusses aber nicht erreichen und deshalb auch nicht verboten werden könne.
Im Rahmen der ausführlichen Urteilsbegründung wies das Gericht allerdings darauf hin, dass sich der verfassungsändernde Gesetzgeber Gedanken über Alternativen zum Verbot machen könnte. Die Idee, verfassungsfeindlichen Parteien den staatlichen Geldhahn zuzudrehen, kam daraufhin zügig in der Politik an.
Kritiker stellen indes weiterhin die Kosten dem Nutzen gegenüber: Da sich die staatliche Finanzierung am politischen Erfolg einer Partei bemesse, gehe es bei verfassungsfeindlichen, aber (zu) kleinen Parteien um vergleichsweise geringe Summen. Im Gegenzug erhielte eine so ausgeschlossene Partei einen propagandistischen Vorteil. Und noch viel wichtiger: Art. 21 GG sehe nur ein Verbot als Sanktion vor. Mit dem aktuell angestrebten Mittelweg werde diese bewusste Entweder-oder-Lösung zunichte gemacht.
Marcel Schneider, Keine Parteienfinanzierung für Verfassungsfeinde?: . In: Legal Tribune Online, 30.05.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23059 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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